Seit es im Fußball Stars und Sternchen gibt, gibt es auch Neid und Missgunst bei der Verteilung der prestigeträchtigsten Rückennummern. Mittendrin natürlich: die Zehn.
Dies ist ein Auszug aus unserem 11FREUNDE-Spezial „Die Zehn – Magier und Denker des Spiels“. Alle Geschichten aus der Welt der größten Zehner aller Zeiten findet ihr in diesem Heft, das am Kiosk eures Vertrauens oder direkt im 11Freunde-Shop erhätlich ist.
Paulo Futre war außer sich. Da kam er voller Vorfreude auf sein erstes Spiel für West Ham United in die Kabine, und dann fand er dort dieses Ding! Ein West-Ham-Trikot, schon klar, allerdings eines mit einem gewaltigen Schönheitsfehler. Noch bevor sich Futres Schnappatmung gelegt hatte, wurde er mit dieser Zumutung von einem Hemd bei Trainer Harry Redknapp vorstellig und teilte dem Coach in prägnanten Worten den Grund seines Unmuts mit: „Eusebio 10, Maradona 10, Pelé 10. Futre 10, not fucking 16!“
Nun lässt sich streiten, ob der 1996 auf den Herbst seiner Karriere zusteuernde Futre sich mit dieser Ahnengalerie nicht etwas verhoben hatte. Das sah zumindest Redknapp so und beschied dem schmollenden Portugiesen, besser die Schnauze zu halten und das verdammte Trikot anzuziehen. „Ich sagte, Paulo, zieh dich um, wir haben ein wichtiges Spiel“, erzählte das vierschrötige Trainer-Urgestein später. „Wenn du das Trikot nicht tragen willst, dann hau einfach ab. Und das tat er.“ Damit nicht genug, sah sich Redknapp am nächsten Tag mit einer Einlassung von Futres Anwälten konfrontiert, die den Verein zwingen wollten, dem selbsternannten Weltstar die Zehn zu geben.
Mag dieses Beispiel auch extrem sein, so ist es nicht der einzige Fall, in dem launische Diven einen Streit über die Nummer vom Zaun brachen. Dabei gibt es die Rückennummern im Fußball überhaupt erst seit den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Erfunden wurden sie nicht etwa, um die aufgeblasenen Egos eitler Fatzkes zu pinseln, sondern um den Referees die Unterscheidung der Spieler zu erleichtern. So verwundert es nicht, dass bei der offiziellen Premiere, dem englischen Pokalfinale von 1933, die Spieler des FC Everton die Nummern 1 bis 11 und die von Manchester City die Nummern 12 bis 22 trugen. Paulo Futre hätte in einem solchen Fall wahrscheinlich zur Waffe gegriffen.
Ein Instrument der Selbstverwirklichung
Dass in Zeiten, in denen die Trikotnummer nicht mehr nur Orientierungshilfe, sondern ein Instrument der Selbstverwirklichung sensibler Künstlerseelen ist, die Zehn eine besondere Rolle spielt, verdanken wir einem gewissen Pelé. Der trug diese Nummer, machte seine Sache, nun ja, ganz gut, und danach wollten alle so sein wie er. Spätestens seit Diego Maradona gilt die Zehn als vornehmstes Kennzeichen des über allen anderen stehenden Solitärs – ein Mann, der nur sich selbst und seinem Genie verpflichtet ist. Schon klar, dass die Zahl deshalb auch allerlei Nepper, Schlepper, Bauernfänger anzog, schließlich war ihr Träger lange von Defensivaufgaben befreit und verfügte stattdessen über Helfer, bei denen schon die Bezeichnung dem Profiteur ein süßes Leben versprach. Wer wollte ihn nicht, den sogenannten Wasserträger?
Heutzutage ist die Zehn in erster Linie ein Prestigeobjekt, weshalb es kein Wunder ist, dass auch der König der Fußballgecken bei dem Spiel mitmischt. Zwar kennt alle Welt Cristiano Ronaldo unter seinem Markennamen CR7, was allerdings weniger bekannt ist: Ronaldo hat sich vor Jahren auch die Marken CR9 und CR10 schützen lassen. Als der Portugiese nämlich 2009 von Manchester United zu Real Madrid wechselte, spielte dort ein gewisser Raul. Der trug die 7 und war, man mag es kaum glauben, mächtiger als der aufstrebende Star. Was folgte, war eine numerologisch irrlichternde Phase im Leben des jungen Ronaldo. Den dürstete es zuerst nach der Zehn, die allerdings einem weiteren Platzhirschen, dem Brasilianer Kaka, vorbehalten war. Also nahm Ronaldo die Neun, indes nur für ein Jahr, dann wurde aus Raul ein Schalker und aus Cristiano Ronaldo bis zum heutigen Tag CR7.