Dreimal gewann Jupp Kapellmann mit dem FC Bayern den Europacup der Landesmeister. Nebenbei studierte er Medizin und las Bücher von Kafka.
Jupp Kapellmann, Ihr Transfer 1973 war zu diesem Zeitpunkt mit 900 000 D‑Mark der teuerste der Bundesligageschichte. Paul Breitner sagte trotzdem: „Den Kapellmann brauchen wir gar nicht.“ Wie sind Sie aufgenommen worden?
Mit Paul und dem Herrn Hoeneß war ich immer über Kreuz.
Dabei galten beide, ähnlich wie Sie, als intelligent und ehrgeizig.
Ach, der Paul hatte immer die Mao-Bibel bei sich und ließ Ho Chi Minh hochleben, aber gleichzeitig rauchte er Havannas und stellte sich einen Bentley in die Garage. Da habe ich ihn mal im Mannschaftsbus gefragt, wie er das mit sich vereinbare, wenn er gleich eine Autogrammstunde für eine Raiffeisenbank für 5000 Mark geben und danach linke Parolen von sich geben würde.
In dieser Zeit kamen nur wenige Spieler von außerhalb beim FC Bayern zurecht. Bernd Gersdorff, der mit Ihnen gekommen war, ging bereits in der ersten Saison wieder zurück zu Eintracht Braunschweig. Wie setzten Sie sich durch?
Nur durch Leistung. Und den alteingesessenen Bayern drückte ich auch mal einen Spruch in der Kabine. Dort konnte man es ja nicht haben, dass ich 900 000 D‑Mark gekostet hatte. Also sagte ich: „Jungs, macht euch nichts draus. Irgendwann musste euer Agrarstaat die Entwicklungshilfe halt zurückzahlen.“ (Lacht.)
Sie eckten sofort an?
Ich hatte stets meine Bücher dabei, habe in den Pausen des Trainingslagers gelernt, damit ich meine Examen schreiben konnte. Das mag für Pseudo-Intellektuelle nicht so angenehm sein, wenn das jemand derart vorlebt. Ich glaube, ich bot für die beiden eine willkommene Aggressionsfläche.
Keine einfache Situation.
Ach was, ich habe manchmal Utensilien mit ins Trainingslager gebracht. Ein Gehirn in Formalin, um den Kollegen mal zu zeigen, wo nach Erkenntnisstand die Emotio liegt, was die Amygdala ist oder der Nervus facialis. Aber auch mal ein Kniegelenk, damit die anderen wussten, wie die Kreuzbänder und Menisken funktionieren. Udo Lattek und Dettmar Cramer haben das begrüßt und gesagt, dass so ein bunter Vogel passe. Es war wichtig, dass die Thematik innerhalb einer Mannschaft auch mal aufgelockert wurde und nicht nur Weiber, Börse und Autos auf der Tagesordnung standen.
Möglich, dass das nicht jeder Teamkollege so sah.
Johnny Hansen, Rainer Zobel und auch der Franz (Beckenbauer, d. Red.) waren immer angetan. Aber klar, Hoeneß und Breitner, die ja auch Abitur hatten, denen gefiel das nicht. Die wollten auch brillieren, aber haben gemerkt, dass sie dazu Kontinuität zeigen müssten. Es nützt halt nichts, sich in einen Studiengang einzuschreiben, man muss auch in die Uni gehen.
Wieso interessierten Sie sich schon als Fußballprofi für ein Medizinstudium?
Das begann in meiner Zeit beim 1. FC Köln. Wie viele hatte ich gesehen, die ihre Karriere wegen eines Kreuzbandrisses oder eines instabilen Knies beenden mussten? Als das Angebot aus München kam, die mich unbedingt haben wollten, weil ich so ein harter Gegenspieler war, hatte ich gute Karten. Also habe ich es zur Bedingung gemacht, dass ich studieren darf.
Zeit genug hatten Sie zu Beginn Ihrer Zeit in München. Im Oktober ’73 riss Ihr Kreuzband in einem Länderspiel gegen Österreich.
Es war ein Rückpass vom Franz auf einem Boden, der sich mit Wasser vollgesogen hatte. Der Ball blieb in einer Pfütze hängen, ich sprintete hin und in der Situation fiel der Österreicher Josef Stering auf mein Knie – Kreuzband durch. Ich habe sofort gemerkt, dass da eine Instabilität in meinem Gelenk war.