Der VfL Bochum ist seit Monaten das Team der Zweiten Liga. Dahinter steckt eine Strategie, die schon Eintracht Frankfurt zu Erfolgen führte.
Das macht die Arbeit nicht leichter, auch weil die meisten Zuschauer sich durchaus noch an Spiele gegen Dortmund, Schalke und Bayern erinnern können. Die Zweitklassigkeit wird ums Ruhrstadion immer noch nicht als Normalität, sondern als Makel empfunden. „Es ist die Historie des Klubs, die gilt es zu respektieren“, sagt Schindzielorz schicksalsergeben, zumal er selbst zu dieser Historie gehört. Der VfL Bochum wurde für ihn als Kind zum Anlaufpunkt, als seine Familie aus Polen nach Deutschland übersiedelte. Später spielte er fünf Jahre als Profi für den Klub, bevor er nach Köln und später Wolfsburg wechselte.
Als der Klub im September 2019 Robin Dutt entließ und lange Zeit im Tabellenkeller steckte, spürte Schindzielorz „die Wucht des Traditionsklubs“ auf sehr unangenehme Weise. Doch im Moment macht sich selbst beim schnell mäkeligen Bochumer Publikum wieder etwas Optimismus breit. Seit dem Restart in der letzten Saison holte keine Mannschaft mehr Punkte als der VfL Bochum. Das ungewöhnliche Konglomerat aus Legionären, Routiniers und Youngstern funktioniert.
Dass die Mannschaft nach neun Saisonspielen sogar Tabellenzweiter ist, will Schindzielorz dennoch nicht überbewerten: „Die Zweite Liga ist sehr ausgeglichen, die Spiele sind immer auf Messers Schneide, und da können auch schnell mal zwei oder drei Spiele auf die andere Seite kippen.“ Zuletzt passte es, Fortuna Düsseldorf wurde allerdings bei fast neunzigminütiger Überzahl mit 5:0 abgeschossen, beeindruckender war der hochverdiente 3:1‑Sieg beim da noch ungeschlagenen Tabellenführer Hamburger SV. Andererseits war der VfL bei der 0:2‑Heimniederlage gegen die SpVgg Fürth, das Team der Stunde, chancenlos. Und bei der wahrlich bescheidenen Eintracht aus Braunschweig gab es ein 1:2 – Braunschweig schoss den Siegtreffer in Unterzahl.
Spielerisch ist Bochum zweifellos ein Spitzenteam der Liga, aber manchmal wirkt es auch schludrig und zu selbstbewusst. Personifiziert wird das durch den Austro-Kroaten Robert Zulj. Über ihn wurde schon bei Union Berlin gespottet, man würde nicht wissen, ob Zulj oder Maradona in die Kabine käme, wenn er durch die Tür trat. An manchen Tagen löst er das Selbstbild ein und ist der beste Spielmacher der Zweiten Liga, an anderen wirkt er wie ein staatlich anerkannter Stehgeiger. Trainer Reis hat ihn nach zu viel aktiver Erholung auf dem Platz auch schon nicht mal für den Kader nominiert, aber beim Sieg im Volksparkstadion war er einer der Besten und gegen Düsseldorf schoss er bereits seine Saisontore vier und fünf.
Schindzielorz findet das Team ausdrücklich „nicht schwierig“. Auch das globale Mischmasch sei kein Problem. „Ist doch egal, ob einer aus Wanne-Eickel oder Costa Rica kommt, wenn er sich mit dem Verein und seinen Werten identifiziert.“ Der brasilianische Linksverteidiger Danilo Soares ist längst einer der Publikumslieblinge, und Christian Gamboa aus Costa Rica ist auf dem Weg dahin. Etwaige Konflikte in der nicht nur internationalsten, sondern auch durchschnittlich ältesten Mannschaft der Liga, scheint Trainer Reis bislang souverän zu moderieren. Auch der 47-Jährige hat jahrelang in Bochum gespielt, wo er zudem sieben Jahre lang als Nachwuchstrainer arbeitete. „Er vereint als Trainer beide Welten“, sagt Schindzielorz. Einerseits kenne er aus seiner Zeit als Spieler „viele Kabinen“, sei „aber auch schon affin dem gegenüber, wie die neue Generation arbeitet.“ Reis arbeitet mit Datenanalysen und einem täglichen Monitoring des Gesundheitszustands seiner Spieler. Es macht den Eindruck, als würde in Bochum gerade ziemlich viele Welten unter einen Hut passen.