Die politischen Wirren haben dem Fußball in der Ukraine schwer geschadet, viele sind pleite. Für Klubs wie Sorya Lugansk ist die Europa League die einzige Möglichkeit, das Überleben zu sichern.
Die Reise nach Berlin lässt sich Sorya Lugansk was kosten. Residiert wird im Steigenberger in Mitte, fünf Sterne, beste Lage. Am Abend steht für die Ukrainer im Olympiastadion gegen Hertha BSC ein wichtiges Spiel an, da soll die Mannschaft so gut vorbereitet wie möglich sein. Es geht ums sportliche Überleben. In der Europa League und insgesamt.
Für Klubs aus Westeuropa mag das nichts Besonderes sein, übernachten in Fünf-Sterne-Hotels gehört für sie zum Berufsalltag. Lugansks Spieler kommen nur selten in den Genuss. Oft schlafen selbst die Journalisten in besseren Unterkünften als die Spieler. Sorya Lugansk hat wie die meisten Vereine aus der Ukraine kein Geld oder besser gesagt: jetzt nicht mehr. Das war vor gar nicht allzu langer Zeit noch anders, aber der Krieg im Osten des Landes, wo Lugansk liegt, die unsichere politische Situation und die wirtschaftliche Schieflage des Landes haben die meisten Geldgeber dazu veranlasst, nicht mehr in den Sport zu investieren.
Ausgleich der Defizite
Im Fall von Sorya Lugansk heißt der Mäzen Jewen Geller, einer der reichsten Männer der Ukraine. Nun ist Geller nicht nur reich, sondern auch intelligent genug um zu wissen, dass es in diesen unruhigen Zeiten wenig Sinn macht, sein Geld in einen Fußballklub zu stecken. Niemand, nicht einmal die Wohlhabendsten, können ohne Sorgen die Zukunft angehen, niemand weiß, was morgen passiert. So gibt Geller gerade noch genug Geld, dass Sorya weiter existieren kann. Die monatlichen Defizite gleicht er aus, mehr aber auch nicht. Das ist schon viel, fährt der Klub doch Monat für Monat ein dickes Minus ein.
Weil in und um Lugansk gekämpft wird, musste die Fußball-Mannschaft ins Exil. Mal spielt Sorja in Lwiw, mal in Saporischschja, mal in Odessa, mal in Kiew. Das ständige Umziehen verschlingt viel Geld. Generaldirektor Sergei Rafailov spricht von „zusätzlichen Kosten, wenn wir in einer anderen Stadt spielen müssen. Dazu noch das Geld für die Stadionmiete, die Trainingsplätze, die sanitären Anlagen und die Unterkunft.“ Nicht zu vergessen die täglichen Hotelkosten für Spieler und Mitarbeiter. Einnahmen gibt es fast keine. Außerhalb von Lugansk will kaum jemand Sorya sehen. Früher kamen zu den Heimspielen im Schnitt 10 000 Zuschauer, im Exil sind es um die 2000. Manchmal ist die Besucherzahl sogar nur dreistellig. Fernsehgeld ist in der Ukraine ein Fabelwort aus dem Westen. Bleibt nur die Europa League.
Zwischen Pflicht und Goldtopf
„Dort gibt es gutes Geld zu verdienen“, sagt Rafailov. Sein Gegenüber Michael Preetz sieht das vermutlich etwas anders, für Klubs wie Hertha sind die Einnahmen aus der Europa League nur Peanuts und der Wettbewerb gerät zur lästigen Pflicht, sobald es aufgrund der höheren Belastung in der nationalen Liga nicht mehr läuft.
Für Soryas Fußballer ist das Gegenteil der Fall. Die Europa League ist das einzige Schaufenster, um sich für einen Vertrag bei attraktiveren Klubs zu empfehlen. Auch deshalb ist ihre Motivation an den Donnerstagen ungleich höher als die ihrer Kollegen aus dem Westen. Die ukrainische Liga taugt längst nicht mehr als Karrieresprungbrett, das Niveau ist in den vergangenen drei bis vier Jahren enorm gesunken. Viele Klubs, die in der jüngeren Vergangenheit sportlich überzeugten, sind inzwischen pleite, spielen in unterklassigen Liga oder stehen gar vor der Auflösung. Vier der ersten neun Mannschaften aus der Saison 2014/15 sind heute nicht mehr in der ersten Liga mit dabei, darunter Metalist Charkiw, der Vizemeister von 2013. Oder Dnipro Dnipropetrovsk, Europa-League-Finalist von 2015.
Der Abstieg von Dnipro
Dnipros Fall ist den Verantwortlichen von Lugansk ein Beispiel, das ihnen immer wieder vor Augen hält, wie es ihnen auch hätte ergehen können. Weil Dnipro wie Sorya wegen des Krieges ins Exil gemusst hätte, entschied sich Geldgeber Igor Kolomoyski, sein Engagement bis auf ein Minimum zurückzufahren. „Der Klub wird nicht mehr in der selben Form existieren wie vorher“, sagte er vor einem Jahr. Das klang wie eine Drohung, die schnell Wahrheit wurde. Heute spielt Dnipro in der dritten Liga und steht finanziell vor dem kompletten Kollaps.
Galt die ukrainische Liga noch vor wenigen Jahren als aufstrebende Oase vor allem für osteuropäische Spieler, ist heute das Gegenteil der Fall. Durchschnittliche Fußballer verdienen dort heute jenseits von Dynamo Kiew und Schachtjor Donezk zwischen zehn- und fünfzehntausend Euro im Monat, soviel wie mancher Drittligaprofi in Deutschland. Vor dem Krieg waren rund 100 000 Euro im Monat üblich.
Hoffnung aufgegeben
Ohne Metalist Charkiw, Dnipropetrovsk, Metalurk Donezk oder Metalurk Saporischschja fehlt Dynamo Kiew und Schachtjor Donezk der sportliche Wettbewerb, im Grunde lässt sich die komplette Saison auf die Duelle beider Klubs reduzieren. Dass ein Star wie Andrij Jarmolenko die Ukraine in diesem Sommer im Alter von 27 Jahren doch noch verließ und ins Ausland wechselte, kommt nicht von ungefähr. Wer die Chance hat, macht sich davon. Die Hoffnung, dass es zu Hause in absehbarer Zeit besser wird, haben die meisten aufgegeben.