„Liebe kennt keine Liga“, singen Fans gerne vor dem drohenden Gang in die Zweite Liga. Für einen Fußballprofi kann ein Abstieg aber gravierende Folgen haben, erklärt Carsten Ramelow.
Carsten Ramelow, wir wollen mit Ihnen über das Thema Abstieg sprechen – und zwar in Ihrer Funktion als Vize-Präsident der Spielergewerkschaft VDV. Als Aktiver blieb Ihnen ja diese Negativerfahrung erspart.
Dem Fußballgott sei Dank. Zweimal war ich mit Leverkusen nah dran: 1996 und 2003. 1996 war ich als junger Spieler in der Winterpause vom damaligen Zweitligisten Hertha BSC zu Bayer Leverkusen gekommen – mit Rudi Völler, Paulo Sergio und Bernd Schuster im Team. Wenn du in eine Mannschaft mit solchen Leuten kommst, denkst du nicht an Abstieg. Aber wir haben erst am letzten Spieltag den Klassenerhalt geschafft. Der Abstiegskampf, das war keine einfache Situation, aber die Erfahrungen von damals haben mich auch geprägt.
Inwiefern?
Unter anderem ist mit damals klar geworden, dass da weit mehr als nur die sportliche Seite dran hängt, dass die Arbeitsplätze von ganz vielen Mitarbeitern im Verein in Gefahr sind.
Wäre mit einem Abstieg im ersten Jahr bei in Leverkusen Ihre Karriere anders verlaufen?
Ich glaube schon. Wahrscheinlich hätte ich dann später nicht in der Nationalmannschaft und in der Champions League gespielt.
Der Abstieg als Karriereknick…
Die Auswirkungen können gravierend sein, wenn es ganz schlecht läuft, kann es sogar zur Arbeitslosigkeit führen. Nach einem Abstieg ist man einfach nicht mehr so im Fokus.
Dennoch werden die Fans manchmal den Eindruck nicht los: Die Spieler sind satt, die wehren sich gar nicht richtig gegen den Abstieg, die haben das Kämpfen verlernt.
Das wird zu leicht daher gesagt. Sicher, Fußballprofis verdienen eine Menge Geld, sie haben einen tollen Job. Aber da ist auch der Druck, vor allem wenn man im Abstiegskampf steckt. Diesen Druck sollte man nicht unterschätzen. Das lähmt, das blockiert einen. Man macht sich natürlich auch Gedanken zu seiner persönlichen Situation. Eines ist klar: Mit einem Abstieg sinkt der eigene Marktwert. Kein Spieler möchte auf seiner Visitenkarte einen Abstieg stehen haben.
Sie sprachen vorher von den Angestellten im Verein, die im Falle eines Abstiegs um ihren Job bangen müssen. Sind sich die Spieler dessen wirklich bewusst, beschäftigt sie das?
Nicht alle. Es gibt sicher Spieler, die leben in ihren eigenen Welt. Ich selbst habe immer nach links und rechts geschaut, habe mich mit dem Platzwart oder dem langjährigen Elektriker im Verein unterhalten, weil mich ihre Arbeit interessiert hat. Es ist wirklich der Wahnsinn, wie viele Leute daran beteiligt sind, damit der Fußballbetrieb wie gewohnt funktioniert. Ansonsten sollte man als Profi nie vergessen, wie alles angefangen hat, woher man kommt.
Was bedeutet der Abstieg in finanzieller Hinsicht für einen Profifußballer?
Das kommt darauf an. Wenn ein Spieler mit seinem Klub aus der Bundesliga in die zweite Liga absteigt, muss er sicher nicht um seine Existenz bangen. Dort wird immer noch gutes Geld bezahlt. Je weiter man in den Ligen nach unten geht, desto schwieriger wird aber die Situation. Für den einen oder anderen Spieler stellt sich sogar die Frage, ob er nicht doch einen anderen Weg einschlagen sollte. Wir haben bei der VDV mit Frank Günzel einen Laufbahncoach, der unter anderem aufzeigt, was es für Möglichkeiten außerhalb des Fußballs gibt. Viele Profis wollen sich auch nicht mit Alternativen beschäftigen, wenn die Fußballkarriere ins Stocken gerät oder sich abzeichnet, dass es nicht weitergeht. Sie klammern sich an diesen Job, wollen nicht einsehen, dass der Weg zu Ende ist.