Die Offenbacher Kickers sind ein Traditionsverein, der auf eine bewegte Geschichte verweisen kann – auch im DFB-Pokal. Vor dem heutigen Spiel gegen den VfL Wolfsburg blicken wir zurück auf die legendärsten Pokalspiele des OFC.
Die Fans der Offenbacher Kickers haben es nicht leicht. In den fünfziger und sechziger Jahren stand der OFC quasi auf einer Stufe mit dem großen Rivalen aus Frankfurt und nicht wenige behaupten: sogar darüber. Und trotzdem wurde den Kickers 1963 im Gegensatz zur Eintracht der Zugang zur neugegründeten Bundesliga verwehrt. „Zwei Bäcker in einer Straße sind einer zu viel“, hieß es aus dem DFB-Ausschuss. Die Kickers mussten den schmerzhaften Gang in die unterklassige Regionalliga antreten – ein Schmerz, der beim zweimaligen Deutschen Vizemeister immer noch nachhallt. Die spärliche Zeit, die der OFC in den Siebzigern und Achtzigern in der Bundesliga verbrachte, ist überschattet vom unrühmlichen Bundesliga-Skandal 1971, in den die Kickers verwickelt waren. Seit dem letzten Abstieg 1984 haben die Kickers den Weg ins Oberhaus nicht wiederfinden können. Zum Glück gibt es den DFB-Pokal, denn dort sorgten die Offenbacher in verlässlicher Regelmäßigkeit für Sensationen.
29. August 1970, Finale
Die 112-jährige Geschichte des Offenbacher Fußball Club Kickers 1901 e.V. ist an Highlights so reich, wie sie an Titeln arm ist. Größter Erfolg in der Vereinsgeschichte war der Gewinn des DFB-Pokals 1970, als man sensationell den favorisierten 1.FC Köln mit 2:1 in die Knie zwang. Noch als Regionalligist hatte man sich für das Pokalfinale qualifiziert, da das Finale wegen der Weltmeisterschaft in Mexiko in den August verlegt worden war, gewann man den Pott als frischgebackener Bundesligist.
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05. April 1970, Viertelfinale
Bereits auf dem Weg ins Finale hatte sich der OFC als waschechter Favoritenschreck entpuppt. Die Mannschaft besiegte 1860 München, Borussia Dortmund, den 1.FC Nürnberg und Eintracht Frankfurt . Insbesondere der Sieg gegen die Eintracht muss dabei eine Genugtuung gewesen sein. Im Frankfurter Waldstadion watschte man den ungeliebten klassenhöheren Bruder aufs Deftigste ab. Eintracht-Trainer Erich Ribbeck hatte sich zu dem Experiment hinreißen lassen, Stürmer Bernd Hölzenbein als Libero aufzubieten, was der OFC mit drei Toren in den ersten 20 Minuten quittierte. Eine schmerzhafte 0:3‑Niederlage für die Eintracht vor fassungslosen 60.000 Zuschauern. Den Weg bereitete damals übrigens ein junges Talent, das man heute getrost ein „Kind der Bundesliga“ nennen darf: In der sechsten Minute schoss der 20-jährige Winni Schäfer das wichtige 1:0.
18. April 1973, Viertelfinale
Ebenso legendär wie der Triumph im Frankfurter Waldstadion ist der Sieg gegen Bayern München im Viertelfinale der Saison 1972/73. Der Underdog aus Offenbach musste nach gewonnenen Spielen gegen St. Pauli und den Wuppertaler SV gegen die Bayern antreten. Im Hinspiel des damals noch in Hin- und Rückspiel ausgetragenen Wettbewerbs hatte man zuhause ein respektables 2:2 erreicht. Für das mit Europameistern wie Maier, Beckenbauer, Breitner, Hoeneß und Müller gespickte Team aus München schien das Rückspiel im heimischen Olympiastadion ein Selbstläufer zu sein, schließlich war man amtierender Deutscher Meister und führte erneut souverän die Tabelle an. Aber wieder ging der OFC mit 3:0 in Führung. Die Bayern kamen zwar noch auf 2:3 ran, Manfred Ritschel machte aber in der 88. Minute mit dem 4:2 alles klar. Genutzt hat es letztlich nichts. Das Halbfinale gegen den 1.FC Köln ging mit 0:5 und 1:1 mächtig in die Hose.
28. März 1990, Halbfinale
Ein Novum in der Pokalgeschichte schafften die Kickers in der Saison 1989/90. Nachdem man die Bundesligisten Bayer 05 Uerdingen, Borussia Mönchengladbach und Zweitligist MSV Duisburg ausgeschaltet hatte, zog man als erster Drittligist in der Historie des DFB-Pokals ins Halbfinale ein. In einem hitzigen Spiel am heimischen Bieberer Berg unterlag man dem Bundesligisten aus Kaiserslautern denkbar unglücklich mit 0:1. Tom Dooley hatte die Pfälzer mit einem Elfmeter in Führung gebracht, die Kickers konnten nicht mehr ausgleichen. „Ich habe bis zum Schlusspfiff gebangt. Der OFC hat gut gespielt“, zeigte sich Lauterns Meistertrainer Kalli Feldkamp hinterher gönnerhaft. Für den finanziell angeschlagenen Drittligisten wäre ein Finaleinzug ein wohlig warmer Geldregen gewesen. Präsident Schulze gab damals unumwunden zu: „Wenn wir ins Endspiel kämen und gewinnen würden, wären wir alle Sorgen los. Mir persönlich wäre das wichtiger als der Aufstieg in die Zweite Liga.“ Geklappt hat schließlich beides nicht.
24. August 1993, 1. Runde
Mitunter sind es kuriose Dinge, die einem einen Platz in der Vereinshistorie sichern. So geschehen bei Günter Albert, der sich in der ersten Pokalrunde 1993 in die Annalen des Vereins schoss. Der OFC hatte zum Auftakt des Wettbewerbs den Zweitligisten SV Meppen zu Gast. Als die Meppener in der 80. Minute das 2:0 schossen, schien der Abend für die Kickers eigentlich gelaufen zu sein. In der 90. Minute aber traf Mittelfeldspieler Hartmann zum 1:2, die Kickers warfen verzweifelt alles nach vorne. Einen schlampigen Rückpass wollte Meppens Keeper Manfred Kubik möglichst weit auf die Tribüne bolzen, auf dass die Nachspielzeit endlich vorbei sein möge. Allerdings sprang ihm Günter Albert dazwischen, bekam den Ball an den Allerwertesten und netzte aus immerhin 20 Metern auf eher unkonventionelle Art und Weise zum Ausgleich ein. Bis heute ist sein Treffer in Offenbach als das „Arschtor“ bekannt. In der Verlängerung legten die Kickers noch zwei Tore drauf und zogen in die nächste Runde ein – auch und vor allem wegen Alberts Arsch.
27. Oktober 2010, 2. Runde
Der bislang jüngste Pokal-Coup des Favoritenschrecks aus Offenbach liegt noch nicht allzu lange her. Nachdem man in der ersten Runde den VfL Bochum ausgeschaltet hatte, kam zur zweiten Runde der spätere Deutsche Meister aus Dortmund an den Bieberer Berg. Mit einer Mischung aus Kampfgeist, taktischer Disziplin und einem blendend aufgelegten Robert Wulnikowski im Tor ackerte man sich zu einem 0:0 nach 90 und schließlich auch nach 120 Minuten. Im anschließenden Elfmeterschießen gewann man 4:2, Wulnikowski hielt gegen Lucas Barrios und Robert Lewandowski und wurde endgültig zum Held. „Das war heute hart, richtig hart für uns“, gab ein sichtlich mitgenommener Jürgen Klopp nach Spielende zu Protokoll. Wulnikowski übrigens steht auch heute Abend im Tor. Vielleicht ein gutes Omen, denn den Weg nach Berlin kennt der deutsch-polnische Keeper bestens: 2001 zog er mit seinem damaligen Klub Union Berlin ins Pokalfinale ein – als Drittligist.