Den harten Ausdruck „Kollaboration“ wählte Karasek wohl auch deshalb, weil Neuberger und der DFB aus dem Mord an Käsemann nichts lernten. Bei der WM in Argentinien ein Jahr später gab es kein einziges Wort der Kritik an den faschistischen Machthabern im Land. Im Gegenteil: Neuberger wies seine Spieler explizit an, dem Diktator Jorge Rafael Videla auf keinen Fall den Handschlag zu verweigern, falls sie das Finale erreichen sollten.
Für Aufsehen sorgte auch, dass Neuberger einen Mann namens Hans-Ulrich Rudel ins DFB-Quartier in Ascochinga einlud (während er dem Kolumnisten Günter Netzer den Zutritt verweigerte). Rudel war ein hochdekorierter Kriegspilot und überzeugter Nazi, der damals im argentinischen Exil lebte, wo er ein Netzwerk leitete, das NS-Verbrechern wie Josef Mengele dabei half, unerkannt eine neue Existenz aufzubauen. All das schien Neuberger nicht zu stören, der Rudel sogar zu einem Spiel auf die Ehrentribüne setzte. „Das war nicht gedankenlos“, sagt der Politikwissenschaftler Florian Schubert in einem aktuellen Interview mit dem Saarländischen Rundfunk. „Das ist kein Zufall. Das ist ein politisches Statement.“
Wegbereiter der Bundesliga
Und es ist vor allem dieses Statement, das von einem Mann bleibt, der sich vieler Verdienste hätte rühmen können. Er war Pressewart des 1. FC Saarbrücken und Mitbegründer des Saarländischen Fußballbundes. Er erfand den „Sportachtel“, die Finanzierung des saarländischen Sports durch ein Achtel der Umsätze der staatlichen Lotteriegesellschaft. Er machte 1952 Helmut Schön zum Nationaltrainer des damals unabhängigen Saarlandes. Und es war Neuberger, der 1960 beim DFB ganz offiziell den Antrag stellte, die Einführung des Berufsfußballs und eine landesweite Liga zu prüfen.
Als jener Antrag auf dem DFB-Bundestag am 28. Juli 1962 besprochen wurde, hielt der mit 42 Jahren vergleichsweise junge Neuberger eine so mitreißende Rede, dass viele der bis dahin noch skeptischen Delegierten am Ende für die Bundesliga stimmten. (In die dann der 1. FC Saarbrücken aufgenommen wurde, was nicht nur in Pirmasens und Neunkirchen auf viel Kritik stieß.) Im Jahre 1969 wurde Neuberger DFB-Vizepräsident und war als Chef des OK verantwortlich für die WM 1974. Im Oktober 1975 wurde er schließlich mit nur vier Gegenstimmen zum neuen Präsidenten des DFB gewählt.
Als ihm sein aus Altersgründen zurücktretender Vorgänger Hermann Gösmann zur Gratulation die Hand schüttelte, sagte er nur halb im Scherz zu Neuberger: „Hermann, übernimm dich nicht.“ Damit spielte er darauf an, dass Neuberger als autoritär und machthungrig galt und mit seinem Aktionismus altgediente Funktionäre oft vor den Kopf stieß. Gösmann konnte nicht ahnen, dass der Macher Neuberger sein Vermächtnis dadurch ruinieren würde, dass er in einem entscheidenden Moment einfach nichts tat.