Christoph Daum hat Rivalitäten in Deutschland, Belgien oder der Türkei erlebt. Fotomontagen, fliegende Handys und Waffen auf den Tischen gab es aber nur in Istanbul.
Die Süper Lig hat Geld, Stars, Tradition, aber für die internationale Spitze reicht es nicht. Ist der türkische Fußball vielleicht zu emotional?
Türkische Klubs erzielen ja immer wieder internationale Achtungserfolge, aber insgesamt fehlt es an Kontinuität. Hier wollen alle immer den sofortigen Erfolg, dafür werden die Mannschaften mit viel Geld verstärkt. Wenn es dann am letzten Spieltag, aus welchem Grund auch immer, doch nicht für die Meisterschaft reicht, ist der Trainer der Schuldige und muss gehen. Das ist mir zweimal passiert. Die Entlassung des Trainers ist aber noch nicht genug, auch die Mannschaft wird wieder umgekrempelt. So kann natürlich keine Kontinuität entstehen.
Woher kommt dieser Mangel an Kontinuität?
Ein Problem war sicherlich, dass viele Klubs bis vor kurzem alle zwei Jahre Vorstandswahlen hatten. Erst durch eine Satzungsänderung haben die Klubs heute einen Turnus von drei oder vier Jahren, so kann ein Vorstand auch mal über eine gewisse Strecke seine Aufbauarbeit durchsetzen. Problematisch bleibt aber die Zusammenstellung des Vorstandes. Da gibt es einen Präsidenten und 15 Vizepräsidenten. Und für jeden davon ist das Amt gesellschaftlich extrem wichtig.
Sie kennen wahrscheinlich die Geschichte von Jörg Berger, bei dessen Verhandlungen mit einem türkischen Klub der Vereinsboss plötzlich eine Pistole auf den Tisch legte. Ist Ihnen mal etwas Ähnliches passiert?
Jörg lebt ja leider nicht mehr, deswegen kann man ihn nicht mehr fragen, ob er das als Einschüchterung empfunden hat. Denn wir müssen die andere Mentalität in der Türkei bedenken. Mittlerweile hat es ein wenig abgenommen, aber vor zwanzig Jahren war es absolut üblich, dass viele Personen einen Waffenschein hatten und auch eine Waffe besaßen. Dementsprechend üblich war es auch, dass man diese Waffe erstmal ablegte, wenn man mit mehreren Personen zusammensaß. Auch ich saß mit Leuten zusammen, die erstmal ihren Holster abgeschnallt haben.
Sie haben lange in Deutschland gearbeitet. Hatten Sie hierzulande einen Erzrivalen?
Einen wirklichen Trainerrivalen hatte ich nicht. Zu Beginn vielleicht Jupp Heynckes, aber das hat sich mit den Jahren beruhigt. In Deutschland habe ich meist um die Deutsche Meisterschaft mitgespielt, da war dann naturgemäß der FC Bayern mein Rivale. Da haben die Trainer durch die Möglichkeiten des Vereins immer einen kleinen Vorteil. Aber durch die vielen Trainerwechsel gab es den einen Widersacher nicht.
Sie waren von 1986 bis 1990 Cheftrainer des 1. FC Köln, von 1996 bis 2000 Cheftrainer beim Rivalen aus Leverkusen. Gab es deswegen jemals Probleme mit den Fans?
In Köln nicht. Zu meiner Kölner Zeit hatte der FC sportlich einen klaren Vorsprung. Selbst wenn wir in Leverkusen spielten, war das eher wie ein Heimspiel. Da standen Leute in Bayer-Jacken, die haben zu mir gesagt: „Ich habe zwar das Bayer-Kreuz hier drauf, aber mein Herz schlägt für den FC“.
Und in Leverkusen?
In Leverkusen war es zu Beginn nicht ganz so einfach. Ich war ein Feindbild, weil ich mich als FC-Coach hin und wieder provokant in Richtung des anderen Rheinufers geäußert hatte. Vor dem Derby gegen Köln bat ich die Vertreter der Fanklubs um ein Treffen. Ich sagte ihnen: „Wenn wir spielen, unterstützt ihr die Mannschaft 90 Minuten lang. Anschließend komme ich nochmal raus, dann könnt ihr mich zehn Minuten beschimpfen. Aber es kann nicht sein, dass ihr negativen Stimmungen mir gegenüber mit ins Spiel nehmt und die Mannschaft darunter leiden muss.“ Wir gewannen das Spiel mit 4:0, die Fans überhäuften mich mit Geschenken und sagten: „Jetzt bist du einer von uns.“ Und mittlerweile gucken eher die Bayer-Fans schmunzelnd zum anderen Rheinufer.
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