2002 mischte er mit Bayer Leverkusen Europa auf, später stand er mit Chelsea noch mal im Finale. Die Champions League gewonnen hat er aber nie. Warum nur, Michael Ballack?
Kommt mit uns auf eine wilde Fahrt durch 20 Jahre Fußballkultur: Am 23. März erscheint „DAS GROSSE 11FREUNDE BUCH“ mit den besten Geschichten, den eindrucksvollsten Bildern und skurrilsten Anekdoten aus zwei Jahrzehnten 11FREUNDE. In unserem Jubiläumsband erwarten euch eine opulente Werkschau mit unzähligen unveröffentlichten Fotos, humorvollen Essays, Interviews und Backstages-Stories aus der Redaktion. Besonderes Leckerli für unsere Dauerkarteninhaber: Wenn ihr das Buch bei uns im 11FREUNDE SHOP bestellt, gibt’s ein 11FREUNDE Notizbuch obendrauf.
Hier könnt ihr das Buch vorbestellen.
Außerdem präsentieren wir euch an dieser Stelle in den kommenden Wochen weitere spektakuläre Reportagen, Interviews und Bilderserien. Heute: Michael Ballack spricht über den gescheiterten Versuch, die Champions League zu gewinnen.
Michael Ballack, es klingt komisch, aber war die Bayer-Elf von 2002 die beste, in der Sie je gespielt haben?
Wieso komisch? Weil es Bayer Leverkusen war?
Genau.
Ich hatte das Glück, während meiner Laufbahn mit vielen Weltklassespielern zusammenzuspielen, aber eines kann ich sagen: Diese Mannschaft hat funktioniert. Sie war von Reiner Calmund und Rudi Völler hervorragend zusammengestellt worden und wir hatten mit Christoph Daum und Klaus Toppmöller zwei Trainer, die das auch sehr gut umsetzen konnten.
Die Gelehrten streiten, ob Daum oder Toppmöller der größere Einfluss auf die attraktive Spielweise zugeschrieben werden muss.
Natürlich hat Christoph Daum als Erster diese Mannschaft geformt. Er war auch der vielleicht wichtigste Trainer in meiner Karriere, weil ich unter ihm mit 22 oder 23 Jahren den Durchbruch zum Stammspieler auf diesem Niveau geschafft habe. Toppis größte Stärke war es, ein Vertrauensverhältnis zwischen Trainer und Spieler aufzubauen. Das hat er mit Emotionalität, Charme und auch einer gewissen Witzigkeit hinbekommen.
Er wirkte fast schon kumpelhaft.
Ja, aber nicht immer. Sowohl er als auch Christoph Daum waren emotionale Typen, die nach einem verlorenen Spiel auch mal den etwas anderen Wortschatz gewählt haben. Das ist unter Fußballern aber völlig okay.
Wäre jemand wie Klaus Toppmöller beim FC Bayern überhaupt vorstellbar gewesen? Er trug schon mal seltsame Krawatten und strahlte durchaus etwas Skurriles aus.
Gute Trainer sind in der Lage, sich einem Verein anzupassen. Toppi hatte seine Stärken in der Mannschaftsführung, und Bayern München hat in der Regel die beste Mannschaft, die man nur noch zum Laufen bringen muss. Aber es stimmt schon, dass die Bayern-Führung immer genau hinschaut, welcher Trainer von der Persönlichkeit her am besten passt. Als Bayern-Trainer musst du ein bestimmtes Bild repräsentieren.
Michael Ballack, den Capitano, trafen wir in der Magazin-Historie dreimal für große Geschichten. Das erste Mal, im Herbst 2009, versuchte Rafael Honigstein in einer mehrtägigen Recherche in London für uns zu ergründen, warum Ballack der Ausnahmespieler seiner Generation war, aber es einfach nicht mit einem großen Titel für ihn klappen sollte: „Ballack! Die seltsame Karriere eines Weltstars.“
Dann empfing uns Ballack am Ende seiner Laufbahn im Winter 2012 zum großen Bilanz-Gespräch am Starnberger See. Immer wieder drehte sich das Interview um die Frage, ob seine Karriere irgendwie unvollendet ist. Als Jens Kirschneck ihn dann im Sommer 2015 für unser Champions-League-Spezial erneut befragte, warum es denn mit einem großen internationalen Titel nie geklappt hatte, war er mit der ganzen Sache schon deutlich entspannter: „Vielleicht hat er da oben etwas dagegen!“
2002 ist Bayer mit Toppmöller im Hurrastil durch die Wettbewerbe gestürmt und hat am Ende doch alles verloren: Meisterschaft, DFB-Pokal und am Ende auch die Champions League. Was hat gefehlt zum ganz großen Glück?
Vielleicht der Glaube an den eigenen Erfolg, der sich aus der Historie eines Klubs speist.
Schaffen vergangene Erfolge automatisch Selbstbewusstsein in der Gegenwart?
Wenn du neu dazu kommst, orientierst du dich an der Klubmentalität und der Mentalität der Spieler, die da sind. Du siehst die Pokale, und du siehst die Spieler, die sie gewonnen haben. Die individuelle Qualität war in Leverkusen vorhanden, aber es hat immer ein Quäntchen gefehlt.
Abgesehen davon hat Bayer Leverkusen damals die Fußballwelt mit seinem schnellen Kombinationswirbel bezaubert. Was war das Geheimnis dieser Elf?
Sie war einfach gut. Bayer war ein perfektes Sprungbrett für talentierte Südamerikaner, aber auch für richtig gute deutsche Spieler, die sich für einen Verein wie den FC Bayern noch nicht reif genug fühlten.
Ein Talentschuppen.
Nicht nur, Bayers Ausrichtung war trotz allem: Wir wollen Meister werden, und wir wollen in der Champions League spielen. Man hat seinerzeit schon an den Verpflichtungen gemerkt, dass der Verein angreifen will. Nicht so wie später, in der Zeit nach Calli, als man den besten Spieler im Zweifel dann doch ziehen ließ, statt noch zwei, drei andere um ihn herumzubauen, um es ihm schmackhaft zu machen, dass er bleibt.
War Bayer damals das perfekte Betätigungsfeld für einen angehenden Weltklassespieler?
Auf jeden Fall. Meine Karriere verlief ja ohnehin eher Schritt für Schritt. Ich war mit 19 noch nicht so weit wie ein Götze oder Reus, in dem Alter habe ich in Kaiserslautern oft bei den Amateuren gespielt.
Mit 25 Jahren waren Sie der wichtigste Mann in einem Team, das um ein Haar die Champions League gewonnen hätte.
Für mich persönlich war es eines der besten Jahre in meiner Karriere, auch weil die Mannschaft auf meine Position zugeschnitten war. Das Spielsystem war sehr offensiv und wir hatten mit Lucio und Jens Nowotny zwei Innenverteidiger, die Mann gegen Mann spielen konnten. Der Trainer ist dieses Risiko bewusst gegangen und hat sich getraut, ohne Absicherung zu spielen. Dadurch hatten wir im Mittelfeld oftmals Überzahl, was der Attraktivität unseres Spiels zugutekam. Und wir hatten viele Spieler, die offensiv gedacht haben, wie Yildiray Bastürk, Bernd Schneider oder Zé Roberto.