Der russische Fußballverband hat im Vorlauf der WM einen Anti-Rassismus-Beauftragten benannt, der die Existenz von Rassismus im Fußball seines Heimatlandes bezweifelt.
Alexej Smertin hat während seiner Karriere viel erreicht. Der 55-malige russische Nationalspieler holte neben dem Pokal in seinem Heimatland auch den Coupe de France mit Girondins Bordeaux und gewann den englischen League Cup als Spieler des FC Chelsea. Auch den Premier League-Titel 2005 konnte er mit Chelsea gewinnen.
Nach seiner Karriere ging er in die Politik, aktuell sitzt er als Abgeordneter im Parlament der Region Altai und ist nebenbei Botschafter für die Weltmeisterschaft 2018, die in Russland stattfinden wird. Seit neuestem hat er noch einen Posten inne: Smertin ist Beauftragter für Anti-Rassismus des Russischen Fußballbunds (RFS).
Eigentlich sind das gute Nachrichten, zeugt es doch davon, dass man beim RFS das Rassismus-Problem nicht totschweigt. Ob Smertin allerdings der richtige Mann für die Stelle ist, betrachtet man die Aussagen, die er in der Vergangenheit zu diesem Thema getroffen hat.
Bananenwürfe aus Spaß?
„Es gibt keinen Rassismus in Russland, definitiv nicht. Und Sie wissen, dass er nicht existiert“, kommentierte er 2015 in einem BBC-Interview zu den Problemen in seinem Heimatland. „Es verhält sich wie mit der Mode. Er kommt von außerhalb, aus anderen Ländern.“
Dass russische Fans beim Champions League-Vorrundenspiel zwischen FK Rostow und PSV Eindhoven im September 2016 Bananen in Richtung schwarzer Spieler von PSV warfen, scheint Smertin nicht als Rassismus zu werten. Im BBC-Interview sagte er zu ähnlichen Vorkommnissen, die Fans würden das „aus Spaß“ machen.
Rassistische Gesänge, wie zum Beispiel am 20. September 2014 gegen Dynamo Moskaus Christopher Samba (ehemals Hertha BSC) durch Fans von Torpedo Moskau, bewertete Smertin damals als Ablenkungsversuche. Persönliche Beleidigungen seien das nicht.
Dazu passen Smertins Aussagen nach seiner Benennung: Als Anti-Rassismus-Beauftragter werde er sich „voll und ganz dafür einsetzen, dass Rassismus und Diskriminierung aus der Geschichte, die der Fußball in meinem Land schreibt, rausgehalten werden.“ Das kann man natürlich durch Leugnen erreichen. Die Probleme lassen sich so aber nicht lösen.
Das Aktionsbündnis Football Against Racism in Europe (FARE) hat für die Saison 2014/15 ganze 92 Fälle von Diskriminierung im russischen Fußball dokumentiert. Die Liste reicht von neo-nazistischer Symbolik und rassistischen Gesängen bis hin zu gewalttätigen Attacken auf politische Gegner und nicht-weiße Menschen und Fußballer.
Ein weiterer von FARE miterstellter Bericht listet über 200 Fälle für den Zeitraum von Mai 2012 bis Mai 2014 auf. Im Juli 2015 äußerte sich auch der Brasilianer Hulk zu der Problematik, damals noch in Diensten von Zenit St. Petersburg. Er erfahre rassistische Beleidigungen in „fast jedem Spiel“, gab er damals resigniert zu Protokoll. „Früher wurde ich wütend, heute weiß ich, dass das nichts bringt.“
Hulk kommentierte auch einen Vorfall vom selben Monat, als der Ghanaer Emmanuel Frimpong in Form von „Affe“- und „Uh Uh Uh“-Rufen beim Spiel seines FK Ufa gegen Spartak Moskau beleidigt wurde. Er reagierte, indem er den Rassisten den Mittelfinger zeigte, was ihm eine Sperre für zwei Spiele einbrachte und von seinem eigenen Verein vorgeworfen wurde.
Der Russische Fußballbund steckt im Dilemma
Hulk sagte, er sei verwundert, dass Ufa nichts unternommen habe. Das kam beim russischen Fußballverband nicht gut an. Dessen Ehrenpräsident Wjatscheslaw Koloskow erklärte damals, die Vorfälle gingen Hulk nichts an. An der anstehenden Gruppen-Auslosung für die WM nahm der Stürmer dann plötzlich nicht mehr Teil. Seinen Platz nahm ein ehemaliger russischer Nationalspieler ein: Alexej Smertin.
In einer Erklärung auf der RFS-Website ließ der neue Anti-Rassismus-Beauftragte nach seiner Ernennung verlauten, Russland solle ein „Beispiel für globale Toleranz auf und neben dem Spielfeld sein“ und werde das definitiv zeigen.
Der Fußballverband spielt dabei eine entscheidende Rolle, befindet sich aber in einem Dilemma. Rassistische Beleidigungen und die Existenz rechtsradikaler Fans anzuerkennen, würde einen Schatten auf den Fußball im größten Land der Welt werfen, den man vor WM und Confed Cup vermeiden möchte. Aber: Wie möchte man diese Probleme bekämpfen, wenn man ihre Existenz leugnet? Darüber wird sich Smertin noch länger den Kopf zerbrechen müssen.