Vor 30 Jahren starb der legendäre United-Trainer Matt Busby. Traurige Berühmtheit erlangte er auch deshalb, weil 1958 acht seiner Spieler bei einem Flugzeugunglück ums Leben kamen. Das ist die Geschichte der Busby Babes.
Zum Flugkapitän war James Thain bestimmt worden, die wohl tragischste Figur unter allen Überlebenden des Crashs. Trotz seiner erst 36 Jahre war er bereits Vorsitzender der britischen Pilotenvereinigung BALPA, ein Beleg für seine hervorragende Qualifikation. Als Copilot hatte Thain seinen alten Freund Ken Rayment angefordert, selbst Flugkapitän, zudem älter und erfahrener. Damals schrieben die Bestimmungen der BEA vor, dass der Flugkapitän immer den linken und der Copilot den rechten Sitz im Cockpit einnehmen müssen, die Vorschriften der übergeordneten zivilen Luftaufsichtsbehörde erlaubten jedoch einen Platztausch. Für die späteren Ermittlungen war dieser Widerspruch in den Dienstvorschriften von zentraler Bedeutung und für die BEA der ideale Ansatzhebel, um Thain als grundsätzlich unzuverlässig darzustellen. Denn Thain hatte sich mit Rayment intern dahingehend abgesprochen, dass er während des Hinflugs links sitzen werde, beim Rückflug aber auf der rechten Seite, dem Platz des Copiloten. Anders als man ihm später unterstellen wollte, blieb Thain aber trotz des Platztauschs Kapitän, der das Sagen hatte.
Landung ohne Probleme
Während des Rückflugs verschlechterte sich das Wetter kontinuierlich. Für den Münchner Raum wurden 5000 Meter dicke Schneewolken gemeldet. Daher schaltete Thain während des Sinkflugs zur Zwischenlandung die Enteisungsanlage ein, die heiße Luft über Tragflächen und Heck blies. Trotz der schlechten Sichtverhältnisse gelang die Landung um 13.10 Uhr ohne Probleme. Die Passagiere verließen die Maschine und begaben sich zu Fuß in die Lounge der Abfertigungshalle, wo Erfrischungen gereicht wurden. Um wegen des Schneefalls, der mit jedem Moment heftiger wurde, schnellstmöglich wieder in die Luft zu kommen, wählte man die schnellere Methode über die obenliegenden Notfüllstutzen, statt der sonst üblichen Druckbetankung von unterhalb der Tragflächen. Durch die kurze Dauer des Zwischenstopps wurde gewährleistet, dass die Tragflächen warm und eisfrei blieben. Aber auch weil beim Betanken ja mehrere Männer von der Bodencrew auf die Tragflächen gestiegen und darauf herumgelaufen waren, ohne ins Rutschen zu kommen, verzichteten Thain und Rayment beim Start auf ein erneutes Enteisungsverfahren. Schon allein deshalb war es völlig unverständlich, dass die deutschen Untersuchungsbeamten, als sie viele Stunden später an der Unglückstelle eintreffen, fast automatisch von vereisten Tragflächen als Ursache des Crashs ausgingen. Geschah dies, um von Anfang an davon abzulenken, dass die Startbahn nicht vom Schnee geräumt worden war? Damals galt eine Schneehöhe von bis zu zwei Zentimetern als ungefährlich. Auf dem Rollfeld war ein Auto im Einsatz, dessen Fahrer in regelmäßigen Abstand die Schneehöhe überprüfte, außerdem hielten andere Maschinen die Bahn durch Starts und Landungen benutzbar. Harry Gregg jedoch gab später an, schon beim ersten Startversuch sei neben den Fenstern so viel Schneematsch in die Höhe gespritzt, dass man glauben konnte, ein Flugboot versuche abzuheben. Eine Schneehöhe im Toleranzbereich war günstigstenfalls auf jenen ersten zwei Dritteln der 1900 Meter langen Startbahn anzutreffen, die ständig benutzt wurden. Auf dem letzten Drittel, auf das „Zulu Uniform“ beim fatalen dritten Versuch geriet, war sie mit Sicherheit höher.
Nachdem die Tanks voll und alle Passagiere wieder an Bord waren, erfolgte um 14.19 Uhr die erste Startfreigabe. Elf Minuten später verließ „Zulu Uniform“ die Startposition und rollte langsam an. Rayment und Thain schoben gemeinsam die beiden Gashebel nach vorne. Während das Flugzeug Fahrt aufnahm, aber noch weit von „VI“ – der Entscheidungsgeschwindigkeit, bei deren Erreichen es zu spät ist, den Start noch abzubrechen, weil der Rest der Rollbahn für den Bremsweg zu kurz ist – entfernt war, änderte sich das Triebwerkgeräusch und die Druckanzeigen der Instrumente begannen zu zittern. Thain und Rayment brachen den Start ab. Noch bevor also überhaupt zum Problem werden konnte, dass das hintere Drittel der Startbahn mit Schnee bedeckt war, sahen sich die beiden Piloten mit einem technischen Problem ihrer Maschine konfrontiert. Das war jedoch noch kein Grund zu größerer Besorgnis, denn wie Thain später angab, kannten die Piloten diesen Druckverlust bei der Startbeschleunigung schon von anderen Maschinen. Die Ursache war ein zu fettes Treibstoffgemisch, durch das die Treibstoffverteilung durcheinander geriet und die Leistung sank. Die Piloten konnten dem entgegenwirken, indem sie die beiden Gashebel besonders langsam nach vorne drückten. Schon kurz darauf, um 14.34 Uhr, erteilte der Kontrollturm die zweite Startfreigabe. Wie geplant drückten Thain und Rayment diesmal die Gashebel langsamer nach vorn, woraufhin der Steuerbordmotor auch den korrekten Ladedruck anzeigte, der Backbordmotor jedoch nicht. Wieder wurde der Start etwa in der Mitte der Rollbahn abgebrochen. Rayment informierte die Passagiere über das technische Problem, dann rollte „Zulu Uniform“ zum Flugsteig zurück. Die Passagiere wurden zum Terminal zurückgeleitet. Nicht wenigen von ihnen war jetzt mulmig zumute, was aber zumindest die Fußballer mit flapsigen Bemerkungen zu überspielen versuchten. Einige von ihnen gingen, auch weil das Schneetreiben immer dichter wurde, fest davon aus, dass an diesem Tag kein weiterer Startversuch mehr riskiert werden würde. Die Mannschaft würde wohl die Nacht in München verbringen und erst am Freitag nach Manchester heimkehren. Das zu tragischer Berühmtheit gelangte Telegramm etwa, das Duncan Edwards an seine Zimmerwirtin schickte („All flights cancelled. Flying tomorrow“), wurde in der Viertelstunde zwischen dem zweiten und dritten Startversuch aufgegeben. Und auch einige der Journalisten riefen in ihren Redaktionen an, um über den auf den kommenden Tag verschobenen Rückflug zu informieren. Während Tommy Taylor und Eddie Colman den letzten Schluck Tee ihres Lebens tranken, kam es im Cockpit zu einer Diskussion zwischen den beiden Flugkapitänen und dem nach München abkommandierten Ingenieur der Fluglinie BEA, Black. Es gab, da waren sich alle drei einig, nur zwei Alternativen: Entweder eine komplette Neueinstellung beider Triebwerke oder, weil das langsamere Gasgeben ja einen Teilerfolg gebracht hatte, einen dritten und definitiv letzten Versuch mit noch stärker verzögerter Beschleunigung.
Der letzte Versuch
Thain und Rayment wagten den letzten Versuch. Das Vorhaben verlängerte zwar die Startstrecke, doch die Rollbahn schien ihnen dafür lang genug. Und was den Schnee auf dem letzten Teil der Rollbahn anging, nahmen sie wohl an, dass, solange die Tragflächen eisfrei waren, das Flugzeug durch die Dynamik des Starts abheben könnte. Diese heute gespenstisch naiv anmutende Theorie sollte Minuten später pulverisiert werden. Um 14.58 Uhr erbat „Zulu Uniform“ zum dritten Mal Starterlaubnis, die vier Minuten später erteilt wurde. Es war genau 15 Uhr, drei Minuten und sechs Sekunden, als sich das Flugzeug in Bewegung setzte. Mit jetzt noch zögerlicher geöffneten Gashebeln war die Beschleunigung extrem langsam. Wieder trat ein Druckverlust auf, den die Piloten aber unter Kontrolle bekamen. Die Instrumente beider Triebwerke zeigten konstant den gewünschten Ladedruck von 57,5 Inches an. Als der Geschwindigkeitsmesser 117 Knoten vorwies, rief Thain laut „VI“. „Zulu Uniform“ musste abheben. Doch in diesem Moment gerieten sie auf den unberührten Schnee, der das letzte Drittel der Rollbahn bedeckte. Sofort fiel die Geschwindigkeit dramatisch auf 105 Knoten. Das Bugrad schien geradezu an der Piste zu kleben. In einem verzweifelten Versuch, doch noch in die Luft zu kommen, riss Rayment das Steuerhorn zurück, während Thain gleichzeitig das Fahrwerk einzog. Etwa drei Sekunden lang schien alles gut zu gehen, doch „Zulu Uniform“ kam nicht hoch genug, um den Maschendrahtzaun zu überqueren, der das Flughafengelände etwa 200 Meter hinter dem Ende der Rollbahn begrenzte. Das Flugzeug durchschlug den Zaun, sackte dabei auf den gefrorenen Erdboden zurück und brach nach rechts aus. Mit eingezogenem Fahrwerk und hohem Tempo rutschte es auf eine Gruppe Bäume zu, die unmittelbar vor einem kleinen Wohnhaus standen. Beim Aufprall gegen die Bäume riss ein großes Stück der linken Tragfläche ab, der freigesetzte Treibstoff setzte sofort das Haus in Flammen. Von der sechsköpfigen Familie Winkler, die darin wohnte, waren zum Zeitpunkt des Unglücks die Mutter und drei kleine Kinder anwesend. Maria Winkler warf, bevor sie sich selbst rettete, die zwei kleinsten Kinder aus einem Fenster in den Schnee. Dem dritten, das damals vier Jahre alt war, gelang es aus eigener Kraft, der Flammenhölle zu entkommen. Wie durch ein Wunder blieben alle unverletzt. „Zulu Uniform“ rutschte weiter und rammte zunächst einen weiteren Baum, der die linke Seite der Pilotenkanzel eindrückte und Ken Rayment die Verletzungen zufügte, denen er zwei Wochen später erliegen sollte. Anschließend knallte die Maschine mit der rechten hinteren Seite auf einen Garagenschuppen, in dem Reifen gelagert waren. Sowohl der Schuppen als auch ein daneben abgestellter LKW-Anhänger fingen Feuer. Die Kollision war so stark, dass das Flugzeug auseinanderbrach und das komplette Heck in dem Hindernis stecken blieb. Der vordere Teil des Rumpfes schlitterte kreiselnd ein Stück weiter und kam schließlich zum Stillstand. Fast alle Überlebenden erwähnten hinterher übereinstimmend die gespenstische Ruhe, die urplötzlich für einige Momente herrschte. Die meisten Passagiere, die im lichterloh brennenden Heck saßen, hatten keine Chance. Hier, wo auch Duncan Edwards seinen Platz hatte, starben unter anderem Tommy Taylor, Mark Jones, Eddie Colman und David Pegg. Der Flügelstürmer hatte sich erst nach dem zweiten Startversuch in den hinteren Teil der Maschine begeben, weil es dort angeblich sicherer sei.
Todesmutige Rettungen
Da von den Besatzungen abgeschossener RAF-Bomber überdurchschnittlich viele Heckschützen überlebt hatten, war in England der Glaube verbreitet, dass man bei Flugreisen möglichst weit hinten sitzen sollte. Einige der etwa in Höhe der Tragfläche sitzenden Reisenden wurden beim Auseinanderbrechen der Maschine ins Freie geschleudert, teilweise mitsamt ihrer Sessel. Dieses Schicksal war in einigen Fällen ein Todesurteil, in anderen die Rettung. Roger Byrne brach sich auf diese Weise das Genick, Bobby Charlton, der mehr als hundert Meter weit vom Wrack entfernt gefunden wurde, blieb bis auf eine leichte Kopfwunde, die ihm ein Gepäckstück zugefügt hatte, körperlich unverletzt. Matt Busby flog ohne Sitz in den Schnee und zog sich dabei schwerste Quetschungen des Brustkorbes und zahlreiche Knochenbrüche zu. Je weiter vorn man seinen Platz hatte, desto größer waren die Überlebenschancen. Hier saßen auch die drei Männer, die den Schock überwanden und ohne Rücksicht auf die eigene Sicherheit spontane Hilfe leisteten, wodurch sie etlichen Menschen das Leben retteten. Es waren Pilot James Thain, Torwart Harry Gregg und der Fotograf Peter Howard, denen die Nachwelt auch die prägnantesten Schilderungen von der Szene unmittelbar nach dem Crash verdankt. Thain reagierte als erster. Nachdem er begriffen hatte, dass er Rayment, der im Cockpit festgeklemmt war, nicht alleine befreien konnte, schnappte er sich die beiden an Bord befindlichen Feuerlöscher und kletterte ins Freie. Während er einige kleinere Brände, die um das Bugteil herum aufzulodern begannen, löschte, brüllte er alle Überlebenden, die teilweise verwirrt herumirrten, an, sofort wegzurennen. Thain war wohl als einzigem klar, dass wegen der Unmengen von ausgelaufenem Treibstoff jeden Augenblick das gesamte Bugteil des Wracks in die Luft fliegen konnte. Doch da fiel ihm Gregg barsch ins Wort, der im Gegensatz zu Thain gesehen hatte, wie viele Passagiere noch eingeklemmt in der Maschine eingesperrt waren. Thain reagierte mit der Professionalität seines Berufstandes, Gregg so bedenkenlos draufgängerisch wie auf dem Fußballplatz. Wenn ein Teilaspekt des Munich Air Crash auch in der Erinnerung zahlloser Menschen, die nicht das geringste mit Fußball am Hut haben, die Zeit überdauert hat, dann der, dass Harry Gregg zweimal todesmutig zurück ins hochgradig explosionsgefährdete Wrack kletterte und erst ein 20 Monate altes Baby, das leider so schwere Gesichtsverletzungen erlitten hatte, dass es ein Auge verlor, und dann dessen Mutter aus den Trümmern holte. Bei den auf solch heldenhafte Weise Geretteten handelte es sich um Vera Lukic, die Frau eines in London stationierten jugoslawischen Diplomaten, und ihre kleine Tochter, zwei der wenigen Passagiere, die nichts mit dem Reisetross der Reds zu tun hatten. Während Harry Gregg sein Heldenstück absolvierte, befreite Howard Albert Scanlon und Ray Wood, der unter dem Metallkoffer begraben lag, in dem sich die Spielkleidung der Busby Babes befand. Zusammen mit Fotograf Ellyard und Verteidiger Foulkes leiteten Thain, Gregg und Howard dann die Erstversorgung der Schwerverletzten wie Johnny Berry und Jackie Blanchflower ein.