Mit Ole Gunnar Solskjaer läuft es plötzlich wieder bei Manchester United. Dabei sagt der Mourinho-Nachfolger, er habe gar nicht viel verändert. Wichtige Spieler sehen das anders.
Nun aber zeigt Solskjaer, dass er mehr sein will als nur ein gutgelaunter Lückenfüller, bis im Sommer ein neuer Boss seinen Job antritt. Seine Mission ist vielversprechend gestartet, United greift unter dem ehemaligen Stürmer so lustvoll an wie lange nicht mehr, und die Fans feiern ihn dafür wie einen Erlöser. Allerdings warten im neuen Jahr auch wieder schwierigere Aufgaben als Huddersfield oder Bournemouth.
Unter anderem am übernächsten Sonntag beim Spiel gegen Tottenham sowie im Frühjahr das Achtelfinale der Champions League, wenn United auf Paris Saint-Germain trifft. Dann wird Solskjaer zeigen müssen, ob er seiner Aufgabe auch wirklich gewachsen ist. An diesem Mittwoch wartet mit Newcastle United aber erst einmal eine weitere vergleichsweise lösbare Aufgabe.
Lizenz zum Freisein
Was macht seine Mannschaft jetzt anders als vorher? Und warum funktioniert Pogba plötzlich wieder? Der „Guardian“ zitierte dazu zuletzt Jesse Lingard, wie er von seinem wiedererstarkten Mannschaftskollegen schwärmte. Pogba sei „definitiv“ wieder der Alte, sagte der Nationalspieler; „Paul genießt seinen Fußball. Er spielt auf der Position, die er am liebsten mag. Er hat die Freiheit, Dinge zu bewirken.“ Das sei das Verdienst von Ole Gunnar Solskjaer: „Ole hat ihm zu 100 Prozent geholfen. Er hat ihm das Selbstvertrauen und die Lizenz gegeben, frei zu sein, sein Spiel zu spielen und zu tun, wovon wir alle wissen, dass er dazu in der Lage ist.“
Insgesamt sei das Spiel der Mannschaft wieder mehr auf das Erzielen von Toren ausgerichtet: „Wenn wir ein Tor schießen, wollen wir mehr. Wir wollen Angriffsfußball mit viel Energie spielen. Frühe Tore sind wichtig für uns, denn dann kommt das Selbstvertrauen und wir haben die nötige Mentalität, Gegner vier oder fünf zu null zu besiegen.“
Pogba sendet Spitzen gegen Mourinho
Solskjaer sei „großartig“ im Umgang mit den Spielern, er erlaube ihnen viele Freiheiten auf dem Platz, gebe aber dennoch die Richtung vor, fordere Pressing, wünsche sich Tore am liebsten in den ersten 15 bis 20 Minuten. „Er weiß, wo Manchester United stehen sollte – und das ist ganz oben.“ Das erinnert in der Theorie an den Heavy-Metal-Fußball, den Jürgen Klopp in Liverpool spielen lässt. Und in der Umsetzung sieht das dann eben ganz anders aus als der sture Ergebnisfußball, den die Fans unter Mourinho häufig zu sehen bekamen.
Pogba selbst schickte nach dem 4:1 gegen Bournemouth am Sonntag eine Spitze Richtung Mourinho, als er sagte, jemand habe die Mannschaft offenbar daran erinnern müssen, dass sie Manchester United sei. „Wir haben auch unter dem alten Trainer einige Spiele gewonnen. Es ist jetzt bloß ein anderer Spielstil. Wir sind offensiver, wir erzeugen mehr Chancen, wir stehen höher. Und das ist es, wie wir spielen wollen. Wir wollen angreifen. Der Trainer will angreifen. Und das machen wir jetzt.“ Einige Tage zuvor hatte Pogba noch versöhnlicher geklungen, als er Mourinho öffentlich dafür gedankt hatte, dass er ihn als Spieler und als Person besser gemacht habe.
Eins nach dem anderen
Mehr Angriff, weniger Zwänge: Das klingt so simpel, dass man kaum glauben mag, dass es einen so großen Unterschied ausmachen kann. Aber vielleicht ist es ja genau diese Einfachheit, nach der sich die Spieler unter Mourinho gesehnt haben – und die Solskjaer ihnen nun ermöglicht.
Solskjaer selbst schlägt bevorzugt die leisen Töne an. In Interviews gibt er sich bescheiden, er lächelt viel, er spricht eloquent von den „besten Fans der Welt“ und von seinem Stolz, für ein paar Monate wieder für Manchester United zu arbeiten. In ein paar Wochen könne man als Trainer ohnehin wenig verändern außer der Einstellung. Er habe aber eine genaue Vorstellung davon, wie United unter seiner Leitung spielen soll, nur stehe seine Arbeit eben erst am Anfang. „Es wird eine Weile dauern. Ich habe schon ein bisschen justiert, und es wird sich mit der Zeit weiter verbessern.“
Parallelen zum Vorgänger
Wer im Sommer das Traineramt im Old Trafford übernehmen wird, steht nicht fest. Mauricio Pochettino von den Tottenham Hotspur gilt als ein Kandidat. Aber auch eine Übernahme Solskjaers über das Saisonende hinaus gilt als denkbar, falls er dafür weiterhin die richtigen Argumente liefert. Der Norweger reagiert auf Fragen danach mit den handelsüblichen Floskeln: von Spiel zu Spiel schauen, ein Schritt nach dem anderen, alles zu seiner Zeit. Nur am Rande: Solskjaer ist einer von sehr wenigen Trainern von Manchester United, die ihre ersten drei Spiele im Amt gewonnen haben. Vor ihm war das nur Klublegende Sir Matt Busby gelungen – und José Mourinho.
Der Journalist und Manchester-United-Fan Michael Golson sagt, der Zeitpunkt von Mourinhos Entlassung sei eigenartig gewesen, denn eigentlich neige der Klub nicht dazu, solche Entscheidungen mitten im laufenden Betrieb zu treffen. „Es ist seltsam, aber auf eine bemerkenswerte Weise fühlt es sich auch befreiend an. Ich hatte gar nicht so recht wahrgenommen, wie unglücklich mich United und seine Art zu spielen gemacht hatten.“
Mourinho habe ihn immer fasziniert, seit er 2004 als Trainer des FC Porto jubelnd an der Seitenauslinie des Old Trafford entlang gesprintet war. „Aber die Dinge haben sich in dieser Saison echt schlecht entwickelt, und jede Woche kamen neue Probleme dazu“, sagt Golson. „Ich bezweifle, dass wir jemals die ganze Geschichte davon erfahren werden, was hinter den Kulissen passiert ist. Und ich kann mir nicht helfen, aber ich denke, dass dort der wahre Grund für seine Entlassung liegt.“