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Noch heute werde ich gefragt: Was ist eigent­lich eine Schutz­schwalbe, Dirk?“ Ich sage dann immer: Ein Vogel, aber kein schüt­zens­werter!“ Im Spiel zwi­schen meinem Karls­ruher SC und Borussia Dort­mund flog er einmal beson­ders hoch. Dass Andreas Möller sich im Straf­raum fallen ließ, hatte fatale Folgen: Im End­ef­fekt kos­tete seine Aktion uns die UEFA-Cup-Teil­nahme und brachte dem BVB die Meis­ter­schaft. Vor dem Spiel waren wir noch ganz dicht dran an den inter­na­tio­nalen Plätzen, saßen den Bayern direkt im Nacken. Icke“ Häßler, Sergej Kir­jakow, Euro-Eddy“ Schmitt – diese Jungs konnten ein ordent­li­ches Feu­er­werk abbrennen. Und auch im West­fa­len­sta­dion sah es für uns zunächst recht gut aus. Wir waren durch Gun­ther Metz in Füh­rung gegangen und im wei­teren Spiel­ver­lauf die klar bes­sere Mann­schaft. Die Dort­munder Fans hatten schon die Finger im Mund, bereit zum Pfeif­kon­zert. Doch in der 76. Minute drang Möller von Rechts­außen in unseren Straf­raum ein, ich eilte hinzu. Zwi­schen ihm und mir hätte ein Klein­wagen parken können – da fiel er plötz­lich hin! Fast aus dem Stand!

Es ist ja bekannt, dass Fuß­bal­lern viele Mittel recht sind, um den Vor­teil für ihre Mann­schaft zu erzwingen. Inso­fern war ich nicht son­der­lich über­rascht, als er abhob. Schier fas­sungslos war ich aber, als Schieds­richter Gün­ther Haber­mann tat­säch­lich Elf­meter pfiff! Das kann doch nicht wahr sein“, dachte ich. Das muss der doch gesehen haben!“ Und bis heute bin ich davon über­zeugt, dass min­des­tens der Lini­en­richter rea­li­siert hatte, dass es zwi­schen Möller und mir zu kei­nerlei Kon­takt gekommen war. Aber das Gespann hatte wohl die Hosen voll ange­sichts der furcht­ein­flö­ßenden Kulisse im West­fa­len­sta­dion und ist ein­ge­knickt.

Genau das würde ich heute, mit dem Abstand von 15 Jahren, allen Betei­ligten zu Gute halten: In einem sol­chen Hexen­kessel badet man im Adre­nalin und ist nicht immer Herr seiner Sinne. Michael Zorc, der alte Rou­ti­nier, blieb indes ganz cool und ver­wan­delte den Elf­meter zum Aus­gleich. Dadurch stand das Publikum wieder voll hinter seiner Mann­schaft. Wir gerieten in einen Strudel und ver­loren das Spiel durch einen 20-Meter-Schuss von Mat­thias Sammer noch mit 1:2. Bei einer Ecke kurz vor Schluss stellte ich Möller und fragte ihn, was er sich denn bei seinem Hecht­sprung gedacht habe. Er gab alles zu, sagte aber, dass der Zweck die Mittel hei­lige. Im Inter­view nach dem Schluss­pfiff klang das ein klein biss­chen anders: Das war eine Schutz­schwalbe. Ich dachte, dass Dirk Schuster mich voll umhauen würde.“ Bloß, wie hätte ich das über­haupt machen sollen? So weit, wie wir aus­ein­ander waren, kann man ja kaum grät­schen! Und selbst wenn: Dann hätte es ja Elf­meter gegeben! Den gab es iro­ni­scher­weise trotzdem.

Mitt­ler­weile bin ich nicht mehr sauer auf Möller. Er ist damals vom DFB sogar nach­träg­lich gesperrt worden, Berti Vogts nahm ihn kurz­fristig aus der Natio­nal­mann­schaft, und durch den mas­siven Image­schaden, den die Schutz­schwalbe nach sich zog, hat er zur Genüge gebüßt. Auch aus der Pri­vat­fehde mit unserem Trainer Win­fried Schäfer ging er als Ver­lierer hervor. Bei jedem anderen wäre ich zum Schieds­richter gegangen und hätte gesagt, dass es kein Elf­meter war, bei ihm jedoch nicht“, meinte er. Das nahm Schäfer dankbar auf und machte eine mora­li­sche Dis­kusson draus: Eben haben kleine Kinder meiner Mann­schaft den Mit­tel­finger gezeigt. Das ist das Pro­dukt von Möller.“ Heute ist über die Sache längst Gras gewachsen. Andreas hat sich ent­schul­digt. Und ein Gutes hat es: Ich weiß seitdem, was eine Schutz­schwalbe ist.