Erst attackierte Bayernboss Rummenigge einen arglosen Sportrichter, jetzt kündigt er sich selbst die Freundschaft auf. Einer muss ja der Feind sein, wenn es in der Liga schon keinen mehr gibt.
„Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen“, sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge gestern im Interview mit Spox.com. „Und dagegen wehre ich mich.“
Hm? Äh. Moment:
Er will sich also dagegen wehren, dass ihm nichts vorzuwerfen ist? Er will seine weiße Weste selbst beschmutzen? Geht es Karl-Heinz Rummenigge etwa nicht gut?
Nun könnte man diesen Satz, dessen innerer Zusammenhang sich mittendrin, beim Komma stolpernd, auf die Nase legt, in den Ordner verschieben, in dem all die anderen verunglückten Fußballersentenzen liegen. Etwa Alexander Strehmels „Bei so einem Spiel muss man die Hosen runterlassen und sein wahres Gesicht zeigen“, Thorsten Legats „Es war toll, es war klasse, es war wie ein Albtraum“ oder Jürgen Wegmanns „Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu“. Man könnte sagen: Rummenigge hat es nicht so gemeint und unfreiwillig ein neues Bonmot produziert. Danke für den Schmunzler.
Nun hat er aber – und das kann Rummenigge, ein Mann von ostwestfälischer Ehrlichkeit und bajuwarischer Mitteilsamkeit, wie kein Zweiter –, obwohl er etwas anderes sagen wollte, genau das gesagt, was er eigentlich sagen will: Ihm ist ganz schrecklich langweilig. Denn niemand will mehr mit ihm spielen.
Die Mannschaft kegelt die Gegner um, Rummenigge hat gar keine mehr
Gerade hat der FC Bayern 5:0 gegen den SV Werder gewonnen, laut Trainer Pep Guardiola immerhin „eine der besten Mannschaften Deutschlands“, bei 83 Prozent Ballbesitz und 30 zu 2 Torschüssen. Die Zeiten, da Willy Lemke von Bremen her München im Wochentakt attackierte, liegen so lange zurück wie die Belagerung der Stadt durch den Herzog von Bayern-Ingolstadt. Jürgen Klopp steht auch nicht mehr zu Verfügung, seinem Nachfolger beim BVB, Thomas Tuchel, hat Streit offenbar zu viele Kalorien, er sieht den Wettkampf rein sportlich. Vielleicht wird es nächstes Jahr wieder ein bisschen spannender, vielleicht ist die Meisterschaft dann erst im April entschieden, derzeit aber ist der FC Bayern der Konkurrenz enteilt. Womöglich bräuchte diese Mannschaft in den verbleibenden Bundesligaspielen nicht mal mehr einen Trainer, erst recht braucht sie keine Funktionäre, die versuchen, die Gegner auf Nebenkriegsschauplätzen zu zermürben.
Genau das aber ist, wenn gerade kein Spieler transferiert, ein Stadion gebaut oder einem Scheich für die nette Einladung gedankt werden muss, das Kerngeschäft, das die Abteilung Attacke so gern betreibt, Rummenigge, Matthias Sammer, früher mal und bald wieder Uli Hoeneß, die drei Aggressive Leaders, die ihre Karriere als aktive Fußballer längst beendet haben und doch immer noch ein Rudel bilden, wenn jemand ihren Verein nicht so toll findet wie sie selbst.
Die Mannschaft kegelt die reihenweise Gegner um, was auf Dauer auch irgendwie unspannend sein muss. Rummenigge aber hat gar keine mehr. Er steht nun da wie ein Wirtshausschläger in einer leeren Kneipe, und bevor er unverrichteter Dinge wieder heimgeht, legt er sich lieber mit sich selbst an. Das mag einem verrückt vorkommen, aber man muss es aus der Perspektive des Wirthausschlägers bzw. Rummenigges sehen: Er kann einfach nicht anders. „Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat“, sagte schon Paul Watzlawick, „sieht in jedem Problem einen Nagel.“