Er war Weltpokalsiegerbesieger, Pokerspieler, Bestatter, Postbote und Küchenhilfe. Heute hat er Geburtstag. Nico Patschinski über Marihuana auf St. Pauli, ein fehlendes Tor in Trier und sein abwechslungsreiches Berufsleben.
In der „Bild“-Zeitung stand, Sie lebten damals in einer Einzimmerwohnung und gingen in Second-Hand-Läden einkaufen. War das Gehalt so schlecht?
Ich lebe heute noch in einer Einzimmerwohnung. Ist doch okay. Ich kann mich eh nur in einem Zimmer aufhalten. Die Second-Hand-Sache stimmt nicht ganz. Ab und zu schauten wir bei Sergej Barbarez oder anderen HSV-Profis, was die so tragen. Die Ernüchterung kam dann in den Boutiquen: 800 Euro für eine Hose? Nur weil die von Dolce & Gabbana ist? Sind die wahnsinnig? Ich bin dann meistens zu H&M gegangen und habe mir eine ähnliche Hose gekauft.
Ist Ihnen Geld wichtig?
Natürlich würde ich gerne Sicherheiten haben und einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Aber ich brauche keinen Luxus. Ich glaube auch, dass der Satz „Je reicher, umso geiziger“ wahr ist. Als ich selbst gutes Geld verdiente, habe ich viel mehr drauf geachtet, bloß nicht zu viel auszugeben.
Als Sie vor einigen Monaten als Busfahrer anfingen, berichteten viele Medien darüber und veröffentlichten auch Ihr Gehalt.
Das ist ein deutsches Ding. Was macht der Nachbar? Was verdient er? Welches Auto fährt er? Es kann halt nicht jeder nach der Profikarriere Spielerberater, Manager oder Präsident werden. Manche werden Lehrer wie Knut Reinhardt, einige Maler wie Rudi Kargus. Andere Busfahrer. Ich bin immer gerne Auto gefahren.
Hatten Sie nie Lust, im Fußballgeschäft zu arbeiten?
Zumindest nicht in einer führenden Position. Dafür bin ich nicht hart genug. Ich könnte einem ehemaligen Mitspieler nicht sagen, dass er gefeuert ist. „Stani, Dicker, du bist raus!“ Geht nicht. Zeugwart würde ich hingegen gerne machen.
Sie waren nach Ihrer Profikarriere: Küchenhilfe, Bestatter, Paketzusteller, Disponent, Busfahrer. Welchen Job werden Sie garantiert nicht mehr machen?
Teerarbeiter. Der Gestank, die Hitze: unmenschlich. Pornostar hatte ich mal überlegt. Aber da meinte meine damalige Frau, das ist nichts für mich. (Lacht.)
Wann waren Sie zuletzt in einem Casino?
2007 habe ich mich bundesweit für alle Spielbanken sperren lassen. Seitdem war ich nie wieder in einem Casino. Zugegeben: Ich tippe einmal im Monat 50 Euro auf Fußballspiele. Das ist nichts im Vergleich zu früher.
Wie war es denn früher?
Da gab es auch mal richtig Ärger. In Ahlen wurde ich abgezogen. Ein Bekannter, der bei der Reinigungsfirma des Vereins arbeitete, hatte mich zu einer Runde eingeladen. Ich sagte zu und nahm, wie immer, 1000 Euro mit. 900 in der rechten Hosentasche fürs Zocken, 100 in der linken für Getränke und das Taxi nach Hause. Auf einmal hatte ich vier Asse auf der Hand. Seltsamerweise präsentierte ein anderer einen Royal Flush, für den man auch ein Ass braucht. Es waren also fünf Asse in Umlauf. „Okay“, sagte ich, „das war’s für mich.“ Ich bin aufgestanden und gegangen. Am nächsten Tag kamen die Typen zum Training und sagten, dass ich ihnen 8600 Euro schulde. Später tauchten sie bei meiner Wohnung auf. Ich rief also den Vereinspräsidenten Helmut Spikker an, der die Angelegenheit klären wollte.
Mit Erfolg?
Nun ja, am Ende des Monats wurden mir nur 468 Euro überwiesen. Ich fragte, wo die restlichen 8600 Euro blieben. Spikker sagte: „Ach ja, damit haben wir deine Schulden bezahlt.“
Die einen kennen Sie heute als Weltpokalsiegerbesieger, die anderen als notorischen Zocker.
So ist das. Das Zockerimage werde ich nun nicht mehr los. Aber ich will mich nicht beschweren. Ich hätte mich einfach nie auf solche Runden einlassen sollen.
Die Zockerei hat Sie sogar Ihre Profikarriere gekostet: 2009 kündigte Union Berlin mitten in der Saison Ihren Vertrag. Sportchef Christian Beeck warf Ihnen vor, spielsüchtig zu sein.
Beeck ist der schlimmste Mensch im Fußballgeschäft. Als er mir damit kam, hatte ich mich längst für die Casinos sperren lassen. Ich ließ mich auch von einem Arzt untersuchen. Seine Diagnose: Ich bin nicht spielsüchtig. Vor Gericht kam es zum Prozess, den ich gewann.
Nico Patschinski, wenn Sie heute nicht in Hamburg Bus fahren würden, wo wären Sie gerne?
Ich wäre gerne Martin Brodeur von den New Jersey Devils. Ein NHL-Eishockeytorhüter im Ruhestand, der heute wieder in der Einsamkeit von Quebec oder am Ontariosee in einer Holzhütte lebt.
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