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Seite 2: Ein Schlangenbiss oder eine Fußballverletzung?

Shamo Quaye wurde Natio­nal­spieler. Er machte 41 Län­der­spiele. Bei den Olym­pi­schen Spielen 1992, als Ghana Bronze holte, trug er die Nummer 10. Ghana schal­tete in der Vor­runde Däne­mark, Aus­tra­lien und Mexiko aus, im Vier­tel­fi­nale gewann das Team gegen Para­guay 4:2 nach Ver­län­ge­rung. Erst das Halb­fi­nale ging ver­loren, 0:2 gegen den spä­teren Sieger Spa­nien, der mit Pep Guar­diola und Luis Enrique spielte.

Quaye war bei dem Tur­nier gerade mal 20. Auch seine Mit­spieler waren extrem jung. In der Abwehr standen der erst 15-jäh­rige Sammy Kuf­four und der 17-jäh­rige Mohammed Gargo. Beide sollten bald in euro­päi­schen Ligen ihren Durch­bruch feiern, Kuf­four beim FC Bayern, Gargo in der Serie A unter anderem beim AC Turin und Udi­nese Calcio.

Quaye schaffte es nicht nach Ita­lien, nicht nach Bar­ce­lona. Er lan­dete in Saudi-Ara­bien, es gab gutes Geld zu ver­dienen. Sport­lich lief es mit­tel­mäßig, sein Team Al-Qadi­siyah wurde einmal Fünfter, einmal Achter, 1994 gewann es immerhin den asia­ti­schen Pokal­sieger-Wett­be­werb. Quaye machte in zwei Jahren 50 Spiele und schoss sieben Tore.

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Shamo Quaye (unten links) mit den Hearts of Oak.

Danach ging er für eine Saison zurück zu den Hearts nach Accra, 1996 wech­selte er end­lich nach Europa. Der FC Umea aus Schweden ver­pflich­tete ihn. Quaye spielte 20 Mal in der All­s­venskan, gegen Deger­fors IF machte er einen Dop­pel­pack, sein letztes Erst­li­ga­spiel war im Oktober 1996, 1:2 gegen Malmö FF. Der spä­tere HSV-Stürmer Niclas Kind­vall machte ein Tor für Malmö, Umea stieg ab. Quaye spielte noch ein paar Mal in der zweiten Liga Schwe­dens. Die Saison endete im Oktober 1997. Ein paar Wochen später war Shamo Quaye tot.

Quaye wurde von einer Gift­schlange gebissen. Das ganze Land befand: juju, fauler Zauber“

Die offi­zi­elle Ver­sion zu seinem Tod geht so: Im Herbst 1997 reiste Quaye zurück nach Ghana, um seine Familie zu besu­chen. Dort kickte er am Nach­mittag des 28. November 1997 auf einem Bolz­platz mit Freunden und bekam den Ball unglück­lich ins Gesicht. Zwei Tage später ver­starb er an seiner Kopf­ver­let­zung. Ärzte berich­teten später, dass starke Schwel­lungen die Hals­venen blo­ckiert hätten und sein Gehirn nicht mehr aus­rei­chend mit Blut ver­sorgt werden konnte.

In Ghana kur­sieren aller­dings viele andere Erzäh­lungen zu jenem Tag. In der bekann­testen Geschichte spielt eine zwei Meter lange Puff­otter die Haupt­rolle. Sogar die deut­sche Wochen­zei­tung Die Zeit“ schrieb einst dazu: Quaye wurde beim Nacht­mahl er von einer Gift­schlange gebissen und starb auf dem Weg ins Hos­pital. Das ganze Land befand: juju, fauler Zauber.“ Diese Geschichte hat sich in unter­schied­li­chen Aus­füh­rungen und Remixen ver­fangen; sie lie­fert, wie so oft bei Black Magic, die Erklä­rung für das Uner­klär­liche.

Die Schlange, so sagte ein Fami­li­en­mit­glied, war das Böse, die Rache. Quaye hätte ein Ver­spre­chen nicht ein­ge­halten. Angeb­lich schul­dete der Fuß­baller dem Fami­li­en­mit­glied zwei Trucks und ein Fischer­netz. Andere behaup­teten, der Tod hätte mit seiner Mutter zu tun, einer Fetisch­pries­terin. Sie hätte ihm Kraft für das Leben und seine Kar­riere als Fuß­baller gegeben. Als sie starb, schwand auch seine Kraft. Er hatte keine Chance, sich gegen das Böse, die Schlange, zu wehren.

In einer anderen Aus­füh­rung der Erzäh­lung sei Quaye nicht nur wegen seiner Familie nach Ghana zurück­ge­kehrt, son­dern weil die Hearts of Oak ihm noch 50.000 Dollar schul­deten. Der Transfer nach Schweden sei nicht legal abge­wi­ckelt worden. Es soll zu einem Streit mit den Klub­ver­ant­wort­li­chen gekommen sein, Quaye drohte sogar, den Verein zu ver­klagen. Beim anschlie­ßenden Abend­essen sei Quaye sehr auf­ge­bracht gewesen. Dann wurde er von der Schlange gebissen. Sie reprä­sen­tierte, so glauben einige, das dre­ckige Geschäft des Fuß­ball­marktes, sie stand für die dunklen Abgründe des Trans­fer­marktes – und er hatte sie her­aus­ge­for­dert.

Laut der Zei­tung New African“ habe die Familie – seine Frau sagte einst, dass sie Schlange eben­falls gesehen habe – einen Schlan­gen­be­schwörer gerufen. Dieser erlegte die Schlange. Für Quaye habe er aller­dings nichts mehr tun können. Also wurde Quaye in ein Kran­ken­haus gebracht, wo er behan­delt und ent­lassen wurde. Alles schien gut zu werden. Am fol­genden Tag ver­schlech­terte sich sein Gesund­heits­zu­stand aber wieder, er klagte über starke Hals­schmerzen. Es ging wieder ins Kran­ken­haus, wo er starb. Aller­dings nicht an dem Schlan­gen­biss, son­dern an Ersti­ckung. Seine Nasen­rü­cken waren stark ange­schwollen.

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Die Zei­tung Gra­phic Sports berichtet auch über den Transfer von Accra nach Umea.

Das halbe Land schien Anfang Dezember 1997 in Auf­ruhr, Reporter und Foto­grafen bela­gerten sein Haus und die Hin­ter­blie­benen. Shamo’s death shocks nation!“, schrieb Gra­phic Sports“. Um dem Trubel zu ent­gehen, lockte die Familie die Jour­na­listen zu dem größten und bekann­testen Friedhof in Tema. Dort ließen sie einen leeren Sarg begraben. Die eigent­liche Beer­di­gung fand auf einem klei­neren Friedhof statt, abseits der Kameras und Schau­lus­tigen.

Shamo Quaye wäre heute 50 Jahre alt geworden. Er ist unver­gessen. Jedes Jahr erin­nern gha­nai­sche Jour­na­listen, Fuß­ball­fans oder ehe­ma­lige Mit­spieler an ihn. Sogar in dem berühm­testen Fuß­ball­mär­chen des Landes spielt er die Haupt­rolle. Es han­delt von einem Fuß­ball­spiel zwi­schen Ghana und Indien, das, je nach Erzähler, 1:100 oder 1:99 endete. Die Inder, so geht die Sage, waren in jenem Spiel schier über­mächtig, auch weil sie sich bei ihren Angriffen und Tor­schüssen schwarzer Magie bedienten. Mal ver­wan­delte sich der Ball in einen feu­rigen Strahl, mal in einen gefähr­li­chen Löwen, mal mul­ti­pli­zierte sich das Spiel­gerät im Flug, so dass der Tor­wart stets nach dem fal­schen hech­tete. Aller­dings hatten sich die Teams vor dem Anpfiff auf eine beson­dere Regel geei­nigt: Ghana brauchte nur ein Tor schießen, um das Spiel zu gewinnen. Auch hier gibt es, je nach Erzähler, ver­schieden Ver­sionen und Tor­schützen. In einer, der popu­lärsten, heißt der Held: Shamo Quaye.