Bei der Eintracht herrscht Zwietracht. Nach dem Sieg über die Bayern am vergangenen Spieltag verliert sie gegen Hertha BSC und rutscht auf Platz 14. Doch, wenn man mal ehrlich ist, gehört Eintracht Frankfurt genau da auch hin.
Als Heribert Bruchhagen, langjähriger Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt, einmal sagte, die Ligaplatzierungen seien aus finanziellen Gründen auf Sicht in Stein gemeißelt, veranschaulichte das eine gewisse Ambitionslosigkeit, die diesen Verein umgab. Eintracht Frankfurt war Ende der Neunziger- und Anfang der 2000er-Jahre im Fahrstuhl zwischen erster und zweiter Liga gefangen. Irgendwann dann zurrte sich der Klub in der unteren Tabellenhälfte der 1. Bundesliga fest. Jahr um Jahr hieß das Ziel: Klassenerhalt. Alles, was darüber kommen sollte, war Bonus.
Dass die Eintracht sich unter Niko Kovac auf einmal in der oberen Tabellenhälfte festsetzen, den DFB-Pokal gewinnen, unter Adi Hütter das Europa-League-Halbfinale erreichen und schließlich um ein Haar in der Champions League landen konnte, war nichts weniger als ein gelebter Traum. Doch was bei gelebten Träumen unbedingt zu vermeiden sein sollte, ist, sie zum Maßstab zu machen. In Dortmund erkrankt der Verein seit der letzten Meisterschaft daran, dass sich die Erwartungen verschoben haben. Auch in Gladbach wird lange schon zu viel von der Champions League gesprochen.
So hat auch die Eintracht in ihrer zehnten Bundesliga-Saison am Stück einen neuen Anspruch an sich selbst gefunden. Im vergangenen Jahr schon freute man sich weniger über die beste Saison der jüngeren Vereinsgeschichte, sondern war eher von der verpassten Champions-League-Teilnahme enttäuscht. „Vielleicht haben wir auch einfach über unseren Verhältnissen gespielt“, hatte Ex-Trainer Hütter nach dem verpatzten Saisonendspurt gesagt. Mit Blick auf die derzeitige Situation klingt der Satz noch lebensklüger. Wahrscheinlich haben sie in Frankfurt nicht bloß über ihren Verhältnissen gespielt, sondern auch gedacht.
Daher bitte einmal zum Reality Check antreten: Zu Hause gegen Hertha BSC zu verlieren, ist ein Gradmesser für die Eintracht. Einer, der den Blick auf den wahren Dunstkreis freilegt. Die Saison wird nicht auf Augenhöhe mit Teams wie Leverkusen und Mönchengladbach ausgetragen, auf der es um die internationalen Plätze geht. Vielmehr wird es gegen Teams wie Augsburg und Bielefeld darum gehen, wer sich am ehesten vom Bodensatz aus Fürth absetzt.
„Es ist scheißegal in welchem System wir spielen, wenn wir unsere Aufgaben nicht machen“, sagte Glasner nach dem Spiel am Samstag. Auch, dass die Jungs natürlich alles probiert hätten, sagte er. Und natürlich sagt er das. Er formuliert diese Parolen schon seit dem Sommer. Dabei kann man der Mannschaft den Willen wirklich nicht absprechen. Kein Team der Liga läuft mehr als die Eintracht (944 km). Kein Team setzt zu mehr Sprints an (1956). Nur der VfB Stuttgart gewinnt mehr Zweikämpfe als die Eintracht (850). Intensität und Kampf sind ein Markenzeichen ihres Spiels. Doch all diese Werte laufen ins Nichts, wenn sie nicht zum Erfolg führen. Mitunter wirkt die Herangehensweise ziemlich kopflos. Nur der FC Augsburg kommt in dieser Saison bislang auf noch weniger Torschüsse als Eintracht Frankfurt (90).
Ohne jegliche Form emotionaler Nähe zum Verein, lässt sich konstatieren: Was die Eintracht derzeit spielt, ist ein ziemlich planloses Gebolze. Und damit gegen Pal Dardais Hertha zu verlieren, die das planlose Gebolze eigentlich patentiert hat, will schon etwas heißen.
Begonnen hatte Eintracht Frankfurt die Saison im 3 – 4‑3-System, das sich unter Adi Hütter häufig bewährte. Nach zwei heftigen Auftaktniederlagen mit dem 0:2 in der ersten Pokalrunde gegen Waldhof Mannheim und einem 2:5 in Dortmund, stellte Oliver Glasner radikal um. Die Eintracht spielte fortan mit Viererkette und nur noch einem Stürmer. Immerhin mauserte sie sich so in Bundesliga wie Europa League zu sechs drögen Unentschieden in Folge. Ungeschlagen, befand Glasner. Sieglos, alle anderen. Denn die Umstellung wirkte wie eine ideenlose, hektische Kursänderung. Makoto Hasebe, der in der Dreierkette eine Art Libero performt, fiel der Umstellung zum Opfer. Dem besten Spieler des Teams, Flip Kostic, wurde sein Lieblingssystem verwehrt.
So dauerte es bis Ende September ehe Oliver Glasner in der Europa League gegen Royal Antwerpen sein erstes Pflichtspiel gewinnen konnte. Drei Tage später setzte die Eintracht mit einem überraschenden Auswärtssieg bei Bayern München noch einen drauf. Dass die Siege durch einen Last-Minute-Treffer von Goncalo Paciencia (in Antwerpen) und einen herausragenden Kevin Trapp (in München) überaus glücklich entstanden waren? Geschenkt.