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Soll ich ganz ehr­lich sein? Ich weiß nicht mal, wie oft die Copa Amé­rica statt­findet. Gefühlt jedes Jahr, aber gefühlt dürften Inter­views mit rap­penden Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­kern auch nicht 900.000 Men­schen errei­chen. Jeden­falls stimmt das Gefühl natür­lich nicht mit der Rea­lität überein, die Copa findet näm­lich nicht jähr­lich statt. Son­dern ein­fach irgend­wann. Zum Bei­spiel 1999, 2001, 2004, 2007, 2011, 2015, 2016, 2019 und dann auch wieder nächstes Jahr, 2020. Und dann erst wieder 2024. Wäre die Zah­len­reihe Teil eines IQ-Tests, es sähe düster für mich aus.

Was vor allem daran liegt, dass ich mich mit der Copa bisher nie ein­ge­hend beschäf­tigt habe. Ich weiß nicht, wer Rekord­sieger ist (eine Power-Recherche ergibt jedoch: Uru­guay), ich habe keine Ahnung, wel­cher Stürmer die meisten Tore geschossen hat (Zizinho? und Nor­berto Mendez?). Man könnte sagen: Für den Mit­ar­beiter eines Fuß­ball­ma­ga­zins ist das eini­ger­maßen bla­mabel. Ande­rer­seits behaupte ich, nicht der ein­zige Euro­päer mit dem Insel­in­ter­esse Fuß­ball“ zu sein, der bei kon­kreten Fragen zur Copa Amé­rica ins Schwitzen gerät.

Dabei ist Süd­ame­rika doch der Sehn­suchtsort schlechthin für hüft­steife Bleich­ge­sichter wie uns. Ohne Bra­si­lianer wie Gio­vane Elber hätten wir nie gelernt, dass eine Ferse mehr kann als nur weh­zutun, wenn man mit ihr aus Ver­sehen und im hohen Tempo gegen einen Tür­rahmen stol­pert. Ohne Argen­ti­nier wie Andrés D’Alessandro würden wir noch heute glauben, mit No-Look-Aktionen seien abs­ti­nente Voy­eure gemeint.

Belo Hori­zonte ist ein ein­ziger, sehr lauter Geräusch­brei

Und trotzdem plät­schert auch die 46. Aus­gabe der Copa (Power-Recherche!) in diesem Jahr ein­fach an mir vorbei. Im Büro schaue ich mir, gut aus­ge­schlafen, die auf 120 Sekunden ein­ge­dampften High­light-Videos an. Vor­aus­ge­setzt, es sind Tore gefallen. Ansonsten: tote Hose. Uru­guay schei­tert an Peru? Was soll’s. Chile könnte zum dritten Mal in Folge siegen? Na, ist ja super. Höchs­tens unnö­tige Infos merke ich mir. Wusstet ihr, dass Mar­celo Moreno tat­säch­lich noch für Boli­vien spielt?

Dass gerade eine Kon­ti­nen­tal­meis­ter­schaft im Gange ist, die, was Star-Dichte und tra­di­ti­ons­reiche Duelle und High­light-Spiele angeht, einer EM eigent­lich in nichts nach­steht, bekommen aber weder ich noch die Leute aus meinem Umfeld so richtig mit. Was ich gerne, zumin­dest in Bezug auf mich, ändern würde. Wes­wegen ich mir heute Nacht den Wecker gestellt habe, um das Halb­fi­nale zwi­schen Bra­si­lien und Argen­ti­nien zu schauen.

Es ist 02:30 Uhr und es gibt kein Vor­ge­plänkel. Schaut man das Spiel in Deutsch­land auf recht­lich kor­rektem Weg und also bei DAZN an, dann geht die Über­tra­gung ein­fach mit dem Anpfiff los. Auch der Sound verrät: Das ist keines der übli­chen Tur­niere. Es kom­men­tiert ein Mann namens Hans von Brock­hausen, den ich, Hans von Brock­hausen mag es mir ver­zeihen, noch nie habe kom­men­tieren hören. Auch die Zuschauer hören sich anders an. Bezie­hungs­weise: Belo Hori­zonte ist ein ein­ziger, sehr lauter Geräusch­brei. Viele Men­schen pfeifen, andere singen man­tra­artig, wieder andere stöhnen bei jeder halb-gefähr­li­chen Aktion auf. Man spürt auch als wohl ein­ziger Zuschauer in der eigenen Nach­bar­schaft und alleine auf der Couch lie­gend sehr schnell, wie wichtig die Partie für alle Betei­ligten ist.