Am Wochenende gehörte er zu den 100 besten FIFA-Spielern der Welt. Im normalen Leben ist Sascha Mockenhaupt Kapitän eines Drittligisten. Wie ist das passiert?
Mockenhaupts Tempo sorgte dafür, dass er noch eine Chance erhielt. Bis dahin spielte er auf der rechten Außenbahn in Betzdorf, Oberliga Südwest, er machte Abi und wollte Psychologie studieren, absolvierte ein FSJ in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung. Dann kam ein Scout des 1. FC Kaiserslautern vorbei, weil es hieß, dass in Betzdorf „viel über den Rechtsaußen geht“. Der Scout war nicht beeindruckt. Mockenhaupts Glück: Im Spiel brach sich ein Innenverteidiger den Zeh. Nach der Pause sprang er als Verteidiger ein. Der Scout bot ihm ein Probetraining bei der zweiten Mannschaft an.
Seit 2014 ist Mockenhaupt Profi. Er hat für Kaiserslautern gespielt, für den VfR Aalen, er war ein Jahr bei FK Bodø/Glimt in Norwegen und seit 2017 spielt er für Wiesbaden. Wenn er seine Stationen aufzählt, spricht er reflektiert. Sortiert zwischen Fußball, dem Beruf, und Kicken mit den Jungs. Er weiß, dass da eine Menge zusammengekommen ist. Dass Franco Foda, der Trainer in Lautern, ausgerechnet einen schnellen Verteidiger brauchte. Und Foda in der zweiten Mannschaft bei ihm fündig wurde. Dass er mal wieder eine Chance genutzt hat. Mockenhaupt ist es wichtig, dass er für den Erfolg viel getan hat. Er hat zehn Kilo Muskelmasse zugelegt, Extraschichten, alles aufgeholt, was die Kollegen in den Leistungszentren eingetrichtert bekamen. „Dafür“, sagt er, „weiß ich, was Muttizettel und Zeltfeten bedeuten.“ Hat alles seine Vorteile.
Zum Beispiel die langen Fahrten zum Training nach Leverkusen. Weil er abends nach Hause kam, wenn seine Freunde schon schliefen, gab es nur eine Freizeitoption: zocken. „Fußball und Zocken. Ich habe nicht anderes mehr gemacht.“ Meistens spielte er FIFA. Und, natürlich, nutzte er wieder eine Gelegenheit. Weil die E‑Sport-Abteilung in Wiesbaden oft verliert, schlugen Teamkollegen im vergangenen Winter vor, „der Mocki“ solle es mal probieren. Der Kapitän der Fußballmannschaft schlug die E‑Sportler – und ist seitdem Mitglied beider Teams. Alle drei Tage spielt er nun, auf der Streaming-Plattform Twitch kann jeder zusehen. Durch Klicks und Sponsorenverträge verdient Mockenhaupt ein bisschen nebenher. Knapp vierstellig, wenn’s richtig gut läuft. Mehr als vorher, sagt er, sitze er deshalb nicht vor der Konsole. Er und der Verein haben das Marketingpotential erkannt. In den Streams kommen sich „M_ocki“, der Profi, und Wiesbadens Fans unverfälscht nah.
Dann sitzt Mockenhaupt fünf Stunden vor der Konsole. Im Hintergrund ein abgewetztes BVB-Kissen aus Kindertagen und die Trikots alter Weggefährten säuberlich an der Wand aufgehängt. Proschwitz, Dadashov, Christoph Kramer. Online gewinnt er gegen AleSerb95, xBl4ckW0lf3, und er dreht auch das Spiel gegen machine904. Seine Fans feuern ihn in den Kommentaren an. Einer schreibt: „Euer Auswärtstrikot ist zu wild.“ Ein anderer: „bin raus für heute hausaufgaben noch und essen viel glück noch @M_ocki“.