Namensblüten wie Chaplin, Walt Disney oder Beckenbauer sind in Südamerika keine Seltenheit. Die Gründe dafür sind genauso vielfältig wie die Namen selbst. Der Versuch einer Erklärung.
Hector Varela ist stolz. Sein Sohn hat gerade erst das Licht der Welt erblickt und gilt schon jetzt als der nächste Messi. Klar, wenn man das liest, denkt man sofort an all die anderen „nächsten Messis“, „nächsten Pelés“ oder „nächsten Maradonas“, die alle zweifelsfrei Talent besaßen, aber nie an die Legenden heranreichten, mit denen sie in jungen Jahren verglichen wurden. Aber dieser Messi ist anders. Obwohl noch nicht einmal sicher ist, ob er überhaupt ein Fußball-Talent besitzt, ist der Säugling dem Kicker des FC Barcelona schon sehr ähnlich. Der Name des Neugeborenen: Messi Daniel Varela.
„Ich bin der Vater von Messi“
Das Kind ist das erste in Argentinien, das den Namen des Nationalmannschaftskapitäns als Vornamen trägt, aus einem einfachen Grund. Die Gesetze zur Namensgebung in Argentinien sind streng. So ist es beispielsweise verboten, seinem Kind einen besonders extravaganten, verrückten oder mit den Sitten des Landes unvereinbaren Namen zu geben. Des Weiteren sind auch Namen untersagt, die keinen eindeutigen Schluss auf das Geschlecht des Kindes zulassen. Die zulässigen Namen sind auf einer Liste des argentinischen Zivilregisters festgehalten. Nachnamen waren bisher nicht darauf. Doch dann zog die Familie Varela vor Gericht. Sie wollte ihren Sohn unbedingt nach Lionel Messi benennen und bekam Recht.
Bei der Namensbehörde von Santa Fe, in dem auch Lionel Messis Heimatstadt Rosario erfasst wird, befürchtet man nun, dass das Urteil zum Präzedenzfall wird und bald Heerscharen von Messis in der Gegend geboren werden. Dem Direktor Gonzalo Carillo zufolge, ist es nur noch eine Frage der Zeit bis der erste „Messi Maradona“ zur Welt kommt.
Hector Varela ist ist froh über den Hype, den seine Namenskreation ausgelöst hat. „Ich bin der Vater von Messi. Viele haben ihr Kind Lionel genannt, aber Messi ist offensichtlicher“, sagte Varela Senior, der den „echten“ Messi vor zehn Jahren bei einem Jugendturnier das erste Mal sah.
Ein Personenkult dieser Art ist in Südamerika nicht neu. Und da sie es in Brasilien mit der Vornamensregelung nicht so genau nehmen wie in Argentinien, kommt es ständig vor, dass Eltern ihre Kinder nach Berühmtheiten benennen. Zum einen aus Bewunderung für den Namenspaten, zum anderen um dem Nachwuchs eine Art gutes Karma mit auf den Lebensweg zu geben. Und wenn die Eltern es nicht tun, müssen eben Künstlernamen herhalten. Hierbei gilt nur eine Regel: je größer der Name, desto besser. Vornamen wie Walt Disney, Chaplin, Kennedy oder Beckenbauer sind nur einige Beispiele. Auch die Fußballspieler Helmer Marinho und Klinsman da Costa gibt es — sie spielen beide in unterklassigen Ligen.
Auch Edison Arantes do Nascimento, eher bekannt als Pelé, hat seinen Vornamen einer historischen Figur zu verdanken. Der amerikanische Tüftler und Unternehmer Thomas Alva Edison ging 1888 mit der Erfindung der Glühlampe in die Geschichte ein, Pelé knapp 100 Jahre später als Fußballer. Zumindest da hat die Sache mit dem Karma geklappt.
Aus „Jayson“ wird „Jheison“
Man kann die Ursache für die Namensvielfalt in Brasilien auf die Kreativität der Menschen zurückführen, der wahre Grund ist aber erstaunlich pragmatisch. Deutlich wird das an einem guten Bekannten aus der Bundesliga: Dante Bonfim Costa Santos. Dessen Nachnamen sind das brasilianische Äquivalent zu Schmidt oder Meier — nur ungefähr 100 mal so häufig. Würde man nur nach dem Nachnamen gehen, könnte man nie eindeutig wissen, von wem gerade die Rede ist. Um Klarheit herzustellen, beschränken sich die Brasilianer in der Bundesliga daher meist auf ihre Spitz- oder Vornamen.
Auch was die Schreibweise angeht, sind den Standesämtern Grenzen und Regularien fremd. Aus „Wellington“ wird „Uelington“, aus „Jayson“ wird „Jheison“, aus „Caroline“ wird „Carolaini“, aus „Jessica“ wird „Géssica“ und aus „David“ wird „Deivid“. Als Europäer muss man da schon manchmal zweimal hingucken, um das Gelesene zu verstehen. Zumindest mit Messi Daniel Varela wird niemand Probleme haben.