Gleich startet Young Boys Bern als amtierender Schweizer Meister in die Champions League. Doch das Team war nicht immer so erfolgreich – im Gegenteil. Weil der Verein andauernd versagte, landete er sogar im Sprachgebrauch der Jugend.
Anmerkung: Der Text stammt aus dem Frühjahr 2017. Im Sommer 2018 holte der Verein endlich einen Titel: die Schweizer Meisterschaft.
Im März 2017 war es mal wieder so weit. Die schweizerische Website 20min.ch urteilte: „Cup-Blamage – Mehr Veryoungboysen geht gar nicht mehr.“ – Bitte was? Ist klar, dass der Schweizer für den hochnäsig parlierenden Hochdeutschen nicht immer gleich zu verstehen ist, aber was verdammt nochmal bedeutet „veryoungboysen“?
Am Abend zuvor hatte das Team von Young Boys Bern ihr Pokalviertelfinale im Schweizer Cup bestritten. Ein Heimspiel gegen den Außenseiter FC Winterthur aus der zweithöchsten Spielklasse. Und eine gute Möglichkeit für den Traditionsverein im Wankdorfstadion ihrem ersten Titel seit 30 Jahren – abgesehen vom Gewinn des Uhrencups 2007 – ein bedeutendes Stück näher zu kommen.
Wer hat’s erfunden?
Zumal die Berner in der achten Minute bereits in Führung gingen und drückend überlegen mit 2:0 in die Pause kamen. Konnte da noch etwas anbrennen? Es konnte. Erst glich Winterthur aus, dann vergab Yoric Ravet die Chancen zum 3:2 in der regulären Spielzeit und anschließend auch in der Verlängerung. Selbstredend vergab er dann auch noch einen Versuch im Elfmeterschießen – und die Young Boys flogen (mal wieder) raus.
Seitdem ist „veryoungboysen“ wieder in aller Munde. Wer hat’s erfunden? Ein Schweizer. Bei der Weltmeisterschaft 2006, die die Schweiz ohne reguläres Gegentor, aber im Elfmeterschießen gegen die Ukraine beendete, vergab Marco Streller derart kläglich, dass der Blogger „Herr Natischer“ erstmals vom „verstrellern“ sprach. Kurz darauf wurde aus „verstrellern“ ein „veryoungboysen“, als Natischers Herzensklub immer wieder beste Ausgangslagen eiskalt liegen ließ.
Young Boys vergeben jede Chance
Zum Beispiel das Pokalfinale 2009, das man trotz zweimaliger Führung gegen den unterklassigen FC Sion noch in der Schlussminute vergeigte. Oder in den letztjährigen Pokalrunden, als man gegen solch hochklassige Mannschaften wie dem FC Le Mont LS (3. Liga, 1:4), dem FC Wil (2. Liga, 3:4 n.V.) und dem SC Buochs (5. Liga, 0:1) ausschied. Ansonsten reicht auch ein Blick auf die Ligatabelle, die die Young Boys aus Bern in den letzten zehn Jahren nahezu ausschließlich als Zweiter oder Dritter abschlossen.
Nicht weiter verwunderlich also, dass sich die Fans bei einer Umfrage nach dem erneuten Pokal-Aus als Maßnahme für die Mannschaft empfahlen: „Dieser Mannschaft ist nicht zu helfen“.
Doch „veryoungboysen“ hat längst den fußballerischen Sprachraum verlassen. Es ist der linguistische Gegensatz zum „zlatanisieren“, dem kompromisslosen Dominieren des Gegners. Wenn ein Schweizer Schüler seine Matura verhaut, dann ist er nicht länger durchgefallen, sondern hat die Prüfung schlicht veryoungboyst. Wenn die Band bei ihrer Premiere keinen geraden Ton spielt, haben sie ihren Auftritt böse veryoungboyst. Und wer später im Studium nicht einmal die lallende Blonde am Tresen abgreift, der hat den Abend ziemlich veryoungboyst.
17 Punkte auf Basel
„Das Wort ›Veryoungboysen‹ ist in der Schweiz tatsächlich in aller Munde“, hat auch Herr Natischer festgestellt, „auch seriöse Zeitungen verwenden es, wenn wieder einmal ›irgendwer eine sehr gute Ausgangslage ohne Not verschenkt‹“. Dabei hätten die Fans der Young Boys Bern gerade in dieser Saison frischen Mut geschöpft. Mit einer Mannschaft internationalen Formats und einem fähigen Trainer sollte mehr drin sein. Stattdessen: Pokal-Aus, Tabellenzweiter mit 17 Punkten Rückstand auf Basel und vielleicht auch im nächsten Jahr nur Europa League.
Das ärgert die Fans, die laut dem Blogger Natischer eine feine Ironie in Bezug auf das Image ihren dauererfolglosen Klub entwickelt hätten: „Wir kokettieren natürlich damit und sagen, dass wir am Finaltag eh keine Zeit gehabt hätten oder für eine Meisterfeier gar nichts Passendes anzuziehen hätten.“
Nur noch Mitleid
Die Niederlagen täten dem Zuschauerschnitt sowieso keinen Abbruch. Drei Tage nach dem Pokaldebakel war das Wankdorfstadion gefüllt wie eh und je. „Die Titellosigkeit frustriert uns immer nur vorübergehend“, weiß Natischer und überlegt, „schlimm daran ist eigentlich nur, dass man im Büro nicht mal mehr gehänselt wird, sondern eher Mitleid bekommt.“ Und dann, ist der Arbeitstag nun wirklich veryoungboyst.