Heute wird Peter Bosz 60 Jahre alt. Zu seiner Zeit als Leverkusen-Coach sprachen wir mit ihm über das Talent von Kai Havertz, den Genius von Johan Cruyff und die fehlenden Haare auf seinem Kopf.
Dieses Interview erschein erstmals im Sommer 2019, in unserem großen Bundesliga-Sonderheft zur Saison 2019/20. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Peter Bosz, als aktiver Spieler schrieben Sie Zeitungskolumnen. Wie beurteilen Sie den aktuellen Sportjournalismus?
Sie dürfen das nicht überbewerten. Ich war kein Journalist, sondern schrieb nach meinem Wechsel von Feyenoord nach Japan nur einmal wöchentlich für eine kleine Zeitung in meiner Heimat Apeldoorn über das Leben in Fernost. Da ging es nicht um Fußball, sondern um die japanische Kultur.
Allerdings führten Sie die Tätigkeit auch nach Ihrem Wechsel 1997 zu Hansa Rostock fort.
Auch das Leben in Ostdeutschland hat die Menschen in meiner Heimat interessiert.
Worüber haben Sie denn berichtet?
Etwa über meine Empfindungen, als wir im Februar 1998 zum Spiel gegen den FC Bayern flogen. Wir landeten in München am Flughafen zur selben Stunde, zu der genau vierzig Jahre vorher die Mannschaft von Manchester United dort abgestürzt war. Ein mulmiges Gefühl.
Wie ein Journalist gedacht haben Sie also nie?
Nein, was auch ganz gut so ist.
Warum?
Weil Sie und ich vollkommen andere Ziele haben. Ich will Spiele gewinnen. Das bedeutet, dass ich auch Interna für mich behalten muss. Ansonsten könnten diese Interna durch die Bewertung und Problematisierung von außen meine Arbeit als Trainer beeinträchtigen. Sie haben im Gegensatz dazu ein berechtigtes Interesse zu erfahren, was hinter der Kabinentür vor sich geht.
Aber eine Abneigung gegen die Branche hegen Sie nicht?
Im Gegenteil. In den Niederlanden gibt es einige Ihrer Kollegen, die ich schon lange kenne. Mit denen diskutiere ich sehr gerne über Fußball, weil sie wissen wollen, warum ich hier mit Dreierkette spiele oder dort einen Spieler in die Halbposition beordere. Aber es gibt auch Kollegen, die eben nur wissen wollen, welche Spieler aktuell bei Bayer oder Ajax auf der Einkaufsliste stehen. Diese Gespräche finde ich weniger inspirierend.
Lustigste Schlagzeile mit Ihrem Namen?
Mit Bosz (gesprochen „Boss“, d. Red.) gab es schon fast alles. Hauptsache, der Name ist richtig geschrieben. (Lacht.)
Zum Sportlichen. Ihr Keeper Lukas Hradecky hat gesagt: „Wenn der Bosz hier mal eine ganze Vorbereitung hat, ist Großes möglich.“ Hat er Recht?
Das kann ich Ihnen in einem Jahr sagen. Jedenfalls macht es die Sache nicht einfacher, wenn ich als Trainer im Verlaufe einer Saison einsteige. Die Vorbereitungszeit, um meine Vorstellungen zu verwirklichen, war extrem kurz. Aber die Spieler waren zum Glück sehr motiviert – sonst wären wir am Ende wohl nicht Vierter geworden.
Hat es Ihnen den Einstieg vereinfacht, dass Sie in Leverkusen eine Vielzahl von hochtalentierten Spielern vorfanden – allen voran Kai Havertz?
Natürlich, aber gerade Kai hatte zunächst einige Probleme bei mir.
Inwiefern?
In der Hinrunde hatte ich Spiele mit ihm gesehen, die waren umwerfend. Auch die Journalisten waren hingerissen, aber mit der neuen Rolle, die ich ihm gab, tat er sich anfangs noch schwer. Er hatte viele einfache Ballverluste und war längst nicht mehr so dominant bei der Ballkontrolle. Bei einem Spieler, der so ein gutes Auge hat und eine solch’ außergewöhnliche Technik, darf das eigentlich nicht passieren. Aber es war auch eine logische Folge der Umstellung.
Vorher hatte Havertz allein das Zentrum besetzt, Sie stellten ihm im zentralen Mittelfeld Julian Brandt an die Seite.
Vorher hatte Kai in erster Linie die Offensive organisiert, in der neuen Rolle musste er viel mehr nach hinten arbeiten, was ungewohnt für ihn war. Aber es beweist, was für ein Superspieler er ist, dass er seine Fehler in dieser Phase sehr schnell korrigiert hat.
Den Stürmer Brandt modelten Sie in der Rückrunde zum Spielmacher um. Nun kauft Ihnen Borussia Dortmund diesen Spieler weg. Enttäuscht?
Natürlich tut es weh, wenn man einen außergewöhnlichen Spieler verliert, aber so ist das Geschäft. Es macht mich andererseits auch stolz, dass Julian durch seine guten Leistungen auch für sehr große Vereine so interessant geworden ist. Denn ich glaube, ein bisschen habe auch ich an dieser Entwicklung mitgewirkt.
Für den Online-Auftritt des niederländischen Mediums „De Correspondent“ haben Sie vor Kurzem detailliert das Europa-League-Finale 2017 zwischen Ihrem Ajax-Team und Manchester United analysiert.
Nachdem ich mich lange geweigert hatte.
Warum?
Weil es ein richtiges Scheißspiel war. Eines der wenigen, die ich mir im Nachhinein nie mehr angeschaut und auch nicht analysiert habe.
Weil die Niederlage so schmerzte?
Nein, weil ich Fußballliebhaber bin. Und dieses Spiel – genauso wie das Champions-League-Finale 2019 – war nichts, was mir als Zuschauer Spaß gemacht hat.
Wer Ihnen bei der Analyse zuhört, erkennt, wie detailliert Sie ein Spiel vorausberechnen. Glauben Sie, dass Fußball planbar ist?
Ich glaube zumindest, dass sich sehr viele Faktoren vorausplanen lassen.
Warum haben Sie das Finale trotzdem verloren?
Ein Faktor, der sich nicht planen lässt, ist Erfahrung.
Das heißt?
Ein Spieler und ein Team müssen erst lernen, wie man Endspiele gewinnt. Matthijs de Ligt war 17, Kasper Dolberg war 19, meine Mannschaft hatte ein Durchschnittsalter von 21,7 Jahren. Manchester war im Schnitt sechs Jahre älter. Diesen Erfahrungsvorsprung holt man in K.o.-Spielen nicht so leicht auf. Das hat Ajax auch in der Champions League 2019 erfahren müssen.
Aber Ihr Matchplan beim damaligen Endspiel war richtig? Ihnen wird ja öfter vorgeworfen, Ihre Teams durch die offensive Ausrichtung großen Gefahren auszusetzen.
Hinterher ist es immer leicht, Dinge zu kritisieren. Wir hatten 2016/17 eine sehr gute Europa-League-Saison gespielt und mit unserer Philosophie gegen große Teams gewonnen. Natürlich hätte ich für das Finale umstellen können, aber glauben Sie wirklich, es wäre eine Garantie für den Titel gewesen?
Auch in Dortmund wurde kritisiert, dass Ihr Team viel zu hoch steht. Fehlen uns Deutschen womöglich der Mut und die Phantasie, um den niederländischen Offensivfußball nachzuvollziehen?
Keine Sorge, meine Spielweise wird auch in Holland kritisiert. Aber ich arbeite noch nicht lang genug in diesem Land, um zu verstehen, wie die Deutschen ticken. Wenn ihnen wirklich der Mut fehlt, wie sie mutmaßen, ist es ja gut. Vielleicht gelingt es mir dann noch, sie mit unserer Art von Fußball vom Gegenteil zu überzeugen. (Lacht.)
Auch Deutschen macht ein Hurraspiel mit Endstand 6:5 Spaß. Der Gelackmeierte sind Sie als Trainer, der hinterher die Niederlage oder zu viele Gegentore erklären muss.
Natürlich will auch ich gewinnen, aber meine Überzeugung ist, dass wir Profifußball für die Fans spielen. Und ich möchte, dass Menschen, die ein Spiel meines Teams sehen, nach Hause gehen und sagen: „Boah, das war großartig. Was für ein aufregender Fußball.“
Im Pro-oder-Contra-Fragebogen entscheiden Sie sich also fürs „turbulente 5:5‑Unentschieden“ und gegen den „schnöden 1:0‑Sieg“?
Nein. Der 1:0‑Sieg sticht immer das 5:5, aber noch lieber wäre mir ein 5:4‑Sieg. Ich hasse Niederlagen. Ich glaube aber, dass es unterschiedliche Wege gibt zu gewinnen. Natürlich weiß ich, dass mein Weg grundsätzlich ein sehr schwieriger ist, denn wenn bei offensivem Spiel Fehler passieren, ist das Team hinten sofort anfällig.
Das heißt, bei Ihnen dürfen sich Spieler keine Fehler erlauben.
Offensivfußball bedeutet nicht zwangsläufig ein höheres Risiko, er bedarf nur einer noch detaillierteren Planung. Wenn wir hinten und vorne kompakt stehen, werden die Abstände so kurz, dass wir selbst bei einem Ballverlust sehr schnell reagieren können. Und wenn ich als Trainer das Spiel richtig analysiere, ist es auch möglich, dass meine Mannschaft mit der Zeit immer seltener Gegentore bekommt und gleichzeitig mehr Tore erzielt. Aber es setzt einen klaren Plan und harte, analytische Arbeit voraus. Und sehr aufmerksame Spieler.
Bei Ajax forderten Sie die sogenannte „Fünf-Sekunden-Regel“. Das Zeitlimit, in dem Ihr Team nach Ballverlust das Leder zurückerobern und zur Grundordnung zurückfinden soll. Welche Zeitvorgabe machen Sie aktuell der Werkself?
Letzte Saison ist uns das mit der Sekundenregel noch nicht so gut gelungen. Einige hatten damit noch Probleme. Denn das Gefährliche an dieser Vorgabe ist, wenn nur ein Spieler das Limit nicht schafft, geht der komplette Druck verloren und alle müssen viel mehr laufen. Bis zum Saisonstart müssen wir auch daran dringend arbeiten.
Nach dem Aus in der dritten Runde des DFB-Pokals gegen den 1. FC Heidenheim sagten Sie auf die Frage eines Journalisten, ob Ihrem Team die Mentalität zum Sieg gefehlt habe, dass Sie nicht verstehen würden, was „Mentalität“ sei.
Weil ich von Ihrem Kollegen wissen wollte, was genau er damit meint. Wissen Sie, was Mentalität bedeutet?
Der innere Zusammenhalt einer Mannschaft, die Opferbereitschaft, gemeinsam für ein Ziel durchs Feuer zu gehen, die Überzeugung aller, auch spielstärkere Teams besiegen zu können?
Einverstanden. Aber für diesen Begriff gibt es bestimmt noch zwanzig weitere Definitionen. Mir kommt es manchmal vor, als würden Leute, die nicht allzu viel Ahnung von Fußball haben, den Begriff Mentalität nutzen, um sich zu erklären, warum ein schwächeres Team einen Favoriten besiegt. So brauchen sie nicht in die tiefere Analyse einzusteigen. Mentalität – fertig! Die machen es sich meines Erachtens zu einfach.
Welches Ihrer Teams zeichnete eine besondere Mentalität aus?
Alle Teams, die ich bislang trainiert habe, hatten eine klare Philosophie. Wer nicht bereit ist, meine Idee und meinen Plan mitzutragen, den brauche ich nicht. Insofern hatten alle meine Spieler eine Mentalität, die ich von ihnen erwartet habe.
Wie würden Sie Mentalität erklären?
Mentalität heißt Konzentration, Fokussierung, Willenskraft, aber auch, ob jemand mit Druck umgehen kann. Kann er sich nach einem schnellen Rückstand wieder fokussieren? Ist ein Spieler in der Lage, einen harten Flachpass immer wieder und wieder auf den richtigen Fuß zu spielen? Ich wundere mich oft, dass die Leute applaudieren, wenn ein Verteidiger dreißig Meter hinter einem Stürmer herrennt, um am Ende den Ball ins Aus zu grätschen. Wow, der haut sich rein! Dabei hat derselbe Spieler vorher woanders einen fatalen Fehlpass produziert und den Ball verloren, weil er unkonzentriert war. Warum fragt keiner danach?
Als Aktiver galten auch Sie als Rumpelfußballer, der mehr über den Kampf zum Spiel fand. Sind Sie deshalb als Trainer so ein eiserner Verfechter des attraktiven Fußballs?
Als ich 2000 als Trainer anfing, hatte ich keine Ahnung, was für ein Typ ich bin. Bei meinem ersten Testspiel als Coach in Apeldoorn gegen mein altes Team von Feyenoord stand ich an der Bank und wusste überhaupt nicht, wie ich mich verhalten soll. Sollte ich die Spieler anschreien, mich hinsetzen oder einfach ruhig zusehen? Ich wusste es nicht. Aber eins war mir sofort klar: Wenn der Gegner den Ball hatte, wurde ich nervös, waren wir in Ballbesitz, war ich ganz ruhig. Auf dieser Grundlage habe ich meine Philosophie gebaut: Ich wollte schönen, offensiven Fußball spielen lassen. Und: Ich als Spieler hätte in keinem meiner Teams je eine Chance gehabt. (Lacht.)
Louis van Gaal erinnert sich gern an eine Szene seines Alkmaar-Teams, das nach sage und schreibe 26 Pässen ein Tor erzielte. Haben Sie auch bleibende Erinnerungen an Ballbesitzfußball?
Ich erinnere mich nicht an einen Moment. Aber mich freut es sehr, wenn meine Spieler erkennen, dass sie mit meiner Idee von Fußball Erfolg haben und – beispielsweise wie vor Kurzem gegen Fortuna Düsseldorf – über drei, vier Minuten den Ball in den eigenen Reihen zirkulieren lassen. Das macht Spaß.
Zu offensiver Fußball kann einen Trainer auch den Job kosten. Denken Sie über so etwas nach?
Niemals! Eine Begleiterscheinung des Berufs ist es nun mal, dass ein Trainer bei Misserfolg rausfliegt. José Mourinho, der viele große Titel gewonnen hat, wurde in Manchester entlassen, obwohl er defensiv spielen ließ. Da bevorzuge ich meinen Weg. Sehr offensiv, ja. Aber auch defensiv kompakt, wenn alle die Vorgaben richtig umsetzen.
Können Sie am Ende gar nicht anders, weil das Offensivspiel in der DNA des niederländischen Trainers verankert ist?
Da gehe ich nicht mit. Wer sind denn aktuell die großen Offensivtrainer? Pep Guardiola, Marcelo Bielsa, Jorge Sampaoli – alles keine Holländer.
Pep Guardiola ist ein Exponent von Johan Cruyffs Lehre, der wiederum ein Jünger von Rinus Michels war.
Die sich wiederum nicht so grün waren. Sie haben Recht, Cruyff steht in unserem Fußball über allem.
Zu Ihrer Zeit als Trainer bei Maccabi Tel Aviv haben Sie mal eine Woche gemeinsam mit ihm und seinem Sohn Jordi über Fußball diskutiert. Hinterher sagten Sie, Sie hätten in diesen Tagen mehr über Fußball gelernt als vorher in zehn Jahren.
Das stimmt nicht ganz. Ich wusste vorher schon viel über ihn und seine Lehre. Er war als Spieler mein Idol und auch die Art, wie er als Trainer Drucksituationen kreierte, den Torwart zum Feldspieler umfunktionierte, beeindruckten mich sehr. Schon als Jugendlicher haben meine Freunde aus Apeldoorn und ich Interviews mit ihm aus Zeitungen ausgeschnitten und in einem Album gesammelt.
Als Sie Cruyff in Tel Aviv kennenlernten, wussten Sie demnach schon alles?
Viel. Aber wenn man mit ihm redete, erschien einem der Fußball auf einmal noch so viel einfacher.
Cruyff war also nicht nur ein genialer Spieler, sondern auch ein großer Rhetoriker?
Im Gegenteil. Wenn er Holländisch sprach, verstand ihn meistens keiner richtig, was daran lag – das hat er auch selbst mal gesagt –, dass er in Gedanken meistens schon wieder zwei Schritte voraus war. Aber nach der Woche mit ihm dachte ich bei vielen Dingen: Verdammt, er hat Recht.
Stimmt es, dass Sie als Feyenoord-Spieler mal heimlich nach Amsterdam gefahren sind, um dort das Training von Louis van Gaal zu beobachten?
Wir hatten damals eine gute Mannschaft, stellten aber fest, dass Ajax plötzlich alles gewann. Da wollte ich wissen, was dieser Trainer anders macht. Ich musste aufpassen, dass mich dort am Trainingsplatz keiner erkennt, weil es eine große Rivalität zwischen den Klubs gibt. Also fuhr ich nah an den Platz heran, machte die Sonnenblende runter und schaute mir das an.
Würden Sie heute noch einmal Ajax Amsterdam verlassen, um den BVB zu trainieren?
Auf jeden Fall. Ich hatte bereits beschlossen, bei Ajax aufzuhören, bevor das Angebot aus Dortmund kam.
Sie entschieden sich im Sommer 2017 für die Borussia, obwohl Sie wussten, dass schon damals Lucien Favre erste Wahl des Klubs war?
Wenn er damals dort zugesagt hätte, wäre ich überhaupt nicht in Kontakt mit dem BVB gekommen. Ich war dann aber über den Stand der Dinge informiert, wir haben denselben Berater.
Im Dezember 2017 wurden Sie nach neun sieglosen Spielen beim BVB freigestellt. Hans-Joachim Watzke räumte später ein, dass die Spieler nach dem Busattentat in der vorangegangenen Saison nicht mehr dieselben gewesen seien und zuvor auch Fehler bei der Kaderzusammenstellung gemacht wurden.
Wenn ich diese Dinge, die Sie ansprechen, jetzt bestätigen würde, klänge es aus meiner Sicht wie eine Ausrede. Das will ich nicht. Nur so viel: Ich hatte in Dortmund das Momentum nicht auf meiner Seite, aber ich habe viel gelernt und sehr nette Menschen kennengelernt. Es ist schade, dass es so schnell zu Ende gegangen ist, aber so ist der Fußball.
Haben Sie sich vor Ihrer Landung bei Bayer 04 über das Vizekusen-Image Gedanken gemacht?
(Stutzt.) Vizekusen? Was ist Vizekusen?
Sie haben nie davon gehört, dass dieser Klub mit einem Fluch belegt ist?
Nein. Als ich mich bei Bayer vorgestellt habe, habe ich mir nur über die Spielphilosophie Gedanken gemacht. Ich weiß, dass der Klub immer gute Spieler hatte, in den frühen 2000ern zum Beispiel Michael Ballack und einige herausragende Südamerikaner. Ich habe mir den aktuellen Kader angeschaut und überlegt, was ich mit diesen Profis anfange. Etwa, in welcher Rolle ich mir Julian vorstellen könnte.
Um das Vizekusen-Trauma zu besiegen, müssten Sie nur mal Meister werden.
Es macht keinen Sinn, über Titel zu reden. Für Titel muss man arbeiten.
Was muss sich ändern, damit diese Saison noch erfolgreicher wird als die letzte?
Ich glaube nicht, dass jemand erwartet hätte, dass wir noch auf Platz vier abschließen. Aber nun wissen alle, wie wir spielen. Was bedeutet, dass wir uns weiter verbessern müssen. Ich erwarte von meinem Kader und vom Staff deshalb höchste Aufmerksamkeit in jedem Detail, jeder Pass, jeder Handgriff muss sitzen. Und wir müssen zusehen, die Neuzugänge so schnell wie möglich zu integrieren.
Wird Kerem Demirbay Julian Brandt ersetzen können?
Ich habe gelesen, dass Sie und Ihre Kollegen sich das wohl überwiegend so vorstellen. Aber Demirbay ist ein komplett anderer Spieler. Es kommt doch auch keiner auf die Idee, dass Kevin Volland die Rolle von Julian übernimmt. Es wird mein Job sein, dass unsere Philosophie erhalten bleibt, ich aber gleichzeitig aus den Qualitäten dieses Spielers das Optimale heraushole.
Träumen Sie davon, als Trainer eine Ära zu begründen? Ihre Engagements dauerten bislang maximal drei Jahre.
Ich habe mit Unterbrechung insgesamt fünf Jahre bei Heracles Almelo gearbeitet. Aber die Zeiten haben sich geändert. Die Maldinis, die ihr Leben lang nur bei einem Verein spielen, gibt’s nicht mehr. Und bei Trainern ist es ähnlich. So ist der moderne Fußball nun mal. Ich bin jetzt ein halbes Jahr hier und habe den Eindruck, in der Bundesliga-Rangliste bei den dienstältesten Trainern schon wieder ins Mittelfeld aufzurücken.
Wenn Sie heutzutage zweimal in Folge verlieren, dann werden sie nicht selten schon ausgepfiffen. Und nach dem vierten Mal kann es passieren, dass Sie entlassen werden. Bitter, oder?
Keine schöne Entwicklung, aber letztlich kann ich damit leben, denn ich weiß, wo ich hin will. Ich will meine Spielphilosophie umsetzen, Erfolg haben und die Fans gut unterhalten.
Peter Bosz, von Hause aus verfügen Sie über eine volle Lockenpracht. Vor Jahren rasierte Ihnen Ihre Frau aus einer Laune heraus eine Glatze. Machen Sie das inzwischen selbst?
Jeden Morgen.
Und wenn Sie es nicht täten, hätten Sie volles Haar?
Nicht mehr so wie damals, aber es würde schon wieder einiges wachsen. Aber ganz ehrlich: So wie jetzt gefalle ich mir wesentlich besser.