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Der Text erschien erst­mals in 11FREUNDE #226. Das Heft gibt es bei uns im Shop.

Januar 2013
Reuter wird neuer Sport­di­rektor

Wenige Tage nach meinem Amts­an­tritt pro­du­zierte der Bay­ri­sche Rund­funk einen Bei­trag über den FC Augs­burg. Als sie in meinem Büro filmten, drehte einer den Schreib­tisch­stuhl und sagte: Das hier ist der Schleu­der­sitz der Liga.“ Ich blickte ihn erstaunt an. Man muss dazu wissen, dass Andreas Rettig hier viele Jahre sehr gute Arbeit geleistet hatte, danach aber zwei für den Sport ver­ant­wort­liche Geschäfts­führer nur kurz im Amt waren. Druck habe ich trotzdem nicht ver­spürt. Das lag auch an dem unauf­ge­regten Umfeld. Walther Seinsch, der dama­lige Prä­si­dent, hat nie Luft­schlösser gebaut. Er hat die Sache sehr rea­lis­tisch gesehen und wollte den FCA unter den Top-25-Ver­einen in Deutsch­land eta­blieren. Er sagte auch: Herr Reuter, wir werden in den nächsten fünf Jahren defi­nitiv zweimal absteigen.“ Nun, es kam anders.

Mai 2013
Klas­sen­er­halt am letzten Spieltag

Die sport­liche Situa­tion im Winter 2012/13 war nicht gut. Einige würden sogar sagen: Sie war aus­sichtslos. Wir hatten nach 17 Spielen gerade mal neun Punkte geholt und standen auf Platz 17, punkt­gleich mit dem Tabel­len­letzten Greu­ther Fürth. Aber wir haben uns frei­ge­kämpft. Wir hatten direkt nach der Win­ter­pause eine Initi­al­zün­dung, als wir das erste Spiel 3:2 in Düs­sel­dorf gewonnen haben. In der Mann­schaft ent­stand ein neuer Glaube. Und danach begann eine irre Auf­hol­jagd. Der Show­down fand am letzten Spieltag in Fürth statt. Wir haben eigent­lich nur auf die Rele­ga­tion gehofft, aber es kam noch besser. Alex­ander Man­ninger hielt einen Elf­meter, wir gewannen 3:1, Düs­sel­dorf verlor zugleich in Han­nover. Mit einem phan­tas­ti­schen Kraftakt hatten wir die Klasse gehalten.

Juni 2013
Halil Altintop kommt

Wir suchten einen erfah­renen Spieler, der zwi­schen den Linien agiert und immer anspielbar ist. Einen Offen­siv­stürmer, der gut war für zehn Sai­son­tore. So kamen wir auf Halil Altintop, den viele gar nicht mehr auf dem Schirm hatten. Er war schon über dreißig und hatte vorher in der Türkei für Trab­zon­spor gespielt. Weil es dort zu Unre­gel­mä­ßig­keiten bei den Gehalts­zah­lungen gekommen war, durfte er ablö­se­frei wech­seln. Wir hatten sofort ein gutes Gefühl bei ihm. Er wollte es in Deutsch­land vielen Leuten noch mal zeigen. Und das tat er auch. In seiner ersten Saison schoss er tat­säch­lich zehn Tore und wurde zum Dreh- und Angel­punkt unseres Spiels.

In Europa kennt uns keine Sau!“

Januar 2014
Europa sei noch weit weg, sagt Reuter in seinem ersten 11 FREUNDE-Inter­view

Ich gebe zu, nach außen wollten wir den Ball immer flach halten. In jener Saison wurden wir Achter, nur einen Punkt hinter dem Siebten Mainz, der in der Europa-League-Qua­li­fi­ka­tion spielte. In der Spiel­zeit 2014/15 wurden wir Fünfter und zogen in die Europa League ein. So etwas mit Augs­burg zu schaffen, war sen­sa­tio­nell. Das war ver­gleichbar mit einem Titel mit dem FC Bayern oder dem BVB, würde ich sagen. In dieser Zeit ent­stand ein beson­derer Geist und Zusam­men­halt. Auch weil wir uns selbst nicht immer ganz ernst nahmen. Auf den Shirts, die wir nach dem letzten Spiel in Glad­bach über­ge­zogen haben, stand: In Europa kennt uns keine Sau!“ Nach zwei Nie­der­lagen zu Beginn meinten viele Experten, Augs­burg habe in Europa wirk­lich nichts zu suchen. Die Umstel­lung mit vielen eng­li­schen Wochen ist nicht ein­fach für Mann­schaften, die das nicht kennen. Es war eine enorme Anstren­gung. Nicht nur die Spiele selbst, auch das Reisen. Wir kämpften uns dann zurück und gewannen am letzten Spieltag bei Par­tizan Bel­grad. Wieder so ein inten­sives Spiel, denn Bel­grad hätte auch noch wei­ter­kommen können. Danach sagten alle: Toll wäre natür­lich ein Los wie Liver­pool. Und dann kam tat­säch­lich Liver­pool. Nach einem 0:0 im Hin­spiel schieden wir im Rück­spiel aus, 0:1 durch einen Elf­meter. Manchmal denke ich noch an den Frei­stoß von Kon­stan­tinos Staf­y­lidis kurz vor Schluss, der nur ein paar Mil­li­meter am Tor vor­beizog. Wir waren sehr nah dran, Liver­pool aus der Europa League zu schmeißen. Die FCA-Fans fei­erten noch lange nach dem Abpfiff. Wir haben uns in dieser Zeit eine Menge Respekt erspielt.

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April 2014
Erster Sieg gegen den FC Bayern

Für die Fans war es natür­lich sehr beson­ders, den FC Bayern zu schlagen. Das Siegtor schoss einer der Publi­kums­lieb­linge: Sascha Möl­ders. Er stand damals wie kaum ein anderer sinn­bild­lich für den FC Augs­burg. Ein ehr­li­cher Kämpfer, ein lei­den­schaft­li­cher Stürmer, der total über­raschte und immens wichtig war in der Saison 2012/13, als er mit zehn Toren in nur 24 Spielen einen großen Anteil am Klas­sen­er­halt hatte.

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Saison 2015/16
Trans­fer­re­korde und Trans­fer­glück

Abdul Rahman Baba kam im Sommer 2014 von Greu­ther Fürth zu uns (in der Presse wurden 2,5 Mil­lionen Euro als Ablöse genannt, d. Red.). Ein wich­tiger und talen­tierter Spieler, den wir für einige Jahre in Augs­burg gesehen haben. Aber wenn du so ein Angebot bekommst, dann war­test du nicht mehr. Das war eine Grö­ßen­ord­nung, die für den Spieler und für uns unglaub­lich war. Einige Leute haben sich danach über die Summe gewun­dert, ich fand sie aber ange­messen. (Baba wech­selte im Sommer 2015 für die Rekord­summe von 25 Mil­lionen Euro zum FC Chelsea, d. Red.) Gene­rell muss man sagen, dass wir nach Spie­lern schauen, die es woan­ders nicht schaffen oder zum Zuge kommen, aber großes Poten­tial haben. Wie zum Bei­spiel Alfred Finn­bo­gason, dem damals bei Real Sociedad kurz vor der Saison andere Stürmer vor die Nase gesetzt wurden. Er ist wirk­lich unglaub­lich, ein Spieler, der einen Rie­cher hat und abge­zockt vor dem Tor ist.

Wir haben oft ein oder zwei Augen zuge­drückt“

Reuter über Caiuby

Mai 2016
Markus Wein­zierl ver­lässt Augs­burg

Als ich im Winter 2012/13 zum FCA kam, habe ich mich mit Walther Seinsch oder Peter Bircks natür­lich auch über den Trainer unter­halten. Beide sagten, Markus Wein­zierl sei ein großes Talent, aber es fehlen die Punkte. Wir haben aus­ge­macht, dass ich mir im Trai­nings­lager selbst einen Ein­druck mache und dann ent­scheide. Und dort sah ich: Markus ist wirk­lich gut, alles was er machte, hatte Hand und Fuß. Also blieb er, und die Jahre danach gaben uns Recht. Wir hatten eine tolle gemein­same Zeit. Umso trau­riger war ich, als er seinen Abschied ver­kün­dete und nach Schalke ging.

Oktober 2018
Augs­burg ver­liert in Dort­mund 3:4

Wir haben in diesem Spiel zweimal geführt, 1:0 und 2:1, und in der 87. Minute haben wir das zwi­schen­zeit­liche 2:3 aus­ge­gli­chen – und dann kommt Paco Alcacer in der sechsten Minute der Nach­spiel­zeit und schießt das 4:3. Es war ein tolles Spiel, es gab viel Lob, auch für uns. Aber es war schwierig, damit umzu­gehen, denn es war zugleich so bitter. Und nach Nie­der­lagen darfst du ein­fach nicht zufrieden sein.

Januar 2019
Die Bild“ titelt Anar­chie in Augs­burg“

In einer Fuß­ball­mann­schaft sind viele junge Bur­schen, und man kann auch mal über etwas hin­weg­sehen, wenn es im Rahmen bleibt. Bei Caiuby ist aber einiges vor­ge­fallen über die Jahre, wir haben oft ein oder zwei Augen zuge­drückt. (Einmal wurde er beim Schwarz­fahren erwischt, als er auf der Heim­reise vom Okto­ber­fest in Mün­chen in der Bahn ein­ge­döst und erst in Ulm wieder auf­ge­wacht war, d. Red.). Diesmal aber war es zu viel. Er kam zu spät aus der Win­ter­pause zurück (und wurde dann als Erstes in einer Dis­ko­thek gesehen, d. Red.). Dann haben wir uns von ihm getrennt. Klar, das brachte ein wenig Unruhe ins Team, aber Anar­chie in Augs­burg gab es nicht.

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April 2019
Augs­burgs höchster Bun­des­li­ga­sieg

Beim VfB musste nach dem Spiel unser ehe­ma­liger Trainer Markus Wein­zierl gehen. Das war nicht schön, aber ich habe nach dem 6:0 nicht daran gedacht, son­dern nur daran, dass der Sieg extrem wichtig war im Abstiegs­kampf. Mir fallen übri­gens einige Trainer ein, die nach Nie­der­lagen gegen den FCA ent­lassen wurden. Viel­leicht glaubten einige andere Bun­des­li­gisten, dass man reagieren muss, wenn man sogar schon in Augs­burg ver­liert. Wir werden also viel­leicht immer noch ein biss­chen unter­schätzt.

März 2020
Heiko Herr­lich wird FCA-Trainer

Die Saison lief nicht rund, es gab im Abstiegs­kampf eine gefähr­liche Ent­wick­lung, in der wir aus neun Spielen nur vier Punkte geholt haben. Wir ver­pflich­teten also mit Heiko Herr­lich einen Trainer, der für Kampf­geist und Lei­den­schaft steht und die Mann­schaft sta­bi­li­siert hat. Für ihn war es eine schwie­rige Situa­tion, denn noch vor seinem ersten Spiel musste die Liga wegen der Corona-Pan­demie pau­sieren. Als es wieder los­ging, sprach kaum jemand dar­über, wie er mit dem Team trai­niert hatte oder wie es sport­lich wei­ter­geht. Es ging nur noch um seinen Qua­ran­täne-Fauxpas. Er hatte die Vor­schriften ver­gessen und war in einem Super­markt Zahn­pasta ein­kaufen gegangen. Es war gedan­kenlos. Er war zu sehr mit der Spiel­vor­be­rei­tung beschäf­tigt. Danach hat er keine Aus­flüchte gesucht, und das hat mir gezeigt, wie er mit Feh­lern umgeht. Die Medien beru­higten sich trotzdem nicht. Untragbar sei er, schrieb eine Zei­tung. So ein Quatsch. Die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit stimmte irgend­wann nicht mehr. 

Er war unser Denker und Lenker“

Reuter über Daniel Baier

Juni 2020
Daniel Baier ver­lässt den FCA

Daniel ist zwei­fels­ohne das Gesicht der letzten zehn Augs­burger Jahre. Er war unser Denker und Lenker. Aber man muss sich auch mal von ver­dienten Spie­lern trennen, um etwas Neues ent­stehen zu lassen. Eine neue Hier­ar­chie zum Bei­spiel oder ein neues Leis­tungs­klima. Die Fans sind nicht glück­lich, dass wir den Ver­trag auf­ge­löst haben, und ich kann ver­stehen, wenn es für Außen­ste­hende schwer nach­voll­ziehbar ist. Aber wir haben mit Daniel ein Abschieds­spiel ver­ein­bart, das es bisher für keinen FCA-Spieler gab. Das wird sicher eine tolle Gele­gen­heit auch für die Fans, sich gemeinsam gebüh­rend zu ver­ab­schieden.

Sep­tember 2020
Augs­burg geht in die zehnte Bun­des­li­ga­saison

La Decima, das macht mich stolz. Unser Ziel ist wie vor jeder Saison zunächst der Klas­sen­er­halt. Denn auch wenn es am Anfang einige Skep­tiker gab und sogar Walther Seinsch dachte, dass wir bald wieder absteigen, kann ich ver­si­chern: Wir sind gekommen, um zu bleiben. Wenn es gut läuft, dann ist auch mal wieder ein ein­stel­liger Tabel­len­platz drin. Und wenn es mal sehr gut läuft, dann kommen wir im DFB-Pokal bis nach Berlin. Das wäre ein Traum. Bis dahin gilt: Wir werden jedes Spiel angehen, als wäre es das letzte!

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