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Karl­heinz Förster, Sie sind 1986 an Argen­ti­nien geschei­tert. Was würden Sie heute anders machen?
Das Spiel war damals eigen­artig. Wir haben mit der fal­schen Auf­stel­lung begonnen. Ich habe gegen Jorge Valdano von Real Madrid als linker Ver­tei­diger gespielt, dadurch Hans-Peter Briegel fast als Links­außen und Lothar Mat­thäus als Vor­stopper gegen Mara­dona.

Was war daran falsch?
Ich hätte von Anfang an gegen Mara­dona spielen sollen. Das habe ich vor dem Spiel auch gesagt. Erst nach dem 0:2 hat Franz Becken­bauer umge­stellt: Ich gegen Mara­dona, Briegel als linker Ver­tei­diger, Mat­thäus im Mit­tel­feld. Aber da war es schon zu spät. Viel­leicht hat uns dieser Fehler in der ersten Halb­zeit den Titel gekostet.

Wie haben Sie Mara­dona in Erin­ne­rung?
Gespro­chen haben wir auf dem Feld beide nicht. Eines ist mir aber beson­ders in Erin­ne­rung geblieben. Mara­dona war nie weh­leidig. Er konnte richtig gut ein­ste­cken.

Und als Spieler?
Was soll man da sagen? Er war absolut über­ra­gend: Schnell auf den ersten Metern. Er konnte aus vollem Lauf den Ball stoppen, sich drehen. Aber so stark wie bei dieser WM war er nie mehr.

Gab es Momente, in denen Sie sich gefragt haben: Was macht dieser Kerl anders als wir?“
Nein, auf dem Spiel­feld denkt man so was nicht. Aber es gibt Situa­tionen, die man ein­fach nie ver­gisst.

Zum Bei­spiel?
Das war im Finale 1986. Wir hatten alle sieben Spiele in den Kno­chen, bei unglaub­li­chen Tem­pe­ra­turen um die Mit­tags­zeit. In der zweiten Halb­zeit bekam ich einen Pass und wollte den Ball stoppen, aber er ist mir unter dem Fuß durch­ge­rollt, 40 Meter vor dem Tor. Mara­dona ist trotz der extremen Bedin­gungen abge­gangen wie sonst was. Ich wusste, wenn ich ihn jetzt nicht kriege, war es das. Das ging bis in den Sech­zehner. Dort habe ich ihn ein­ge­holt, den Ball abge­grätscht und bin dabei kom­plett über Toni Schuh­ma­chers aus­ge­streckten Arm gerutscht. Über uns stand Mara­dona wie ein Flieger quer in der Luft. Wahn­sinn dieses Bild.

Trotz dieser Ret­tungs­ak­tion ging das Finale ver­loren. Was macht ein Team nach so einem Spiel?
Da ist ein­fach nur Ruhe. Es geht zurück ins Hotel. In der Nacht schläft man nicht und trotzdem gibt es zu Hause noch einen Emp­fang, den man über sicher ergehen lassen muss. Das ist eine extrem hohe Belas­tung und so ein­fach lässt einen das auch nicht los.

1990 klappte es schließ­lich mit dem Titel. Wie haben Sie das Finale als Außen­ste­hender erlebt?
Zu Hause vor dem Fern­seher. Ohne die Leis­tung schmä­lern zu wollen, muss man sagen, dass die argen­ti­ni­sche Mann­schaft 1990 deut­lich schwä­cher war als das Team von 1986. Das lässt sich auch gut an einem Spieler wie Mara­dona fest­ma­chen. Der war bei diesem Tur­nier eine Klasse schlechter.

Was überwog am Ende? Die Freude über den deut­schen Sieg oder die Wehmut, dass man selber geschei­tert war?
Man denkt sich: Mit der Mann­schaft von 1986 hätten wir die Argen­ti­nier von 1990 auch weg­ge­hauen.“ Das wäre so gewesen. Davon bin ich absolut über­zeugt. Aber natür­lich habe ich mich auch für das Team gefreut.

Die aktu­elle Mann­schaft hat auf ihrem Weg ins Finale über­zeu­gend Bra­si­lien hinter sich gelassen. Wie ist es mög­lich, dass gestan­dene Abwehr­spieler sich so vor­führen lassen.
Das war kein reines Defen­siv­pro­blem, son­dern kol­lek­tives Ver­sagen. Auf der einen Seite ist der Druck ein­fach zu groß geworden. Das konnte diese Mann­schaft nicht mehr stemmen. Die Spieler wirkten wie gelähmt, sind in keine Zwei­kämpfe gekommen. Ande­rer­seits ist da auch tak­tisch viel schief gelaufen.

Und zwar?
Das Prunk­stück des deut­schen Spiels ist das Mit­tel­feld. Da muss man die Räume eng machen. Bei den Bra­si­lia­nern hat man das gar nicht gesehen. Klar, dass dann am Ende die Ver­tei­diger schlecht aus­sehen.

Könnte der Druck auch der deut­schen Natio­nal­mann­schaft zum Ver­hängnis werden? Wie 1986 stehen mit Bas­tian Schwein­steiger und Philipp Lahm Spieler auf dem Feld, die schwere Nie­der­lagen ein­ste­cken mussten und viel­leicht die letzte Chance auf den ganz großen Titel haben.
Uns hat das damals gar nicht beschäf­tigt. Ich glaube auch nicht, dass sich Schwein­steiger und Lahm davon beein­flussen lassen. Da zählt nur das Finale und nicht, was in vier Jahren ist.

Wie hat sich Ihre Sicht auf die deut­sche Natio­nal­mann­schaft im Laufe des Tur­niers ver­än­dert?
Trotz allen Ver­let­zungen habe ich der Mann­schaft mit ein biss­chen Los­glück immer das Halb­fi­nale zuge­traut. Das Team hat im Ver­gleich zu den Vor­jahren auch wich­tige Ver­än­de­rungen durch­laufen: Es tritt viel beschei­dener auf. Die Spieler sind trotzdem selbst­be­wusst, aber eben nicht arro­gant oder über­heb­lich. So was sieht man auch auf dem Spiel­feld. Die Ein­satz­be­reit­schaft ist da und alle kämpfen. Jetzt müssen sie eigent­lich auch Welt­meister werden.

Wie schätzen Sie die Leis­tung der deut­schen Abwehr­spieler ein?
Mats Hum­mels spielt über­ra­gend. Auch Jerome Boateng hat mich, seitdem er wieder zen­tral spielt, total über­zeugt.

Könnten Sie sich inzwi­schen über den Titel­ge­winn freuen?
Na klar, unser Finale liegt doch zig Jahre zurück! 1990 hat mich so was noch beschäf­tigt. Heute denke ich nicht mehr daran und würde mich unein­ge­schränkt über den Erfolg freuen.

Letzte Frage: Die aktu­elle argen­ti­ni­sche Natio­nal­mann­schaft ist von Lionel Messi ähn­lich abhängig wie das 86er-Team von Mara­dona. Wie muss Joa­chim Löw darauf reagieren?
Das System wegen eines Spie­lers zu ver­än­dern, wäre ein großer Fehler. Er muss ein­fach überall, wo er auf­taucht, bekämpft werden, am besten immer von zwei Mann. Wegen eines Spie­lers das System zu ver­än­dern, bringt jedoch nichts. Das hat man 2012 gegen Ita­lien gesehen. Da sind wir bestraft worden.