Der FC Bayern wird Deutscher Meister. Zum siebten Mal in Folge. Dennoch fragte sich die ganze Nation tagelang, ob die Münchner es nicht auf der Zielgerade noch vergeigen. Was für ein absurder Gedanke.
Wissen Sie noch, was Sie am 24. November 2018 getan haben? Es war der Tag, an dem sich die Bundesligasaison 2018/19 entschied.
Beim Spiel in der Allianz Arena kondensierte der Atem der Spieler. FC Bayern gegen Fortuna Düsseldorf. Serienmeister gegen Fahrstuhltruppe. Hätte man vor Beginn der Spielzeit gesagt. An diesem kalten Herbstnachmittag aber scheint es für einen Moment, als begänne in der Liga eine neue Zeitrechnung. Die Münchner haben bereits drei der ersten elf Saisonspiele verloren. Bis zur 76. Minute führt der FC Bayern jedoch mit 3:1. Dann passiert das Unglaubliche. In der Crunch Time zerbröselt nicht etwa der Rekordmeister das vermeintliche Kanonenfutter aus dem Rheinland. Das Gegenteil tritt ein: Fortuna gleicht in der Nachspielzeit zum 3:3 aus.
Deutschland wittert Morgenluft
Um zu ermessen, was in der darauffolgenden Woche in den Medien passierte, braucht es keinen Blick ins Archiv. Bayern-Coach Niko Kovac wird bis kurz vor knapp angezählt. Borussia Dortmund spielt unter Lucien Favre einen herzerfrischenden Fußball und hat seinen Vorsprung auf neun Punkte ausgebaut. Bis zur Tabellenspitze, dort wo die Luft dünn wird, sind es nun – nach einem guten Saisondrittel – für die Bayern bereits Lichtjahre. Der BVB auf Meisterschaftskurs. Ganz Deutschland wittert Morgenluft. Fällt endlich die jahrelange Hegemonie im deutschen Fußball? Es lodert nicht mehr nur an der Säbener Straße. Es brennt!
Sporthistoriker werden bald herausfinden, wie es Niko Kovac in diesen Tagen ergangen ist. Wie es ihm gelang, seine innere Ruhe zu behalten. Wie er und sein Bruder Robert das Team mit neuer Zuversicht ausstatteten und nach dem anfänglichen Schlingerkurs die gewohnte Erfolgsgewissheit zurückbrachten. Denn seit diesem kalten Tag im November verloren die Bayern in der Liga bis heute nur noch ein einziges Ligaspiel – auswärts in Leverkusen.
Grotesker Gedanke
In einem Gewerbe, in dem die Emotion oft das Handeln bestimmt, mag es für einige eine nette Spielerei gewesen sein, bis gerade eben noch ernsthaft daran zu glauben, die siebte Meisterschaft der Bayern in Folge sei noch zu verhindern. Jetzt erscheint es als grotesker Gedanken. Wie kommt man auf eine derartige Idee? Weil der BVB wieder eine so schlagkräftige Truppe zusammen hatte? Weil es im Fußball nie langweilig werden darf? Weil es einfach nicht sein darf, dass die Bayern Sepp Herbergers Weisheit vollends kassieren – und die Leute bald nur noch zum Fußball gehen, weil sie sehen wollen, wie die Roten gewinnen?