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Seite 2: „Lass die anderen sich verändern, und bleib so, wie du bist“

Träum mit mir!“ ist in Zucker­guss auf das Leb­ku­chen­herz geschrieben, das er in dem Clip in seine sehr kleine Tasche legt. Es könnte ein altes Herz sein, längst ver­stei­nert. Eine Erin­ne­rung ans Okto­ber­fest 2002, ein Geschenk von Philipp Lahm, kurz bevor die beiden im November des­selben Jahres gegen den RC Lens ihr erstes Pflicht­spiel für den FC Bayern bestritten. Träum mit mir!“ Vom Triple, vom Welt­meis­ter­titel, von einer Ära. Viel­leicht schauten die beiden ein­ander, als der Philipp seinem Spezl Basti das Herz um den Hals gehängt hatte, ganz fest ins noch so junge Gesicht und guckten dabei so ent­schlossen drein, wie Acht­zehn­jäh­rige über­haupt nur gucken können. Ein Schwur der Halb­starken, von dem Oliver Kahn und Jens Jere­mies nicht wissen durften. Und danach fuhren sie Ket­ten­ka­rus­sell.

Manchmal sieht er aus wie Jürgen Prochnow als Kom­man­dant des U96

Dieser Traum ist, wie wir alle wissen, wahr geworden: Triple, Welt­meis­ter­titel, Ära. Bas­tian Schwein­steiger ist ein Denkmal, das Denkmal eines Fuß­ball­krie­gers. Über die Jahre ist er immer mar­morner geworden, in man­chen Ein­stel­lungen sieht er aus wie Jürgen Prochnow als Kom­man­dant des U96. Das Leb­ku­chen­herz, es könnte also wirk­lich ein Relikt sein, eine Erin­ne­rung an das Okto­ber­fest 2002, Mün­chen, das schönste Dorf der Welt, an Philipp und sich selbst, an all die gemein­samen Schlachten. Was man eben so ein­packt, wenn man geht und nur eine sehr kleine Tasche mit­nimmt. Und dann wirft man es doch weg, weil es nicht so recht passen will in die neue schicke Woh­nung.

Viel­leicht ist es aber auch ganz neu, das Herz, noch saftig und soeben erst ein­ge­troffen, per Kurier in diesem seltsam anonymen Loft. Träum mit mir!“ Das könnte eine Auf­for­de­rung sein, ein Befehl gera­dezu des mäch­tigen Tul­pen­ge­ne­rals: Louis van Gaal, der ihn nach Man­chester ruft, ins Old Traf­ford, das Theatre of Dreams. Träum mit mir!“ Ein letztes Mal. Brich noch einmal auf zum Gipfel. Du kannst es noch. Louis van Gaals Inter­esse an ihm soll Bas­tian Schwein­steiger sehr geschmei­chelt haben.

Im Clip befühlt er noch mal schnell seinen leid­ge­prüften Knö­chel: Wird er den Bru­ta­li­täten der Pre­mier League, im Matsch von Stoke und Wat­ford, stand­halten? Schwein­steiger blickt kühn gen Hori­zont, der dort, hinter der Gar­dine, ja schließ­lich irgendwo liegen muss: Der Schmer­zens­mann in der Liga der Schmerzen, es kann die ganz per­sön­liche Voll­endung des Bas­tian Schwein­steiger werden, als Här­tester der Harten. So will er sich sehen, so will man ihn ver­markten: Nicht mehr als jugend­li­chen Stenz aus dem Vor­al­pen­land, als Gau­di­bur­schen und viertes Mit­glied der Sport­freunde Stiller – son­dern als Rocky Balboa des Welt­fuß­balls. It ain’t about how hard you hit, it’s about how you can get hit.

Lass die anderen sich ver­än­dern, und bleib so, wie du bist“, heißt es in dem Lied­chen, das den Clip unter­malt. Dass es aus dem Kopf­hörer des­je­nigen tönt, der den Verein gerade ver­lässt, mag zunächst irri­tieren. Ist nicht viel­mehr er es, der sich ver­än­dert, und der Verein bleibt so, wie er ist? Auf der Sai­son­er­öff­nung des FC Bayern am Sams­tag­nach­mittag, der ersten ohne Schwein­steiger seit 13 Jahren, wurde Stern des Südens“ gespielt. Auf dem Kla­vier, von Star-Pia­nist Lang Lang. Sie nennen es Tra­di­tion.