Die Derby-Niederlage gegen Union ist für Hertha BSC in vielerlei Hinsicht frustrierend. Unter anderem festigt sie die neuen Machtverhältnisse in der Stadt.
Der unerquickliche Abend endete doch noch halbwegs versöhnlich. Lange nach dem Schlusspfiff wurde der Delegation von Hertha BSC aus der Ostkurve freundlicher Applaus entgegengebracht.
Wobei die Delegation von Hertha BSC streng genommen nur aus anderthalb Mann bestand. Aus Kapitän Dedryck Boyata und seinem knapp zwei Jahre alten Sohn, der auf dem Rasen seinem Vater und einem Ball hinterhergejagt war. Boyata ging weiter in die Kurve, wo noch etwa 15 Leute warteten, und wurde für so viel Zivilcourage mit Beifall empfangen.
Kurz vor und kurz nach dem Abpfiff des Achtelfinalspiels im DFB-Pokal hatte das noch anders geklungen. Aus der Kurve gab es ein Potpourri aus den „Bravo-Hits, Edition Abstiegskampf“ zu hören: Wir woll’n euch kämpfen seh’n! Wir ham die Schnauze voll! Wir sind Herthaner und ihr nicht! Die Evergreens der schlechten Laune eben.
„Wir haben ein Derby verloren“, sagte Herthas Trainer Tayfun Korkut nach der 2:3‑Niederlage seiner Mannschaft gegen den Lokalrivalen 1. FC Union. „Wir haben’s verdient verloren. Von daher verstehe ich die Reaktion.“
Dieses Spiel ließ niemanden kalt. Die Gäste aus Köpenick sprinteten quasi mit dem Schlusspfiff vom Rasen und von der Bank Richtung Marathontor, wo sich ihre handverlesenen 200 Fans befanden. Herthas Spieler hingegen sanken noch im selben Moment zu Boden. Kapitän Boyata hockte gedankenverloren am Mittelkreis, als einige seiner Kollegen schon im Tiefgeschoss des Olympiastadions verschwunden waren. Nur eine Handvoll Herthaner deutete später noch einen Gang in die Kurve an.
„Es ist natürlich eine große Ernüchterung, eine große Enttäuschung“, sagte Sportdirektor Arne Friedrich. „Wir müssen uns alle hinterfragen, warum es nicht geklappt hat – nicht nur die Mannschaft, wir alle.“ Auch Trainer Korkut begegnete dem Schrecken mit angemessener Trauermiene und der nötigen Derbyniederlagendemut. „Es war ein sehr, sehr wichtiges Spiel für uns alle. Von daher gehen wir nicht in den nächsten Tag rein und sagen: Okay, ist passiert“, sagte er. „Wir werden uns unsere Gedanken machen, und es werden einige Sachen angesprochen werden.“
Die Niederlage war für Hertha in mehrfacher Hinsicht ein echter Tiefschlag: weil der Traum vom Pokalfinale in der eigenen Stadt und im eigenen Stadion wieder einmal zu früh zu Ende ist; weil die Schwächen der Mannschaft und die Unwucht im Kader erneut deutlich zu Tage traten – vor allem aber weil der Lokalrivale in Herthas Wohnzimmer feierte.
Seit dem ersten Derby im Jahr 2010 in der Zweiten Liga sind sich beide Klubs in der Regel auf ähnlichem Niveau begegnet. Hertha war personell meistens prominenter und oft auch besser besetzt, trotzdem gestalteten sich die Duelle halbwegs ausgeglichen und – wie es sich für Derbys gehört – einigermaßen umkämpft.