Heute kommt es zum Stadtderby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli. Grund genug, mal bei Thees Uhlmann und Carsten Friedrichs, Frontmann von „Die Liga der gewöhnlichen Gentleman“, nachzufragen, ob der Fußballstandort Hamburg eigentlich noch zu retten ist.
Vorsicht, du redest mit dem „Magazin für Fußballkultur“.
Friedrichs: Ich weiß. Das ist ja auch ein griffiger Titel, aber letztlich wird vieles zur Kultur verklärt, damit es sakrosankt ist, etwa die Esskultur. Und mal ehrlich, dass Leute ihren Lebenssinn darin sehen, ob sie nun Bengalos abbrennen dürfen oder nicht, das finde ich jenseits von Gut und Böse. Dafür bin ich auch vermutlich zu alt. Wenn ich das schon höre: „Emotionen respektieren, das ist unsere Kultur, laber Rhabarber …“ Geht’s nicht ’ne Nummer kleiner?
Uhlmann: Wenn 8000 Leute aus Dresden sich dafür entscheiden, ein Camouflage-Shirt anzuziehen, im Gleichschritt durch die Gegend zu laufen und dabei „Ost‑, Ost‑, Ostdeutschland!“ zu rufen, finde ich das schon heftig. Ich hab halt Angst vor dem Gebräu, das dahinter stecken könnte. Mit Ostdeutschland ist ja nicht was Regionales gemeint, dahinter steckt ja auch eine Idee.
Friedrichs: Was hinzukommt: Camouflage geht allein schon aus ästhetischen Gründen nicht. Die Casuals in England kaufen sich wenigstens für 700 Euro einen Burberry-Mantel, um sich darin gegenseitig auf die Glocke zu hauen. Ansonsten sind solche Sachen immer ein schmaler Grat. Es gab mal eine Aktion von Frankfurtern, die in Schlachterkitteln nach Kaiserslautern gereist sind. Irgendwie hat es ja auch was.
Uhlmann: Was mich stört, ist, dass alles nur noch auf Außenwirkung ausgerichtet ist. Alle wollen permanent zeigen, dass sie die Tollsten und Stärksten sind.
Friedrichs: Bisschen „Krieg der Knöpfe“.
Uhlmann: Naja, „Krieg der Knöpfe“ mit Hell’s Angels und Kampfsportlern.
Friedrichs: Die Dresdner Choreo beim letzten HSV-Spiel fand ich übrigens ganz lustig. Die hatten einen Dino und dann haben sie von oben eine Kackwurst abgeseilt. Der Dino hat die gegessen, wieder ausgeschieden, und davon hat sich eine St.-Pauli-Zecke ernährt.
Thees, warst du als Fan des FC St. Pauli schon mal neidisch auf den HSV?
Uhlmann: Interessanterweise finde ich gerade die HSV-Geschichte der letzten Jahre stimmig: immer zittern, es gerade so schaffen und irgendwann kannst du einfach nicht mehr. Mit dem Abstieg gibt es nun immerhin so etwas wie einen emotionalen Aufbruch. Darauf bin ich tatsächlich ein bisschen neidisch.
Friedrichs: Der berühmte Abstiegsneid.
Uhlmann: Wenigstens passiert mal was. Das ist etwas, das mir bei St. Pauli im Moment fehlt. Ich möchte mich nicht ständig über den Misserfolg des HSV definieren. Das finde ich trist und blöd.