Teil zwei der Serie mit unseren Freunden von Cavanis Friseur. Heute: Die Nachwuchshoffnungen auf der rechten Abwehrseite.
Benjamin Henrichs, 19 Jahre
Technisch starke Außenverteidiger mit entsprechender Dynamik und Qualitäten sind insbesondere in Deutschland rar gesät. Hierzulande verpasste man es eine gewisse Zeit schlichtweg, Außenverteidiger spezifisch auszubilden. Die kommende Generation scharrt jedoch bereits mit den Hufen. Einer von ihnen ist Benjamin Henrichs. Als gelernter Offensivmann warf ihn Leverkusens Trainer Roger Schmidt in dieser Saison ins kalte Wasser.
Da die Außenverteidigerposition gerade für junge Spieler eine gute Möglichkeit darstellt, an das Spiel herangeführt zu werden, da es hier anders als im Zentrum Phasen gibt, in denen man sich „aus dem Spiel nehmen kann“ und entsprechend weniger Verantwortung auf einem lastet. Der 20-Jährige ist bereits in seiner Debütsaison ein fester Bestandteil der Bayer-Elf und das nicht etwa, weil es an Alternativen mangelt.
Henrichs besticht zum einen durch seine gute Dynamik, die er bei seinen klugen Läufen in höhere Zonen sehr stark einbringen kann. Sein natürlicher Drang nach vorn wird dadurch nochmals begünstigt. Was ihn von vielen seiner Außenverteidigerkollegen unterscheidet, ist seine Kombinationsstärke, die er vor allem beim Übergang ins letzte Spielfelddrittel in die Waagschale wirft. Da er von Grund auf eine recht diagonale Ausrichtung im Pass- und Bewegungsspiel besitzt, bietet er für seine Mannschaft eine flexible Option, um am Flügel durchzubrechen und ist dadurch für seine Gegner schwerer auszurechnen.
Insbesondere in statischen Situationen kann Henrichs durch seine Spielstärke dem Spiel wieder Dynamik und Tempo geben, was gerade für das Spiel der Leverkusener essenziell ist. Defensiv erscheint er ebenfalls schon sehr reif und gefestigt. In direkten Zweikämpfen stürzt er nicht kopflos auf den Angreifer drauf, sondern wartet auf den richtigen Moment. Im Pressing ist der Jungnationalspieler sehr raumgreifend und kann in kurzer Zeit viel Raum abdecken, indem er weit herausrückt beziehungsweise bei langen Bällen ins Laufduell geht.
Das Gesamtpaket macht Benjamin Henrichs zu einer der deutschen Hoffnungen auf der Außenverteidigerposition. Das hat auch Joachim Löw schon festgestellt. Bleibt er verletzungsfrei und hat Glück mit seinen Trainern, steht Henrichs eine große Zukunft als einer der besten Außenverteidiger Europas bevor.
Davide Calabria, 20 Jahre
Davide Calabria gehört zu der Sorte Spieler, die schon recht früh recht weit war, aber trotzdem irgendwie lange unterschätzt wurde. Sein Debüt beim AC Milan gab der Außenverteidiger, der lieber rechts aber auch links spielen kann, bereits vor gut eineinhalb Jahren, damals noch unter Filippo Inzaghi. Zunächst kamen dort nicht viele Einsätze dazu, die Anzahl wäre aber vermutlich deutlich höher, hätte sich der 20-Jährige nach einem starken Saisonstart 2016/17 nicht am Fußgelenk verletzt, womit er gut drei Monate pausieren musste. Jetzt ist er ein wenig hintendran und wurde in der Folge mit einigen Vereinen wie Napoli und Cagliari in Verbindung gebracht, Summen bis zu 7 Millionen Euro standen im Raum.
Der italienische U21-Nationalspieler gehört zu der Sorte Außenverteidiger, der seine Stärken vor allem in der Defensive hat. Dabei ist Calabria „nur“ 1,76m groß, verfügt aber über eine gute Grundschnelligkeit und ein exzellentes Timing im Tackling, wodurch er vielen Gegnern gar keinen Raum zur Entfaltung lässt.
Im Offensivspiel sollte er zulegen, das Flanken gehört definitiv nicht zu seinen Stärken. Das wird unter Vincenzo Montella bei der sehr defensiven Milan-Taktik aber auch nur selten von den Außenspielern der Viererabwehrkette gefordert. Dort heißt es hauptsächlich: Gut stehen und abwarten.
Linus Wahlqvist, 20 Jahre
Der schwedische Außenverteidiger war vorige Saison einer der großen Aufsteiger der Allsvenskan. Mit Norrköping holte Wahlqvist 2015 einen Meistertitel und hatte mit seinem offensiven Spielstil und seinen Assists von der rechten Seiten großen Anteil daran. Der Rechtsverteidiger verfügt über eine fantastische Technik und machte sich mit seinen Distanzschüssen in Schweden bereits einen Namen. Nach starken Leistungen bei Norrköping kam er zu zwei Einsätzen in der schwedischen Nationalmannschaft.
Mit seinem Antritt, seiner Technik, seinen zielgenauen Hereingaben von rechts und seinen gezielten Distanzschüssen ist er ein optimaler Spieler für Angriffe, defensiv scheint es ihm jedoch an Durchsetzungsvermögen zu mangeln. Während er mit Zweikämpfen weniger Erfolg hat, weiß er dafür viele Gegenangriffe durch schnelle Sprints und Grätschen zu vereiteln.
Der beidfüßige Verteidiger weiß jedoch nicht nur die Schweden zu überzeugen: In den letzten Wochen zeigten auch Stoke City, Anderlecht und Leeds United Interesse am 20-jährigen Defensivmann. Norrköping will Wahlqvist diesen Winter nicht ziehen lassen, jedoch wäre man bei einem guten Angebot sicher nicht abgeneigt, den Spieler im Sommer in eine bessere Liga ziehen zu lassen.
Hidde ter Avest, 19 Jahre
Der 19-jährige holländische Verteidiger gilt nach Elia, Arnautovic & Co. als „the next big thing“ aus der Talentschmiede von Twente. Seit seinem elften Lebensjahr spielt der Außenverteidiger für die Mannschaft aus Enschede und schaffte in der vorigen Saison endgültig den Durchbruch. Der Holländer ist zwar meist auf der rechten Seiten zu finden, ist mit seinem Fähigkeiten jedoch variabel einsetzbar und so auch in der Innenverteidigung sowie im defensiven Mittelfeld zu finden. Ter Avest ist schnell und defensiv sehr solide. Nur wenige Spieler kommen an dem vorausdenkenden Verteidiger vorbei.
Auch offensiv schaltet sich Ter Avest ein, sei es im Spielaufbau mit Pässen auf den Flügel, um die Flügelstürmer in Szene zu setzen, oder indem er sich nach einer Kombination selbst freiläuft und mit einer schnellen Hereingabe ein Tor vorlegt.
Hidde ter Avest ist eine interessanter, schlauer Spieler und vereint ideal die Stile eines modernen und eines konservativen Verteidigers. Nichstdestotrotz war er bisher kein Thema für die holländische Nationalmannschaft. Sollte er jedoch weiterhin so gute Leistungen bringen, wird er zum einen nicht mehr lange „nur“ für Twente spielen, zum anderen auch eine Option für die Oranje werden.
Pascal Stenzel, 20 Jahre
Deutschland, Land der Rechtsverteidiger? Tatsächlich, in der Nationalmannschaft sind die Außenverteidiger seit einiger Zeit Problemposition, doch Nachwuchs naht, rechts hinten hat es mit Pascal Stenzel der nächste Deutsche in unsere Liste geschafft. Daneben reiht er sich in eine weitere prominente Riege ein: zum Außenverteidiger umgeschulte Mittelfeldspieler.
Tatsächlich spielte der Ostwestfale in der Jugend meistens in der Mittelfeldzentrale, die Bundesliga erobert er nun aber beim SC Freiburg, wohin er aus Dortmund ausgeliehen ist, auf der rechten Seite, ab und an auf Rechtsaußen, zumeist jedoch als Außenverteidiger.
Unter Trainer Christian Streich ist der 20-Jährige gesetzt und mit seiner Passsicherheit und Übersicht ein wichtiger Bestandteil des Spielaufbaus der Breisgauer und auch defensiv sehr diszipliniert. Was ihm für die Position an der Linie etwas abgeht ist die Geschwindigkeit, seiner Interpretation des Außenverteidigers ist die Vergangenheit im Zentrum durchaus anzumerken.
Eine Vergangenheit, die auch wieder Zukunft werden könnte, Stenzel selbst hat wiederholt geäußert, sich mittelfristig in der Mittelfeldzentrale zu sehen. Die Gegenwart jedenfalls sieht einen Rechtsverteidiger – und das ausgesprochen erfolgreich.
Pol Lirola, 19 Jahre
650.000 Euro ließ sich Juventus Turin im Jahr 2015 die Dienste von Espanyol Barcelonas Eigengewächs kosten. Die Bianconeri statteten den heute 19-jährigen Rechtsverteidiger mit einem bis 2020 gültigen Vertrag aus und verliehen ihn zwecks Spielpraxis im Sommer 2016 für zwei Jahre zu US Sassuolo. Bislang ist das Geschäft für alle Seiten ein voller Erfolg, aber vor allem für Pol Lirola selbst.
Der Spanier spielte in dieser Saison schon über zwanzigmal in Serie A und Europa League für die Mannen von Eusebio Di Francesco, der dafür bekannt ist, ein gutes Auge für die Entwicklung talentierter Spieler zu haben. Wenn es eine klassische spanische Außenverteidiger-Schule geben würde, hätte Lirola sie durchlaufen. Will heißen: Sein Spielstil ist durchaus mit dem eines Jordi Alba oder Juan Bernat vergleichbar. Lirola ist schnell, technisch äußerst beschlagen und schaltet sich gern in die Offensive mit ein.
Aufgrund seiner Tempodribbling-Fähigkeiten kann er durchaus den einen oder anderen Gegenspieler stehen lassen und findet meist mit einer Flanke oder einem Kurzpass sein nächstes Ziel. Tacklings setzt er gezielt ein und hat so auch im defensiven Zweikampf oft die Nase vorn – allerdings nicht so sehr in der Luft, trotz seiner 1,83m Körpergröße.