Shamo Quaye war einer der besten ghanaischen Fußballer aller Zeiten. Heute wäre er 50 Jahre alt geworden. Er starb 1997 an einer Kopfverletzung. Oder war alles ganz anders?
Shamo Quaye wurde Nationalspieler. Er machte 41 Länderspiele. Bei den Olympischen Spielen 1992, als Ghana Bronze holte, trug er die Nummer 10. Ghana schaltete in der Vorrunde Dänemark, Australien und Mexiko aus, im Viertelfinale gewann das Team gegen Paraguay 4:2 nach Verlängerung. Erst das Halbfinale ging verloren, 0:2 gegen den späteren Sieger Spanien, der mit Pep Guardiola und Luis Enrique spielte.
Quaye war bei dem Turnier gerade mal 20. Auch seine Mitspieler waren extrem jung. In der Abwehr standen der erst 15-jährige Sammy Kuffour und der 17-jährige Mohammed Gargo. Beide sollten bald in europäischen Ligen ihren Durchbruch feiern, Kuffour beim FC Bayern, Gargo in der Serie A unter anderem beim AC Turin und Udinese Calcio.
Quaye schaffte es nicht nach Italien, nicht nach Barcelona. Er landete in Saudi-Arabien, es gab gutes Geld zu verdienen. Sportlich lief es mittelmäßig, sein Team Al-Qadisiyah wurde einmal Fünfter, einmal Achter, 1994 gewann es immerhin den asiatischen Pokalsieger-Wettbewerb. Quaye machte in zwei Jahren 50 Spiele und schoss sieben Tore.
Danach ging er für eine Saison zurück zu den Hearts nach Accra, 1996 wechselte er endlich nach Europa. Der FC Umea aus Schweden verpflichtete ihn. Quaye spielte 20 Mal in der Allsvenskan, gegen Degerfors IF machte er einen Doppelpack, sein letztes Erstligaspiel war im Oktober 1996, 1:2 gegen Malmö FF. Der spätere HSV-Stürmer Niclas Kindvall machte ein Tor für Malmö, Umea stieg ab. Quaye spielte noch ein paar Mal in der zweiten Liga Schwedens. Die Saison endete im Oktober 1997. Ein paar Wochen später war Shamo Quaye tot.
„Quaye wurde von einer Giftschlange gebissen. Das ganze Land befand: juju, fauler Zauber“
Die offizielle Version zu seinem Tod geht so: Im Herbst 1997 reiste Quaye zurück nach Ghana, um seine Familie zu besuchen. Dort kickte er am Nachmittag des 28. November 1997 auf einem Bolzplatz mit Freunden und bekam den Ball unglücklich ins Gesicht. Zwei Tage später verstarb er an seiner Kopfverletzung. Ärzte berichteten später, dass starke Schwellungen die Halsvenen blockiert hätten und sein Gehirn nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt werden konnte.
In Ghana kursieren allerdings viele andere Erzählungen zu jenem Tag. In der bekanntesten Geschichte spielt eine zwei Meter lange Puffotter die Hauptrolle. Sogar die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb einst dazu: „Quaye wurde beim Nachtmahl er von einer Giftschlange gebissen und starb auf dem Weg ins Hospital. Das ganze Land befand: juju, fauler Zauber.“ Diese Geschichte hat sich in unterschiedlichen Ausführungen und Remixen verfangen; sie liefert, wie so oft bei Black Magic, die Erklärung für das Unerklärliche.
Die Schlange, so sagte ein Familienmitglied, war das Böse, die Rache. Quaye hätte ein Versprechen nicht eingehalten. Angeblich schuldete der Fußballer dem Familienmitglied zwei Trucks und ein Fischernetz. Andere behaupteten, der Tod hätte mit seiner Mutter zu tun, einer Fetischpriesterin. Sie hätte ihm Kraft für das Leben und seine Karriere als Fußballer gegeben. Als sie starb, schwand auch seine Kraft. Er hatte keine Chance, sich gegen das Böse, die Schlange, zu wehren.
In einer anderen Ausführung der Erzählung sei Quaye nicht nur wegen seiner Familie nach Ghana zurückgekehrt, sondern weil die Hearts of Oak ihm noch 50.000 Dollar schuldeten. Der Transfer nach Schweden sei nicht legal abgewickelt worden. Es soll zu einem Streit mit den Klubverantwortlichen gekommen sein, Quaye drohte sogar, den Verein zu verklagen. Beim anschließenden Abendessen sei Quaye sehr aufgebracht gewesen. Dann wurde er von der Schlange gebissen. Sie repräsentierte, so glauben einige, das dreckige Geschäft des Fußballmarktes, sie stand für die dunklen Abgründe des Transfermarktes – und er hatte sie herausgefordert.
Laut der Zeitung „New African“ habe die Familie – seine Frau sagte einst, dass sie Schlange ebenfalls gesehen habe – einen Schlangenbeschwörer gerufen. Dieser erlegte die Schlange. Für Quaye habe er allerdings nichts mehr tun können. Also wurde Quaye in ein Krankenhaus gebracht, wo er behandelt und entlassen wurde. Alles schien gut zu werden. Am folgenden Tag verschlechterte sich sein Gesundheitszustand aber wieder, er klagte über starke Halsschmerzen. Es ging wieder ins Krankenhaus, wo er starb. Allerdings nicht an dem Schlangenbiss, sondern an Erstickung. Seine Nasenrücken waren stark angeschwollen.
Das halbe Land schien Anfang Dezember 1997 in Aufruhr, Reporter und Fotografen belagerten sein Haus und die Hinterbliebenen. „Shamo’s death shocks nation!“, schrieb „Graphic Sports“. Um dem Trubel zu entgehen, lockte die Familie die Journalisten zu dem größten und bekanntesten Friedhof in Tema. Dort ließen sie einen leeren Sarg begraben. Die eigentliche Beerdigung fand auf einem kleineren Friedhof statt, abseits der Kameras und Schaulustigen.
Shamo Quaye wäre heute 50 Jahre alt geworden. Er ist unvergessen. Jedes Jahr erinnern ghanaische Journalisten, Fußballfans oder ehemalige Mitspieler an ihn. Sogar in dem berühmtesten Fußballmärchen des Landes spielt er die Hauptrolle. Es handelt von einem Fußballspiel zwischen Ghana und Indien, das, je nach Erzähler, 1:100 oder 1:99 endete. Die Inder, so geht die Sage, waren in jenem Spiel schier übermächtig, auch weil sie sich bei ihren Angriffen und Torschüssen schwarzer Magie bedienten. Mal verwandelte sich der Ball in einen feurigen Strahl, mal in einen gefährlichen Löwen, mal multiplizierte sich das Spielgerät im Flug, so dass der Torwart stets nach dem falschen hechtete. Allerdings hatten sich die Teams vor dem Anpfiff auf eine besondere Regel geeinigt: Ghana brauchte nur ein Tor schießen, um das Spiel zu gewinnen. Auch hier gibt es, je nach Erzähler, verschieden Versionen und Torschützen. In einer, der populärsten, heißt der Held: Shamo Quaye.