25 Jahre, 725 Pflichtspiele, 19 Titel – Iker Casillas ist der größte Torhüter, den Real Madrid je hatte. Am Wochenende wurde er wie ein Ergänzungsspieler verabschiedet.
Illgner befand sich Ende der Neunziger Jahre auf der Zielgeraden seiner Karriere, als Iker Casillas aus Reals Nachwuchs zur ersten Mannschaft stieß. „Er war ruhig, aber wissbegierig, er schaute sich alles an und lernte unheimlich schnell. Seine große Veranlagung war für jedermann sichtbar“, erzählt Illgner, der heute in Florida lebt und für das US-Fernsehen Reals Spiele als Experte begleitet. „Es ist traurig zu sehen, wie mit Iker in den letzten Jahren umgegangen wurde“, sagt er.
Casillas kam als Neunjähriger zu Real Madrid. Für einen anderen Verein hat er nie gespielt. Zum Training reiste er viele Jahre mit der U‑Bahn aus Mostoles an, seine einfache Herkunft betonte er stets mit Stolz. „Ich bin kein Galaktischer, ich bin aus Mostoles“, sagte er auf dem Höhepunkt der Galacticos, jener Zeit, als Zinedine Zidane, Luis Figo, David Beckham, Roberto Carlos und Ronaldo das Real-Trikot trugen. Der Wandel unter Perez, der aus Real eine Version der Harlem Globe Trotters des Fußballs machte, war für ihn nie nachvollziehbar. Ihr Verhältnis blieb stets unterkühlt.
Das Finale gegen Leverkusen
Aber irgendwann war Casillas einfach zu gut, dass ihn ein Präsident hätte aus dem Tor vertreiben können. Fünfmal in Folge wurde er als Welttorhüter ausgezeichnet, seine Paraden sicherten Real Titel und machten Spanien zum Welt- und Europameister. Wie gut er ist, zeigte Casillas der Welt zum ersten Mal, da war er 21 Jahre alt. Im Finale der Champions League 2002 gegen Bayer Leverkusen wurde er nach etwas mehr als einer Stunde für den verletzten Cesar eingewechselt. Eine undankbare Aufgabe, Leverkusen drängte auf den Ausgleich, aber dieser junge Teufelskerl warf sich jedem Ball entgegen, selbst aus zwei Meter Entfernung konnten ihn Bayers Schützen nicht überwinden. Fortan führte an ihm kein Weg mehr vorbei. Zehn Jahre lang war er das Gesicht Real Madrids, die Identifikationsfigur inmitten einer Weltauswahl.
Dann kam Mourinho.
Der lange Abschied des Iker Casillas begann im Mai 2011, auf dem Höhepunkt der Rivalität mit dem FC Barcelona. José Mourinho hatte damals das Klima zwischen beiden Mannschaften vergiftet, selbst die spanischen Nationalspieler gingen aufeinander los.
Mourinho beschuldigte Casillas des Hochverrats
Nach einem besonders hitzigen Clasico war es dann Casillas, der zum Wohle der Selección Barças damaligen Kapitän Xavi anrief und um Entschuldigung bat. Mourinho bekam von dem Friedensgipfel Wind und beschuldigte Casillas des Hochverrats. Und Florentino Perez bekam doch noch seinen Anlass, den Torwart loszuwerden.
In einem bitterbösen Interview mit der Zeitung „El Mundo“ sprachen die Eltern von Iker Casillas nun über die Rolle des Präsidenten beim Abschied ihres Sohnes. „Florentino Perez trägt große Schuld daran, dass Iker Real Madrid verlässt. Er hat es ihm sehr schwer gemacht“, sagte Mutter Maria Carmen. Vater José Luis kann den Wechsel immer noch nicht fassen. „Ein Weltmeister kann doch nicht in Porto aufhören. Für Iker ist das wie dritte Liga. Mein Sohn hätte einen Klub vom Rang des FC Barcelona verdient.“ Barcelona, der Erzrivale. Das hatte gesessen. José Luis sprach weiter: „Ich will nur, dass es ihm gut geht und er nicht als Kloputzer endet wie der Weltmeister Andreas Brehme oder völlig zerstört wie Vitor Baia.“ Zerstört war am Ende vor allem Iker Casillas Ansehen.
Es war ein langer, quälender Abschied. Unschön und unwürdig. Erst vor wenigen Tagen brüllten hunderte Fans bei der Vorstellung des neuen Rechtsverteidigers Danilo nicht etwa dessen Namen, sondern „de Gea, de Gea, de Gea“.
Gemeint war David de Gea, vor 24 Jahren in Madrid geboren und aktuell noch Torhüter von Manchester United. Wenn alles so läuft wie sich die Verantwortlichen das vorstellen, wird de Gea Nachfolger von Casillas im Tor von Real Madrid. Im Gegenzug könnten Verteidiger Sergio Ramos und Ersatztorwart Keylor Navas nach Manchester wechseln.
Auch die Ultras machten Stimmung gegen Casillas
Reals Fans waren bis zuletzt gespalten, die meisten hielten zu Casillas, vor allem die Ultras aber hatten sich gegen ihn verschworen. Bei Heimspielen pfiffen sie ihn aus oder pöbelten in seine Richtung, wenn er das Hotel verließ. Casillas litt unter den Schmähungen, er verlor Gewicht, wurde immer unsicherer und auch der Mannschaft machte die schlechte Stimmung daheim sportlich zu schaffen. „Iker spielte wie einer, dem alles Selbstvertrauen abhanden gekommen ist“, sagt Bodo Illgner und glaubt deshalb, dass Casillas der Wechsel gut tun wird. „In Porto hat er in Lopetegui einen Trainer, der an ihn glaubt.“
Als kleiner Junge hat Iker Casillas nur ein anderes Trikot besessen als das von Real Madrid. Sein Vater, der dienstlich oft in Bilbao war, hatte ihm einmal das rot-weiß-gestreifte von Athletic mitgebracht. Es blieb weitgehend unberührt. Iker wollte immer nur das Real-Dress tragen.