Warum Amateurfußballer die Könige der Improvisation sind, warum man in Lützelsachsen verliert, damit der Trainer bleibt und warum auf den Dorfplätzen echte Helden stehen? Weil es dort Menschen gibt, wie „Hase“ und „Knollo“. Weil sie „Helden der Unterklasse“ sind.
Amateurfußballer sind die Könige der Improvisation. In Windeseile wird aus einem schlaksigen Ex-Handballer, der eher schlecht als recht Fußball spielt, die Torwarthoffnung eines gesamten Vereins. Aus eigensinnigen Stürmern werden juviale Liberos und aus dem stadtbekannten Trinker und Edelfan wird ein erfahrener Linienrichter, der nur gerade seinen Schiedsrichterausweis nicht dabei hat.
Bei den Heimspielen des TuS Sulingen übernimmt sonst Präsident Volker Wall auch die Rolle des Stadionsprechers. Gegen Spitzenreiter SC Spelle-Venhaus konnte Wall jedoch aus privaten Gründen nicht. Spartenleiter Ralf Knake suchte vor dem Spiel verzweifelt einen Sprecher und beklagte sich darüber lautstark. Das bekamen die Gästefans mit uns sagten: „Wir haben da einen!“ Michael Schweer gibt in Spelle den Sprecher, war privat zum Auswärtsspiel gefahren und hatte eigentlich noch mit dem Vorabend zu kämpfen. Um das Honorar wurde nicht lange gefeilscht: „Der kann verzehren, was er will“, sagte Knake erleichtert.
„Herzlich willkommen hier im Sportpark“, ertönte es kurz danach und die Spieler der Gästemannschaft schauten sich verdutzt an: „Ist das nicht der Michael?“ Ja, das ist er. Ansonsten zog er routiniert sein Programm durch, das ein oder andere rollende „R“ und die Musik aus der Konserve – herrlich. Nur einmal merkte man dem Gästesprecher seine Herkunft an, das 0:1 verkündete er doch sehr euphorisch.
Quantität wie ein Rekordmeister
Das größte Trainerglück ist eine gut besetzte Bank. Ein Kader, bei dem sich „aus dem voll Schöpfen lässt.“ 22 Spieler standen TV Oeffingen-Trainer Haris Krak für die Landesliga-Heimpartie gegen den TV Pflugfelden zu Verfügung, was ihn zur selbstbewussten Aussage im fupa-Interview brachte: „Unser Kader hat zahlenmäßig das Format von Bayern München.“ Zwar gewannen die Oeffinger das Spiel mit 2:1. So ein Überangebot birgt für den Trainer aber natürlich auch Gefahren: „Es ist schon auch schwierig, weil es immer welche gibt, die ein bisschen unzufrieden sind.“
Unser Tipp aus dem noch zu schreibenden Fußballlehrer-Standardwerk „Wie es mit die Titel klappt“ der Dozenten Heynckes und Hitzfeld: Rotation. Man kann ja schon beim Vereinsnamen beginnen. TV Rotation Oeffingen, das klingt doch nicht schlecht.
Ein Thomas Eberhardt
Im Aufsteigsrennen muss man Selbstbewusstsein austrahlen. Die Zeit des Understatements ist längst vorbei, es geht darum, Ziele zu benennen. Das weiß auch Thomas Eberhardt, Coach des SV Italclub Mainz, im AZ-Interview: „Es sollten alle so wie ein Thomas Eberhardt sein: Eier in der Hose haben und sagen, dass sie aufsteigen wollen.“ Von sich selbst in der dritten Person sprechen und Eier fordern? Ein Oliver Kahn schaut annerkennend mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne.
Verlieren, damit der Trainer bleibt
Es geht Richtung Saisonende und so mancher Trainer nimmt seinen Hut. So auch Alexander Knauff, noch Trainer des Mannheimer Kreisligisten TSG 91/09 Lützelsachsen, der sich nach der Saison eine Auszeit nimmt. Nach Bekanntgabe seines Abganges im Sommer legte seine Mannschaft eine beeindruckende Erfolgsserie hin, was ihn zum logischen Schluss brachte: „Vielleicht hängt sich die Mannschaft momentan ja auch so rein, weil sie weiß, dass sie mich bald los ist.“ Dafür setzte es am Wochenende gleich eine herbe 2:6‑Klatsche gegen den VfB Gartenstadt 2. Vielleicht wollen sie doch, dass er bleibt.
„Hase“ rettet „Knollo“
Zum Abschluss gibt es heute mal keinen Klamauk, sondern die Erkenntnis, dass gutes medizinisches Personal auch in den unteren Ligen unersetzbar ist. Es lief die 41. Minute des Kreisoberligaspiels SC Großröhrsdorf gegen den Hoyerswerdaer FC. Beim Stand von 0:0 kam der Großröhrsdorfer Sebastian „Knollo“ Gneuß in einem Zweikampf derart unglücklich zu Fall, dass er regungslos liegen blieb.
Der 74-jährige Hoyerswerdaer Physiotherapeut Bernd May, von allen nur „Hase“ genannt, erkannte die lebensbedrohliche Situation sofort und eilte zum gegnerischen Spieler. Zusammen mit einigen anderen Helfern löste er die verkrampfte Zunge des Gestürzten und rettete ihm so das Leben. Mittlerweile befindet sich „Knollo“ auf dem Weg der Besserung und konnte sogar seiner Mannschaft nach den medizinischen Untersuchungen im Krankenhaus noch einen Besuch abstatten. Das Spiel ging übrigens 1:1 aus, aber das interessierte an diesem Tag wirklich niemand mehr.
„Hase“ und „Knollo“ – zwei wahre „Helden der Unterklasse“.