Die Derby-Niederlage gegen Union ist für Hertha BSC in vielerlei Hinsicht frustrierend. Unter anderem festigt sie die neuen Machtverhältnisse in der Stadt.
Das Spiel am Mittwochabend aber verfestigte den Trend der vergangenen beiden Jahre endgültig zur Gewissheit: Dass Union Hertha nur tabellarisch überholt hat, ist nicht mehr nur eine Momentaufnahme. Der Emporkömmling aus dem Südosten der Stadt hat den satten und fast selbstgefälligen Platzhirsch erst einmal abgehängt.
Union hatte an diesem Abend all das, was Hertha fehlt und Hertha gerne hätte: einen Plan, eine Struktur, eine funktionierende Mannschaft und die Überzeugung in die eigene Stärke. „Letztendlich haben wir es nicht verdient heute“, sagte Trainer Korkut. Dass Hertha am Ende auf 63 Prozent Ballbesitz kam, war alles andere als ein Qualitätsmerkmal. Es war vor allem Ausdruck der Überforderung.
Die ersten 30 Minuten gegen Union erinnerten an die ersten 30 Minuten am Wochenende in Wolfsburg, als Hertha offensiv auch so gut wie gar nicht stattgefunden hatte. Der Wille, aktiver bei der eigenen Spielgestaltung zu werden, ist vorhanden; er stößt mit dem vorhandenen Kader jedoch schnell an Grenzen. Gegen Union wirkte vieles zufällig. Bei der ersten offensiven Annäherung nach exakt einer halben Stunde und einer Serie von Torschussversuchen fehlte eigentlich nur die in Comics übliche Untermalung mit Zack! Ding! Boing! Bumm!
Flankiert wird die Harmlosigkeit in der Offensive von den periodisch auftretenden Aussetzern in der Defensive. Die Mannschaft ist schlichtweg damit überfordert, vorne so viele Tore zu schießen, wie sie hinten kassiert. „Wir haben die Momente nicht im Griff“, sagte Korkut. „Wenn man sich die Tore anschaut, dann waren die zu einfach. Das ist uns nicht zum ersten Mal passiert.“
Tatsächlich war Unions erstes Tor im Grunde eine naturgetreue Kopie des ersten Kölner Tores bei der 1:3‑Niederlage zum Auftakt der Rückrunde: Auch da war Herthas Defensive mit einem langen Ball die Seitenlinie entlang auf denkbar simple Weise ausgehebelt worden. Die Unioner wussten, dass es hinter Herthas letzter Kette viel Platz gab. Vielleicht aus dem Köln-Spiel.
„Das sind Momente, die letztlich das Spiel entscheiden“, sagte Korkut. „Auf die müssen wir achten.“ Vor allem sind es immer noch zu viele Momente.
Vor dem 0:2 verlor erst Boyata ein Kopfballduell gegen Max Kruse, dann rutschte er auf dem Rasen weg. Das 1:3 – passenderweise nur Sekunden nach Herthas Anschlusstreffer – resultierte aus einem Freistoß der Gäste, nach dem Robin Knoche nahezu unbehelligt einschießen konnte.
Tayfun Korkut sagte: „Wir haben einiges zu besprechen.“ Das stimmt wohl. Mit wenigen Momenten dürfte es jedenfalls nicht getan sein.
Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.