Der entscheidende Pass, der perfekte Abschluss – das offensive Mittelfeld ist der Tormotor einer modernen Elf. Welche Youngster auf dieser Position vielversprechend sind? Hier kommt der nächste Teil unserer Serie über die besten Talente unter 20.
Nadiem Amiri, 19 Jahre
Straßenfußballer, dieses Prädikat haftet Nadiem Amiri an, seit er sich selbst einmal im Interview so bezeichnet hat. Die Geschichte könnte auch besser nicht sein. Kind afghanischer Einwanderer, geboren in der Industriestadt Ludwigshafen, erste fußballerische Schritte auf Sandplätzen, dann entdeckt, in der Jugend bei mehreren Großen der Region aktiv, Waldhof Mannheim, Kaiserslautern, dann mit 15 Jahren schließlich Hoffenheim.
Dort A‑Jugendmeister, Juniorennationalspieler und schließlich Profi. Als im Sommer 2015 Superstar Roberto Firmino den Club verließ hagelte es Kritik, weil die TSG auf seiner Position nicht nachrüstete. Tatsächlich hatte man zu diesem Zeitpunkt anscheinend schon den damals 18-Jährigen als Nachfolger im Auge. Es sollte ein bisschen dauern, bis es dazu kam, doch unter dem jungen Julian Nagelsmann gelang Amiri vergangenes Jahr endgültig der Durchbruch.
Die häufige Beschreibung als Instinktfußballer, meist in einem Atemzug genannt mit Straßenkicker, trifft dabei nur bedingt zu. Tatsächlich ist Amiri ein moderner 10er, der klug die Räume findet, die Bälle zwischen den Linien fordert und dann gerne mit Tempo auf die Abwehr läuft und dabei die Pässe in die Spitze sucht. Die Gabe, die Lücke dann auch zu finden, hat er, der Rest ist harte Arbeit, für die sich Amiri auch auf seiner Position nicht zu schade ist. Auch wenn er kein ausgewiesener Defensivkünstler ist, auch gegen der Ball ist er immer mit vollem Einsatz bei der Sache, einen Schlendrian kann dem ehrgeizigen Jungen, dessen erklärtes Vorbild Cristiano Ronaldo ist, niemand vorwerfen.
Gerson, 19 Jahre
Fast 17 Millionen Euro ließ sich der AS Rom die Verpflichtung von Gerson im vergangenen Sommer kosten. Der brasilianische Spielmacher spielte zuvor für Fluminense und ist fester Bestandteil der U20-Nationalmannschaft der Seleção. In Italien kommt Gerson aber noch nicht so wirklich zurecht und muss sich taktisch erst noch an die neue Liga gewöhnen. Auch physisch wirkt der schmächtige Offensivspieler hier und da noch überfordert.
Neben der großen Konkurrenz im Mittelfeld der Römer sind das wohl die Hauptgründe für die bislang dürftigen Einsatzzeiten. Da der technisch versierte Gerson aber ohnehin eher ein Versprechen für die Zukunft als eine sofortige Verstärkung sein sollte, sieht er die Situation gelassen: „Ich spiele erst seit einigen Monaten in Italien. Dank der Hilfe des Klubs werde ich stetig besser. Mein Ziel ist es, der Roma in dieser Saison zu helfen“, so der Linksfuß. Um der Roma in dieser Spielzeit noch zu helfen, muss Gerson aber noch an seinen Defensivqualitäten feilen. Die sind in der Serie A nämlich auch für einen brasilianischen Offensivspieler unerlässlich.
Gabriel Boschilia, 20 Jahre
Der offensive Mittelfeldspieler genoss seine Ausbildung beim FC Sao Paulo und war bei den U17-Südamerikameisterschaften im Jahr 2013 in Argentinien einer der auffälligsten Spieler des Turniers. Bei Sao Paulo bekam er – wie viele andere – unter Trainer Muricy Ramalho keine Chance, konnte sich 2015 bei den U20 Campeonato Sudamericano wieder ins Rampenlicht spielen, während Ramalho Sao Paulo verließ und sich damit das Blatt für Boschilia wenden sollte.
Unter dem neuen Trainer blühte Boschilia auf und im Sommer folgte ein neun Millionen-Transfer zum AS Monaco. Der mittlerweile 20-jährige offensive Mittelfeldspieler ist unglaublich schnell, dribbelstark, flink und beidfüßig. Der Brasilianer steht jedoch nicht für Kreativität und großartige Pässe, dafür brilliert er umso mehr mit toller Übersicht in Form eines idealen Blicks für geniale Laufwege. Bereits früh antizipiert er freie Zonen oder Pässe seiner Kollegen und ist damit immer am richtigen Ort für einen Torschuss. Wenn er selbst am Ball ist spielt er seine Gegner mit seinen schnellen Beinen aus und verdreht ihnen mit seiner unglaublichen Beinarbeit und seinen Körpertäuschung den Kopf.
Alleine vor dem Tor kann Gabriel Boschilia links wie rechts ein Tor erzielen, aber auch aus der Distanz weiß Boschilia den gegnerischen Tormann zu überraschen und den Ball im Netz unterzubringen. Voriges Jahr wurde er im Frühling an Standard Lüttich verliehen, um mehr Spielzeit zu bekommen, doch richtig durchstarten konnte er diesen Herbst in Frankreich. Beim AS Monaco hat er zwar starke Konkurrenz und kommt daher nicht so oft zum Einsatz, wie er es gerne hätte, jedoch erweist sich der Brasilianer als effektiv und erzielte in seinen 368 Ligaminuten sechs Tore und machte eine Vorlage. Gabriel Boschilia hat großes Talent und weiß nun auch in Europa zu treffen.
Er braucht jedoch mehr Spielzeit, um sein volles Potential ausschöpfen zu könnten, jedoch fällt er derzeit mit einem Kreuzbandriss aus, den er sich vor ein paar Wochen zugezogen hat, gerade als er mehr in Fahrt kam.
Ante Ćorić, 19 Jahre
Ante Ćorić wechselte, trotz Interesse von großen Vereinen wie Ajax und Barcelona, mit 12 Jahren in die Akademie von Red Bull Salzburg um jedoch im Sommer 2013 mit 16 Jahren wieder nach Kroatien zurückzukehren – dieses Mal zu Dinamo Zagreb, seine Heimat verließ er 2009 von NK Zagreb. In dieser Saison feierte der kreative Offenspieler auch zwei Tage nach seinem 17. Geburtstag sein Profidebüt gegen RNK Split, fünf weitere Einsätze folgten. In der Folgesaison wuchs er immer mehr ins Team und konnte sich einen Stammplatz beim kroatischen Serienmeister erspielen.
Auch in der Saison 2015/16 ging es so weiter: 28 Einsätze in der Liga, Meistertitel und Ante spielte in der Champions League gegen Arsenal, Bayern München und Olympiakos. In den Vorbereitungsspielen zur EM debütierte er auch im Nationalteam und schaffte es in den Kader von Cacic, für Einsatzminuten in Frankreich reichte es aber leider nicht. Diese Saison läuft bei Dinamo alles drunter und drüber: es ist bereits der dritte Trainer im Amt und man könnte das erste Mal seit 2004/05 den Meistertitel verpassen (sechs Punkte Rückstand auf HNK Rijeka).
Ćorić ist mit 19 Jahren Leistungsträger, aber der nächste Schritt lässt irgendwie auf sich warten. Nun muss man erwähnen, dass Luka Modric zum Beispiel erst mit 22 Jahren seine Heimat verlassen hat, aber ein gut überlegter Wechsel im Sommer wäre womöglich kein Fehler. Ćorić ist technisch hochgradig talentiert und spielt auch sehr intelligent. Er weiß wo seine Mit- und Gegenspieler sind und trifft dadurch sehr oft die richtige Entscheidung. Ecken mit dem linken Fuß wie bei Santi Cazorla sieht man von ihm zwar nicht, aber er kann auch seinen an sich schwächeren Fuß sehr natürlich einsetzen. Zwischen den Linien bewegt er sich gut und dadurch, dass er eigentlich jeden Pass im Repertoire hat, ist er auch sehr kreativ.
Seine besten Aktionen starten oft im linken Halbraum, aus dem er gern präzise und druckhaft diagonal andribbelt. Einige Schwächen sieht man im Spiel gegen den Ball: auch wenn er sich intelligent bewegt im Moment des Ballverlusts und Passräume versperrt, fehlt da teilweise die Intensität beziehungsweise auch die „Bereitschaft“ mehr Raum zu überbrücken oder rückwärts zu pressen. Der 19-jährige Kroate ist zweifellos ein Spieler für eine Mannschaft mit Ballbesitzfokus – ob er da für seine Entwicklung die richtige findet beziehungsweise gefunden wird, wird maßgeblich über seine Karriere entscheiden.