Wer Drama sucht, sollte das Finale gucken. Fans des schönen Fußballs schauen dann allerdings in die Röhre. Ihnen bleibt nur das Spiel um Platz drei.
Man nehme eine große Fußballnation, die an den Glanz vergangener Tage anknüpfen will. Dazu ein bedeutend kleineres Land als Herausforderer, das mit einer goldenen Spielergeneration nach dem größten aller Titel greift. Fertig ist das perfekte WM-Finale. Was auf Frankreich und Kroatien zutrifft, hätte allerdings auch für England und Belgien gegolten. Stattdessen stehen sich die Vorrundengegner der Gruppe G im Spiel um Platz drei gegenüber. Ein Spiel, das unterhaltsamer werden könnte als das eigentliche Endspiel.
Klagelieder der Verlierer
„Es ist schade für den Fußball, dass Belgien nicht gewonnen hat“, monierte Chelsea-Torhüter Thibaut Courtois die defensive Ausrichtung der Franzosen und erhielt Beistand von seinem Kapitän Eden Hazard: „Ich verliere lieber mit der Spielweise Belgiens, als mit der von Frankreich zu gewinnen.“ Nun sind zwei enttäuschte Belgier, interviewt unmittelbar nach der Halbfinalniederlage gegen besagte Franzosen, nicht gerade der Inbegriff von Objektivität. Entsprechend leicht fällt es, ihre Aussagen als Klagelieder eines schlechten Verlierers abzutun.
Doch bei näherer Betrachtung spielen „Les Bleus“ tatsächlich alles andere als ein weltmeisterliches Turnier. Frankreich, immerhin mit dem wertvollsten Kader der WM nach Russland gereist, erzielte in der Vorrunde ganze drei Treffer. Einer davon ein Elfmeter, ein weiterer ein Eigentor. Mit Italien 1982 kommt nur ein Weltmeister auf weniger Tore in einer Gruppenphase mit drei Partien. Der dritte Treffer gelang den Franzosen übrigens gegen die fußballerische Großmacht aus Peru. Wohlgemerkt durch einen abgefälschten Schuss von Olivier Giroud, der seinem Sturmpartner Kylian Mbappe vor die Füße fiel. Die Südamerikaner hatten in dieser Begegnung mehr Ballbesitz (57 Prozent) und spielten nicht nur mehr (513 zu 396), sondern auch genauere Pässe (81 Prozent Passgenauigkeit zu 77 Prozent) als die Mannschaft von Didier Deschamps.
Das beste WM-Spiel
Am sportlichen Tiefpunkt der Weltmeisterschaft waren die Franzosen ebenfalls beteiligt. Das einzige 0:0 dieses Turniers war eine französisch-dänische Koproduktion mit dem „Lustloses Ballgeschiebe zweier Mannschaften, denen ein Unentschieden zum Weiterkommen reicht“. Zwar wäre es unfair, Frankreichs bisher bestes WM-Spiel, das furiose 4:3 im Achtelfinale gegen Argentinien, in der Gesamtbetrachtung zu unterschlagen. Dennoch bleibt insgesamt der Eindruck einer Mannschaft, die sich im Wissen um ihre individuelle Klasse gegen spielerischen Glanz und für defensive Stabilität entschieden hat. Daran ist nichts verwerflich. Solange am Ende des Turniers der zweite WM-Titel nach 1998 steht, wird den französischen Fans die Art und Weise herzlich egal sein. Eine Bringschuld gegenüber dem neutralen Zuschauer gibt es ohnehin nicht