Früher war der Star die Mannschaft. Jetzt muss der Einzelne die Rolle ausfüllen. Rückblick auf eine Saison der Celebrities.
Auch der Schalker Kevin-Prince Boateng hätte das Potenzial gehabt, zum Buhmann der Saison zu werden. Die Fans haben sich allerdings einen Mann ausgeguckt, von dem weniger körperliche Gefahr ausgeht: Manager Horst Heldt – oder wie sie ihn in Gelsenkirchen nennen: „1,69 Meter geballte Inkompetenz.“ Selten zuvor in der Geschichte der Liga ist ein einzelner Funktionär derart in die Kritik geraten. Das mag daran liegen, dass die disparate Truppe gar nicht mehr als Fußballmannschaft wahrgenommen wird, für die Trainer Roberto Di Matteo verantwortlich wäre, sondern als ein Haufen von Kretins (die auch gern Celebrities wären). Und wer hat ihn zusammengekauft? Na, eben. Es muss im März gewesen sein, als Heldt die Floskeln ausgingen, die zu seiner Entschuldigung zur Verfügung standen. Erschwerend kam hinzu, dass es nie mehr als drei waren.
Schaaf, der Anti-Celebrity
Thomas Schaaf kennt womöglich keine einzige. Ihn prägt eine tiefe Skepsis gegenüber Redundanzen, jedem Wort zuviel, ja Worten an sich. Das war schon in Bremen so, und auch in Frankfurt wolle er, das tat er zu Saisonbeginn immerhin noch kund, „einfach nur seine Arbeit machen“. Dadurch verpasste er die Gelegenheit, den soliden Mittelfeldplatz der Eintracht mit einer eigenen Narration zu einer Erfolgsstory aufzuwerten. Einige Medien und Fans ergriffen das Wort und diskreditierten den arbeitsamen Trainer als Alleinschuldigen einer Krise, die zwar noch nicht da ist, aber theoretisch jederzeit ausbrechen könnte. Schaaf: Ein Bock ohne Sünde. Ein Anti-Celebrity, der zum Objekt einer aus purer Langeweile vom Zaun gebrochenen Katastrophenberichterstattung geworden ist.
Solcherlei Ächtungen mögen darin begründet liegen, dass in den Internetforen der Pranger neu erfunden wurde. Und wo man ihn schon mal hat, will man natürlich auch jemanden daran stellen. Vielleicht hat es auch mit dem Bedürfnis zu tun, in einer komplizierter werdenden Welt, in der der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung unkenntlich wird, den einen Schuldigen zu identifizieren, der dann, ganz biblisch und simpel, in die Wüste gejagt werden kann.
Pep Guardiola hat die Welt des FC Bayern mit voller Absicht komplizierter gemacht. Weil darin nur noch er den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung erkannte, galt er bald als alleiniger Matchwinner, der den Ball zwar nicht ins Tor schießen, dafür aber mit der Kraft seines Intellekts hinein denken konnte. Als er jedoch entgegen dem Eindruck, den er selbst erweckt hatte, nicht alle Spiele zweistellig gewann, sondern sogar ein paar verlor, geriet er ganz plötzlich in den Ruf eines zweiten Klinsmanns, der jeden Spieler jeden Tag ein bisschen schlechter macht (Mario Götze!) und diesen sonst so selbstgewissen Verein in ein babylonisches Sprachgewirr gestürzt hat, in dem er als Einziger alles „supersuper“ findet. Im Halbfinale der Champions League ist eigentlich nur er ausgeschieden. Der FC Bayern hingegen steht laut Satzung naturgemäß im Endspiel von Berlin, dort dann wieder betreut von Jupp Heynckes, dem Meister des Einfachen.
Der geilste Klopp der Welt
Und dann ist da noch Jürgen, der geilste Klopp der Welt. Und der ist an allem Schuld, ganz allein: Am Erfolg und an der Liebe, am Misserfolg und der umso größeren Liebe, an der ganzen Borussia, die er neu und überhaupt erst erfunden hat. Auch daran, dass er sie nun verlassen muss, weil er, wie er sagt, nicht mehr der perfekte Trainer für diesen Verein sei, der sich nach seinem endgültigen Abschied wahrscheinlich in einem Tränenmeer auflösen wird, woran Klopp natürlich auch die Schuld trägt, aber dann kümmert’s ja keinen mehr.
Außer Thomas Tuchel vielleicht, seinen Nachfolger. Und der hat seine 15 Minuten Ruhm ja schon gehabt, sogar wesentlich mehr, als Heilsbringer in Leipzig und Hamburg. Dort sagte er dann doch ab. Um der Supercelebrity unter den Trainern zu werden, brauchte er nicht mal einen Verein.