Der TSV 1860 München ist seit Jahren an Kuriosität kaum zu überbieten. Vor dem heutigen Derby mit dem FC Bayern II ist mit dem freiwilligen Abgang von Klubikone Daniel Bierofka das Chaos zurück.
Die Positionen der beiden Fanorganisationen entfernten sich zuletzt immer weiter voneinander: In der Westkurve im Grünwalder Stadion, dort, wo die Ultras stehen, singen sie seit ein paar Jahren das sogenannte Scheich-Lied: „Scheiß auf den Scheich, scheiß auf sein Geld.“ Im Rest des Stadions beteiligen sich dann einige an den Gesängen – und andere pfeifen die eigenen Fans aus.
Ismaik tat daraufhin in diesem Sommer in der Münchner „Abendzeitung“ kund, die Bosse bei 1860 seien Rassisten. Als Beleg führte er an, Präsident Robert Reisinger hätte sich nie von dem Text des Scheich-Lieds distanziert. „Das ist das Schlimmste, was ich in meiner Laufbahn erlebt habe“, sagt Wettberg. „Die Leute stehen gegeneinander, obwohl sie Anhänger desselben Vereins sind.“
Mit Bierofka ging die letzte Identifikationsfigur
Da ist es für den Verein gerade besonders schmerzlich, dass Bierofka den Klub verlassen hat. Er war die letzte Identifikationsfigur, einer, den alle mochten. Die Fans, die Mannschaft, der Investor. Er selbst war der größte Fan des Klubs. Vielleicht war es ihm zu viel, dass er gerade in den vergangenen Monaten mehr und mehr instrumentalisiert wurde im klubpolitischen Streit. Nach seinem letzten Spiel als Trainer beschwerte sich Bierofka darüber, dass Interna ausgeplaudert würden. „Lange schau ich mir das nicht mehr an. Das weiß ich“, sagte er. Wettberg spricht gar von Mobbing.
In einer ellenlangen Pressemitteilung des TSV 1860 zu seinem Abschied stand dann, Bierofka sei „der Anker für das taumelnde Schiff“ gewesen (Michael Scharold, Geschäftsführer Finanzen), „ein unglaublicher Fachmann an der Linie“ (Günther Gorenzel, Sportchef) und „das Gesicht des Vereins“ (Robert Reisinger, Präsident). Und Ismaik schrieb auf Facebook: „Das Ausscheiden von Bierofka müssen die Menschen verantworten, die ihn (…) ohne Rücksicht auf Verluste hinterhältig bekämpft haben.“
Vor ein paar Wochen hatte das Präsidium noch verlauten lassen, Sechzig werde auch ohne Bierofka existieren. Damals ging es noch um machtpolitische Spiele, jetzt ist es Realität. Michael Köllner hat nun die schwere Aufgabe, zu vermitteln. Zwischen Investor und Präsidium und den Fans. Wettberg wünschte dem neuen Trainer „viel Glück und alles Gute“. Das könne er brauchen, denn: schwierig würde es für ihn ohnehin. Am Sonntag steht dann das erste Spiel unter der Leitung Köllners an: das Derby gegen die kleinen Bayern. Karsten Wettberg wird dann auch wieder im Stadion sein. Er sagt: „1860 ist wie Rauschgift.“