Von der Oberliga bis nach Europa: Benjamin Hübner nahm den altmodischen Weg an die Spitze. Mittlerweile ist er fester Bestandteil der Hoffenheimer Dreierkette – und hat es selbst in der Hand, nächstes Jahr wieder europäisch zu spielen.
Benjamin Hübner ist ein kleines bisschen zu alt für die Generation Nachwuchsleistungszentrum. Ginge man nach der heute weitverbreiteten Ansicht „Wer mit 23 den Sprung noch nicht geschafft hat, kann seine Karriere beenden“, würde der gebürtige Wiesbadener heute vielleicht in der Landesliga kicken. Stattdessen spielte er diese Saison mit der TSG Hoffenheim in der Gruppenphase der Europa League.
Statt A‑Jugend-Meisterschaft und Profidebüt mit 17 ist Hübner den altmodischen Weg gegangen. Mit harter Arbeit und Entschlossenheit über die Stationen SV Wehen Wiesbaden, VfR Aalen und den FC Ingolstadt von der Oberliga Hessen bis in die Bundesliga, wo er mittlerweile zum Stammpersonal des Europapokal-Anwärters Hoffenheim gehört.
Der altmodische Weg an die Spitze
Dabei hätte ihm beinahe der eigene Vater Steine in den Weg gelegt. Als 2015 Eintracht Frankfurt mit Vater Bruno Interesse zeigte, war der wenig angetan von der Idee eines Vater-Sohn-Gespanns: „Ich tendiere dazu, es nicht zu tun. Es fällt mir wirklich schwer, das Thema anzugehen. Ich bin da vorsichtig“, hieß es damals vom Eintracht-Manager.
Im Endeffekt wurde so der Weg frei für die TSG. Die bessere Wahl, wie es heute scheint. Findet auch Hübner: „Im Rückblick denke ich, dass ich mit der Entscheidung für Hoffenheim goldrichtig lag.“ Das sehen die Verantwortlichen ähnlich: Hübner habe sich „richtig gut entwickelt“, sagt Alexander Rosen, Direktor Profifußball bei der TSG. Kevin Vogt und Hübner seien „starke Typen, die zu echten Spielerpersönlichkeiten gereift sind – sie stehen für Mentalität pur.“
Dieser Reifeprozess kommt nicht von ungefähr, auch wenn Hübner selbst sagt: „Von so einer Entwicklung träumt man, kann aber nie damit rechnen.“ Hübners Weg an die Spitze war einerseits geprägt von einer fuballverrückten Familie, der eine Bruder Christoph ist sein Berater, der andere Florian Gegner bei Hannover 96 und der Vater im Hintergrund bei der Eintracht (Hübner: „Die Duelle in unserem Garten sind legendär.“). Andererseits von Kampf und harter Arbeit. Genau die Qualitäten, die er Woche für Woche auf den Platz bringt und die für Hoffenheim so wichtig sind.
Mit seiner wandschrankartigen Physis bei 85 Kilogramm gewinnt er über 60 Prozent seiner Zweikämpfe, seine 1,93 Meter sind Kopfball-Gardemaß und die richtige Einstellung bringt er auch mit: „Wenn der Gegner kein Tor schießt und ein Stück weit verzweifelt, macht es mir Spaß“, sagt Hübner. Obwohl er so in 22 Ligaeinsätzen schon auf 40 Fouls kommt, ist die körperliche Präsenz auf der letzten Linie für die TSG essentiell, um ihr Umschaltspiel durchziehen zu können. Ohne aggressive Ballgewinne keine schnellen Gegenangriffe.
Dafür ebenso wichtig: seine gedankenschnelle Spieleröffnung. Die Passquote ist mit 85 Prozent hervorragend für einen Abwehrspieler, häufig macht Hübner das Spiel nach einem Ballgewinn durch intelligentes Stellungsspiel oder gut getimte Grätschen schnell – ganz im Sinne des Trainers. Bietet sich keine nahegelegene Anspielstation, kann er auch aus dem Halbfeld flanken, legte so bereits zwei Mal für die Mitspieler auf.
Auch Rosen sagt über Hübner: „Er ist es gewohnt aggressiv und hoch zu verteidigen, was sehr gut zu unserer Spielidee passt. Er ist äußerst kopfballstark und eröffnet uns als Linksfuß im Spielaufbau außerdem mehr Möglichkeiten.“ Ist der Ball dann in der gegnerischen Hälfte, läuft es dank Nagelsmann-Taktik und technischer Ausnahmekönner wie Serge Gnabry oder Vollstreckern wie Mark Uth in der Regel sowieso recht glatt. Und wenn die Stürmer mal nicht treffen, sichert Hübner vorne per Kopfballtreffer die Punkte, wie gegen Bremen und Augsburg.
Die Null muss stehen
Im Vergleich zur letzten Saison schwächelte die Defensive dieses Jahr allerdings etwas zu häufig, auch weil Hübner zwischendurch verletzt ausfiel. Doch nachdem Hoffenheim zwischendurch den Anschluss an die internationalen Plätze zu verlieren drohte, stehen sie vor diesem Spieltag nur noch zwei Punkte hinter Euro-League-Platz sechs. Dank der starken Abwehr um Benjamin Hübner, die auch in den verbleibenden acht Spielen den Unterschied machen könnte.
So wie in den vergangenen beiden Partien, als die extrem körperlich agierende Dreierkette sicher stand und die „drei Hünen“, wie Augsburg-Trainer Manuel Baum Hübner, Kevin Vogt und Kevin Akpoguma taufte, zwei Zu-Null-Siege gegen Augsburg und Wolfsburg ermöglichten. Bleibt die Dreierkombination hinten drin derart stabil, kann die viertbeste Offensive der Liga mit ihren Qualitäten vorne die Spiele entscheiden. Und Hoffenheim so auf der Zielgeraden der Saison doch nochmal zum Angriff auf die Qualifikation für Europa blasen.
Denn nach dem mit fünf Punkten aus sechs Spielen ziemlich misslungenen europäischen Intermezzo hat die TSG Lust auf Wiedergutmachung. Auch Hübner, der sagt: „Ich würde die Europa-League-Saison gerne mit einer besseren vergessen machen.“ Er hat es selbst in der Hand.