Schalke taumelt dem Abstieg entgegen. Weil selbst das Spiel gegen den 1. FC Köln verloren geht – und weil die Leistung wenig Anlass zur Hoffnung gibt. Fünf Beobachtungen.
Rekorde waren in dieser Saison ein großes Thema auf Schalke. Wochenlang drehte sich alles um die Frage, ob die Schalker den Sieglos-Rekord von Tasmania Berlin einstellen. Knapp entgingen sie diesem Schicksal.
In den kommenden Monaten werden sie indes einen Rekord aufstellen müssen, um nicht abzusteigen: Keinem Bundesliga-Team gelang es je, mit nur sieben Punkten nach der Hinrunde doch noch die Klasse zu halten. Die 1:2‑Niederlage gegen den 1. FC Köln besiegelte zudem die fünftschlechteste Hinserie der gesamten Bundesliga-Geschichte. Kann sich der Traditionsverein irgendwie aus diesem für den Verein historischen Schlamassel befreien? Das Spiel gegen Köln versprühte wenig Hoffnung. Fünf Beobachtungen.
1. Die paradoxe Situation des FC Schalke 04
Seit Beginn des Jahres trainiert Christian Gross die Schalker. Der Schweizer sucht das Heil in der Defensive. Seine Schalker verteidigen tief in einem 4 – 4‑1 – 1‑System. Nach Ballgewinnen im zentralen Mittelfeld soll schnell gekontert werden. Dazu stellt Gross im Sturm schnelle Spielertypen auf; so etwa den jungen Matthew Hoppe oder Außenstürmer Benito Raman. Mit dieser Konterstrategie feierte Schalke einen überraschenden 4:0‑Erfolg gegen Hoffenheim.
Gross wählt damit den altbewährten Weg, im Abstiegskampf auf defensive Stabilität zu setzen. Grundsätzlich ist daran wenig auszusetzen. Die Partie gegen Köln bewies jedoch, dass alleine Verteidigen nicht reicht: Die Mannschaft ist derart weit entfernt von den Nichtabstiegsrängen, dass ihr nur Siege helfen.
Teams wie Köln suchen ebenfalls das Heil in der Defensive. Im direkten Aufeinandertreffen mit solchen Abstiegskandidaten werden die Schalker plötzlich in die Rolle gedrängt, das Spiel gestalten zu müssen. So kam es, dass Schalke gegen Köln über 60 Prozent Ballbesitz verbuchen konnte. Dieser Wert passt weder zur Spielanlage von Trainer Gross noch zum Schalker Kader.
2. Fußballerisches Stückwerk
Das befeuert ein Problem, das Schalke seit vielen Monaten, vielleicht sogar schon seit Jahren begleitet: Kombinationsfußball gibt es mangels Talent und Selbstvertrauen selten zu bestaunen, vieles bleibt Stückwerk.
Das Mittefeld ist die größte Baustelle der Schalker. Gegen Köln ließ sich Sechser Benjamin Stambouli im Spielaufbau in die Abwehr fallen. Er fehlte damit im zentralen Mittelfeld. Dieser Raum verwaiste über weite Strecken des Spiels; weder Suat Serdar noch der zurückfallende Mark Uth schafften hier die nötige Präsenz, um das kompakte 5−3−2 der Kölner auszuhebeln. Diese konnten sich weit zurückziehen im Wissen, dass Schalke nicht über das Mittelfeld nach vorne gelangt.
3. Alles über die linke Seite
Schalke kennt derzeit nur einen Weg nach vorne – und dieser führt über die linke Seite. Dieser Mannschaftsteil ist der mit Abstand talentierteste der Schalker. Linksaußen Amine Harit zieht als nach innen rückender Dribbler die Bälle an. Der von Arsenal geliehene Sead Kolasinac hinterläuft Harit und zieht damit Gegenspieler auf sich.
Gegen Köln wurde die Abhängigkeit von der eigenen linken Seite deutlich: Harit (91 Ballkontakte) und Kolasinac (85) waren mehr als doppelt so häufig am Ball wie Timo Becker (52) und Benito Raman (31, bis zur 71. Minute auf dem Feld) auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes. Einerseits beflügelt die Formstärke von Harit das Schalker Spiel; gegen Köln war er an der Hälfte der Schalker Torschüsse direkt beteiligt. Andererseits macht diese Einseitigkeit das Spiel der Schalker arg ausrechenbar.
4. Alle Augen auf Klaas-Jan Huntelaar
Harit sorgt zwar für Torgefahr, wenn er in die Mitte zieht und seine Mitspieler von dort aus bedient. Wenn der Tunesier und Kolasinac am Flügel kombinieren, versanden die Angriffe jedoch meistens.
Schalke fehlt die Möglichkeit, Flügelangriffe mit einer Flanke in den Strafraum zu beenden. Dort wartet kein Angreifer, der solche Hereingaben aufs Tor bringen geschweige denn überhaupt erobern kann. Hoppe und Raman überzeugen eher mit ihrem Tempo.
Aus diesem Grund richten sich dieser Tage alle Augen auf Klaas-Jan Huntelaar. Der Rückkehrer soll mit seiner Präsenz im Strafraum für Torgefahr sorgen. Ob der Niederländer die nötigen Tore für Schalke schießt? Mit 37 Jahren hat Huntelaar an Spritzigkeit eingebüßt. Schalke müsste zudem gefährlichere Flanken schlagen als zuletzt. Gegen Köln kamen gerade einmal drei der 16 Versuche bei einem Mitspieler an.
5. Zu viel Wollen, zu wenig Können
Auch ohne Huntelaar haben die Schalker in der zweiten Halbzeit gegen Köln Torgefahr entfacht. Das Mittelfeld rückte weit vor, Harit forderte wieder und wieder Bälle. Zwischenzeitlich wich Trainer Gross sogar von seiner favorisierten Viererkette ab. In einem 3 – 4‑3-System wollten die Schalker den Siegtreffer erzwingen.
Wollen ist jedoch nicht Können. Schalke fehlten die Offensivmechanismen, um Kölns kompakte Defensive dauerhaft zu prüfen. Zugleich konnten sie Offensivpräsenz nur gewährleisten, indem sie weit vorrückten. In der Folge bekamen die Kölner mehr Räume zum Kontern. Es passierte, was passieren musste: In der Nachspielzeit erzielte der eingewechselte Jan Thielmann den 2:1‑Siegtreffer.
Schalkes Abstand auf den Relegationsrang beträgt damit acht Punkte. Die Königsblauen müssten eine historische Rückrunde spielen, um diesen Rückstand noch aufzuholen. Es gibt wenig Grund, an einen solchen Rekord zu glauben.