Olaf Thon lief für Schalke und Bayern auf, er spielte mit David Wagner und Hansi Flick. Vor dem Aufeinandertreffen der beiden Klubs spricht er über Schalkes neuen Trainer, den Wechsel von Alexander Nübel und Schafkopfrunden in München.
Herr Thon, das Bundesliga-Spitzenspiel des 19. Spieltages lautet Bayern gegen Schalke. Hätten Sie das vor Saisonbeginn für möglich gehalten?
Angesichts der schlechten vergangenen Saison von Schalke sicher nicht. Aber ich hätte auch nicht gedacht, dass sich die Bayern so schwer tun.
Schalke steckte im Frühjahr 2019 noch im Abstiegskampf. Jetzt rangiert das Team unter David Wagner auf Platz fünf – nur drei Punkte hinter dem Tabellenzweiten FC Bayern München. Wie hat der neuer Trainer das geschafft?
Er hat nach seinem Engagement in der Premier League die Begeisterung aus England mitgebracht. David Wagner ist vom Typus her einer, der eine positive Stimmung in einer Mannschaft auslösen kann – ohne aber bei Erfolgen gleich durchzudrehen. Er bleibt immer mit beiden Füßen auf dem Boden. Ganz wichtig war, dass sich die Spielweise geändert hat. Statt Catenaccio wird jetzt wieder nach vorne gespielt. Das passt zur Schalker Vereins-DNA. Die darf nicht verloren gehen – auch wenn man zwischenzeitlich mit der defensiven Ausrichtung erfolgreich war.
Sie haben in den 90er Jahren mit David Wagner zusammen beim FC Schalke gespielt. Wie haben Sie Ihren ehemaligen Teamkollegen in Erinnerung?
Als sehr netten, aufgeschlossenen Menschen. Er war Stürmer, wie Jürgen Klopp, und dabei stets bemüht. David Wagner gehört zu den Eurofightern. Er hat ein Tor gegen Kerkrade geschossen und seinen Teil dazu beigetragen, dass wir 1997 den UEFA-Pokal gewonnen haben.
„Wagner war besser am Ball als Klopp“
Ein wirklich großer Fußballer war David Wagner aber nie…
Das muss man auch nicht sein, um ein guter Trainer zu werden. Da gibt es schon ein paar Parallelen zu Jürgen Klopp – wobei David Wagner sicher besser am Ball war. Die beiden sind ja eng befreundet. David Wagner hat sich bei Jürgen Klopp bestimmt viele Ratschläge abgeholt. Aber unabhängig davon hat er sich als Trainer einfach super entwickelt. Das zeigt er jetzt auch beim FC Schalke 04. Allerdings ist hier das erste Jahr als Trainer immer einfacher ist als das zweite.
Was braucht man, um als Trainer auf Schalke bestehen zu können?
Rückhalt von der Vereinsspitze. Den hatte Huub Stevens. Und den spürt man jetzt auch bei David Wagner – aber bislang ist ja auch noch keine schwierige Phase eingetreten. Was der FC Schalke 04 dringend braucht, ist Konstanz. Die ist ganz wichtig für den Erfolg eines Vereins.
Erkennen Sie positive Anzeichen dafür?
Ja. Man hat das Gefühl, dass mit Sportchef Jochen Schneider, Sascha Riether als Koordinator der Lizenzspielerabteilung und David Wagner als Trainer ein Rädchen ins andere greift, dass da ein Pflänzchen gewachsen ist.
Interessanterweise haben Sie auch mit Hansi Flick, dem aktuellen Bayern-Trainer zusammengespielt – während Ihrer Zeit in München.
Hansi Flick hat mir im Mittelfeld den Rücken freigehalten. Er war ein Kämpfer, laufstark, ein echtes Tier, der sich immer richtig reingehauen hat. Es ist schön zu sehen, dass er jetzt als Chef-Trainer beim FC Bayern seine Chance bekommen hat und sie auch nutzt. Ich drücke ihm ganz fest die Daumen, dass es mit dem Engagement über das Saisonende hinaus klappt. Vielleicht können Hansi Flick, Oliver Kahn, Hasan Salihamidžić und wer da sonst noch kommt eine neue Ära beim FC Bayern München einläuten.
Apropos neue Ära. Mit der Verpflichtung von Alexander Nübel versuchen die Bayern-Verantwortlichen auf der Torhüter-Position eine wichtige Weiche für die Zukunft zu stellen – trotz des Konfliktpotenzials, das damit verbunden ist.
Das kann keiner nachvollziehen. Um das zu verstehen, müsste man wissen, welche Absprachen es gibt, was im Vertrag steht. Es gibt um diesen Wechsel so viele Fragen: Bleibt Manuel Neuer gesund? Gibt er Nübel Spiele ab?
Aus Sicht der Bayern scheint die Nübel-Verpflichtung nachvollziehbar zu sein. Man bekommt ablösefrei einen Top-Torhüter…
Aber man holt sich viel Unruhe ins Team und in den Verein. Vielleicht will man von Bayern-Seite aus damit aber auch Druck auf die aktuelle Nummer eins ausüben – wir wissen es nicht.
„Klaus Augenthaler wollte nicht um Geld spielen. Die anderen schon“
Sie selbst machten ebenfalls einst den Schritt von Schalke 04 zum FC Bayern München…
Das war damals eine ganz andere Konstellation. Wir waren abgestiegen. Der Verein benötigte dringend Geld und musste mich deshalb verkaufen. Eigentlich wollte ich ins Ausland gehen. Aber damals gab es ja die Ausländerbeschränkung. Uli Heoneß und Jupp Heynckes haben mich dann davon überzeugen können, dass der FC Bayern München der richtige Verein für mich ist. Dafür bin ich Ihnen bis heute sehr dankbar.
Von Gelsenkirchen nach München – kein Kulturschock für einen gerade 22-Jährigen aus dem Ruhrpott?
Nein. Es war eine richtig schöne Zeit. Hansi Pflügler, Raimond Aumann, Stefan Reuter – wir hatten eine Mannschaft mit vielen jungen Spielern, die alle noch nicht verheiratet waren und viel miteinander unternommen haben. Wir hatten dann auch eine super Schafkopfrunde mit Manni Schwabl, Stefan Reuter und Uli Hoeneß. Da habe ich den Klaus Augenthaler verdrängt. Der wollte nicht um Geld spielen. Die anderen schon.
Nach sechs Jahren beim FC Bayern München kehrten Sie zurück zum FC Schalke 04.
Ich war gegen Ende meiner Zeit beim FC Bayern München häufiger verletzt. Dadurch bin ich langsamer geworden. Dazu kam noch etwas anderes. Erich Ribbeck hatte mich zum offensiven Libero umgeschult. Und auf diese Posten spekulierte Lothar Matthäus. Rudi Assauer hat dann die Rückkehr zum FC Schalke 04 eingefädelt. Hier wurden meine Probleme mit der Achillessehne wieder besser. Es waren dann noch schöne Jahre bei Schalke. Ich durfte auch noch in der neuen Arena spielen. Das hätte ich beim FC Bayern München auch gerne erlebt.
Der gebürtige Gelsenkirchener begann seine Profikarriere 1983 als 17-Jähriger beim FC Schalke 04. Legendär sind seine drei Tore beim 6:6 gegen den FC Bayern München im DFB-Pokal-Halbfinale 1984. Das Wiederholungsspiel gewann Bayern 3:2. Im Sommer 1988 wechselte Thon zum FC Bayern München, mit dem er dreimal deutscher Meister wurde. 1994 kehrte Thon zum FC Schalke 04 zurück und feierte 1997 mit dem Klub den UEFA-Cup-Sieg. Verletzungsbedingt beendete Thon, der 52-Länderspiele bestritt und 1990 mit Deutschland Weltmeister wurde, 2002 seine Profikarre. Von 2005 bis Juni 2008 war er Mitglied im Schalker Aufsichtsrat. Thon war und ist für mehrere Fernsehsender als Experte im Einsatz. Seit 2015 leitet er zudem die eigenständige Abteilung „Traditionself“ des FC Schalke 04.