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Marcel Schmelzer, wie viele Links­ver­tei­diger der Natio­nal­mann­schaft aus den ver­gan­genen zehn Jahren bekommen Sie zusammen?
Ich glaube, in dieser Hin­sicht sind Jour­na­listen die Experten, weil das Thema in den Medien deut­lich aus­gie­biger behan­delt wird als in Spie­ler­kreisen.

Aber Sie werden ja auch ein biss­chen genauer auf diese Posi­tion geachtet haben. Ver­su­chen Sie’s doch mal!
Natür­lich hat es auf dieser Posi­tion über einen län­geren Zeit­raum keinen Spieler gegeben, der sich in der Natio­nal­mann­schaft eta­bliert hat. Aber ich glaube auch, dass es für jeden, der eine Chance bekommen hat, schwer war. Viel­leicht schwerer als auf anderen Posi­tionen.

Sie hören sich ein biss­chen gereizt an.
Über­haupt nicht! Es ist nur so: Sie haben mir diese Frage zwar zum ersten Mal gestellt, aber ich habe sie schon unzäh­lige Male beant­wortet. Sobald ein junger Links­ver­tei­diger zur Natio­nal­mann­schaft ein­ge­laden wird und vor seinem ersten Spiel steht, wird ihm die Frage gestellt: Werden Sie sich durch­setzen und die Pro­bleme auf dieser Posi­tion dau­er­haft lösen? Ich kann mir vor­stellen, dass Dennis Aogo oder Marcel Schäfer…

… zwei Ihrer vielen Vor­gänger …
… das auch so durch­ge­macht haben. Das Thema wird aber leider häufig nur ober­fläch­lich und nicht sach­lich dis­ku­tiert.

Wussten Sie eigent­lich, dass Bernd Schneider auch mal Links­ver­tei­diger gespielt hat?
Nein, echt?

2005 in Rot­terdam, gegen Arjen Robben.
Nicht schlecht!

Warum haben es Links­ver­tei­diger so schwer?
Der Fokus der Medien ist auf diese Posi­tion fixiert. Der Druck ist ohnehin schon groß, wenn ein junger Spieler zur Natio­nal­mann­schaft stößt, und wenn dann vorher die Zei­tungen nur über die Pro­bleme auf dieser und jener Posi­tion berichten, kommt zusätz­li­cher Druck dazu. Es ist unsere Auf­gabe als Profis, über diesen Dis­kus­sionen zu stehen. Auch wenn das zuge­ge­be­ner­maßen nicht immer ein­fach ist. Aber alle Natio­nal­spieler haben gute Gründe für ein starkes Selbst­be­wusst­sein.

Sie sehen für sich als Links­ver­tei­diger also eher die Schwie­rig­keiten, die diese Posi­tion mit sich bringt, als die Chance, die Kri­tiker zum Schweigen zu bringen?
Nein, ich bin ein total posi­tiver Mensch, der es aller­dings nicht ansatz­weise als seine Auf­gabe ansieht, Kri­tiker zum Schweigen zu bringen. Meine Auf­gabe ist es, der beste Fuß­ball­spieler zu sein, der ich sein kann. Das ist mein Antrieb. Ich bin aller­dings Rea­list genug um zu wissen: Ein Fehler, und es kann sein, dass du öffent­lich wieder zum Deppen wirst.

Aber die Pro­bleme auf dieser Posi­tion waren zuerst da, nicht die Kritik der Medien.
Ja, aber das ist nicht die Schuld derer, die aktuell spielen.

Warum ist es so schwer, einen Links­ver­tei­diger zu finden, der sich über Jahre auf dieser Posi­tion eta­bliert?
Links­füßer gibt es eben nicht so viele wie Spieler mit einem starken rechten Fuß. Und die Links­füßer, die es gibt, wollen meis­tens in der Offen­sive spielen, weil man natür­lich lieber Tore schießt als Tore zu ver­hin­dern. Es wird auch künftig ver­gleichs­weise wenige Spieler geben, die für diese Posi­tion infrage kommen.

Sie sind auch erst spät auf diese Posi­tion ver­setzt worden.
Ich glaube, nach dem ersten Jahr in der A‑Jugend. Vorher habe ich auch vorne gespielt, aber dann hatten wir keinen Links­ver­tei­diger, und der dama­lige Trainer Heiko Herr­lich hat mich in die Vie­rer­kette gestellt. Wie das halt so geht (lacht). Für mich war das kein Pro­blem. Ich konnte mich immer mit nach vorn ein­schalten, wenn die Chance da war.

Hans-Joa­chim Watzke, der Vor­stands­vor­sit­zende von Borussia Dort­mund, hat einmal gesagt, dass Sie den Fuß­ball auch theo­re­tisch beherrschten. Hat Ihnen das bei der Umschu­lung geholfen?
Ich glaube, er meinte, dass ich zu hun­dert Pro­zent ver­standen habe, was unser Trainer tak­tisch vor­gibt. In Dort­mund haben wir da durch Jürgen Klopp in den letzten vier, fünf Jahren enorme Fort­schritte gemacht. Dis­zi­pli­niertes Spiel gegen den Ball hat bei uns ein­deutig Prio­rität. Natür­lich schaue ich mich um, was in anderen Mann­schaften gespielt wird, bei Real Madrid, bei Arsenal oder bei den Bayern. Wie ver­hält sich der Links­ver­tei­diger dort in einer bestimmten Situa­tion? Wie reagiert er? Aber grund­sätz­lich spiele ich in Dort­mund das, was ich in Dort­mund bei­gebracht bekommen habe.

War das Ihr Pro­blem in der Natio­nal­mann­schaft? Dass dort etwas anders gespielt wird als in Dort­mund?
Ich habe immer schon gesagt, dass es Zeit braucht. Beim BVB weiß ich, wenn ich in einen Zwei­kampf gehe: Da ist ein Kol­lege hinter mir, der sichert mich jetzt da ab. Bei uns in Dort­mund ist es nicht schlimm, mal einen Zwei­kampf zu ver­lieren; es ist nur schlimm, wenn man den Zwei­kampf des anderen nicht absi­chert. Wenn man nun mit Spie­lern aus anderen Mann­schaften zusam­men­spielt, muss man sich darauf ein­stellen, dass die das anders hand­haben. Also weiß ich erst mal nicht: Kann ich auch so in diesen Zwei­kampf gehen? Oder muss ich eher abwarten? Das ist keine Kritik, das sind ganz nor­male Anpas­sungs­pro­zesse.

Der Dort­munder Ein­fluss wächst. Inwie­fern pro­fi­tieren Sie davon, ein Teil des Dort­munder Blocks zu sein?
Es ist von Vor­teil, ganz klar. Aber das wird Ihnen auch jeder Bayern-Spieler sagen, dass es ein­fa­cher ist, wenn man sich aus dem Verein kennt. Wenn Marco Reus vor mir spielt oder Mats Hum­mels neben mir, weiß ich instinktiv, wie ich mich in bestimmten Situa­tionen ver­halten kann.

Wie haben Sie die Ent­schei­dung des Bun­des­trai­ners nach der EM emp­funden, dass Philipp Lahm wieder auf rechts ver­tei­digen wird?
Das hat mich natür­lich gefreut. Für mich hat sich dadurch eine grö­ßere Chance ergeben, mehr Spiele auf meiner Posi­tion zu machen, als wenn dort der Kapitän gesetzt wäre. Wobei die Freude schnell ein wenig getrübt wurde.

Sie meinen das Spiel gegen Öster­reich im Sep­tember, nach dem die Kritik an Ihnen unge­wöhn­lich deut­lich aus­ge­fallen ist.
Sie sagen es. Danach war ich wirk­lich geknickt. Aber das ist Ver­gan­gen­heit. Ich nutze jedes Spiel, das ich mache, um meine Leis­tung zu bringen. Manchmal klappt es besser, manchmal nicht.

Kurz nach dem Spiel in Öster­reich gab es dann die Aus­sage des Bun­des­trai­ners, dass er sich keine Links­ver­tei­diger schnitzen könne und mit Ihnen eben wei­ter­ar­beiten müsse …
Auf diese Frage habe ich gewartet.

Man hätte Löws Aus­sage auch so inter­pre­tieren können, dass er weiter mit Ihnen und an Ihnen arbeiten wolle, damit Sie den höchsten Anfor­de­rungen eines Tages gerecht werden.
Also ganz ehr­lich, so sehr wie die Medien habe ich mich mit dieser Aus­sage des Bun­des­trai­ners zunächst gar nicht beschäf­tigt. Joa­chim Löw hat öffent­lich klar­ge­stellt, dass seine Sätze zu diesem Thema anders gemeint und unge­schickt for­mu­liert waren.

Hatten Sie danach erst recht Angst, etwas falsch zu machen?
Mit so einem Druck wie gegen Irland bin ich noch nie in ein Spiel gegangen. Ein sol­ches Gefühl wün­sche ich nie­mandem. Ich glaube, ich habe mich 15 Kilo­gramm schwerer gefühlt. Das ist extrem gewesen. Ich meine, wir haben unser Hobby zum Beruf machen können. Natür­lich sollte Druck dabei sein, aber nicht in dieser enormen Aus­prä­gung, nachdem ich mit Borussia Dort­mund zwei Meis­ter­schaften und den Pokal gewonnen hatte und bei aller Beschei­den­heit eine gewisse Qua­lität nach­ge­wiesen habe. Heute bin ich froh, dass das alles hinter mir liegt. Es ist gut gegangen, und am Abend nach dem Spiel konnte ich wieder gut schlafen.

Kurz darauf haben Sie für Dort­mund das Siegtor gegen Real Madrid geschossen.
Ja, aber das war Zufall. Oder viel­leicht wollte mir das Schicksal was Gutes tun, nach dieser ganzen Sache (lacht).

Haben Sie das Gefühl, dass der Bun­des­trainer Sie jetzt anders wahr­nimmt?
Nein. Wir hatten gleich danach ein län­geres und gutes Gespräch. Und er hat ja wie gesagt auch öffent­lich ein­ge­räumt, dass er sich unglück­lich aus­ge­drückt hatte. Für mich war die Sache damit erle­digt.

Sind Sie nach diesem Zwi­schen­fall sogar in einer bes­seren Posi­tion?
Man müsste erst einmal ein Spiel abwarten, indem es viel­leicht nicht so optimal läuft oder wir gegen einen stär­keren Gegner spielen. Wenn dann die Reak­tion nicht ganz so dras­tisch aus­fiele wie nach dem Öster­reich-Spiel, dann viel­leicht. Natür­lich war es kein gutes Spiel von mir, aber ein Grot­ten­spiel war es auch nicht.

Ihr eins­tiges Vor­bild und ehe­ma­liger Dort­munder Mit­spieler Dede hat Ihnen mal mit auf den Weg gegeben, dass Fuß­ball nichts sei, wovor man Angst haben müsse. Haben Sie in dieser Zeit mal gedacht, er hat Sie ange­logen?
(lacht) Dede war zwar Links­ver­tei­diger, aber er hat nicht für Deutsch­land gespielt. Nein, mal im Ernst: Ich habe keine Angst vor dem Fuß­ball.