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Seite 2: Rache für die Krawalle bei der WM 1998

So schnell die Gewalt explo­diert, so schnell geht sie auch wieder vorbei. Wie kleine Wir­bel­stürme zieht sie durch die Straßen, es ist nicht ganz klar, wer nun wen ange­griffen hat. Die poten­ti­ellen Feind­bilder waren schon im Vor­feld viel­fältig. Eng­länder gegen Russen, Eng­länder und Russen gemeinsam gegen die Mus­lime der Stadt (das Schwein von Mar­seille“, James Shayler, ein bekannter eng­li­scher Hoo­ligan, hatte dazu auf­ge­rufen, durfte aber letzt­lich nicht aus­reisen), ein­hei­mi­sche Ultras gegen die Gäste-Fans. OM hat gleich eine ganze Hand­voll Ultra-Gruppen, einige hatten noch vor dem Tur­nier ange­kün­digt, Jagd auf die Eng­länder zu machen, auch als Rache für die Kra­walle bei der WM 1998, als eben­falls die Briten in Mar­seille im Zen­trum der Gewalt standen.

Bis zum frühen Abend bleibt es wieder fried­lich, bis es dann erneut eska­liert. Wieder fliegen Fla­schen und Ben­galos, schlagen die Gruppen auf­ein­ander ein. Als es sich eine Stunde später beru­higt hat, sieht der Platz am Alten Hafen aus wie ein Sperr­ge­biet. Überall Poli­zisten, in Uni­form und Zivil, Abend­sonne und Blau­licht mischen sich zu einem kuriosen Far­ben­spiel. Ein Spre­cher der Polizei sagt: Es waren wieder Russen, die auf Eng­länder los sind. Die Lage war aber schnell wieder unter Kon­trolle.“ Ja, man habe mit der Gewalt gerechnet, sagt der Mann, ent­spre­chend vor­be­reitet sei man gewesen. Und doch bleibt der Ein­druck bestehen, dass die fran­zö­si­schen Ver­ant­wort­li­chen ihre Energie eher in die Bekämp­fung der bereits ent­stan­denen Gewalt inves­tieren, als in die Prä­ven­tion.

Ange­spannte Atmo­sphäre am alten Hafen

Viel­leicht hat das auch mit Mar­seille zu tun, dieser auf­re­genden Multi-Kulti-Stadt, in der der Gewalt mit einer Läs­sig­keit begegnet wird, die man sich in einer ähn­lich großen deut­schen Stadt nicht vor­stellen könnte. Später beim Spiel berichtet Jean, ein Bar­keeper am Alten Hafen, dass man bereits am frühen Abend den Laden geschlossen und ver­bar­ri­ka­diert habe. Aber das ist Mar­seille und das ist Fuß­ball“, sagt er und lacht.

Nach dem Spiel, bei dem es im Sta­dion erneut zu Aus­ein­an­der­set­zungen zwi­schen Russen und Eng­län­dern kommt, herrscht am Alten Hafen eine ange­spannte Atmo­sphäre. Die Polizei ist überall, nach und nach tau­chen dann die poten­ti­elle Kon­tra­henten auf wie Boxer, die langsam auf den Ring zustapfen. Die ein­hei­mi­schen Jugend­li­chen scannen den Platz ab, erste Gruppen Eng­länder und Russen kommen vom Sta­dion zurück. Lange pas­siert nichts, dann, nach Mit­ter­nacht, setzt die Polizei wieder Trä­nengas ein und räumt den Platz. Warum genau ist zunächst nicht ersicht­lich.

Hätte sich die Stadt besser auf die Fans vor­be­reiten müssen?

Am Sonntag ziehen die Russen und Eng­länder weiter. Zurück bleiben viele Fragen. Hätte sich die Stadt besser auf die Fans vor­be­reiten müssen? War die Gewalt ein­fach nicht zu ver­hin­dern, wenn sich zwei Fan­gruppen mit so gewalt­be­reiten und gewalt­be­kannten schwarzen Schafen in einer gewalt­a­ffinen Stadt auf­ein­ander treffen? Wie sehr wirkt das Vor­gehen der Sicher­heits­kräfte als Brand­be­schleu­niger? Und vor allem: war das nun der Anfang oder der Höhe­punkt der Ran­dale in Frank­reich? Aus Nizza kommen schon die nächsten besorg­nis­er­re­genden Mel­dungen: Dort gab es Aus­ein­an­der­set­zungen zwi­schen ein­hei­mi­schen Ultras und Fans aus Nord­ir­land.