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Andreas Möller war ein begna­deter Fuß­baller. In seiner aktiven Zeit gewann er fast alle Titel, die sich ein Profi vor­stellen kann. Sein sport­li­ches Talent ist unstrittig. Seine soziale Kom­pe­tenz, sein Fein­ge­fühl im Umgang mit Fans und bei öffent­li­chen Auf­tritten konnten mit seiner außer­ge­wöhn­li­chen Bega­bung am Ball jedoch nicht Schritt halten. Möller unter­lief ein Fehler, den viele Profis machen, denen abgöt­ti­sche Ver­eh­rung zuteil wird: Er glaubte, nicht nur auf dem Rasen, son­dern auch in allen anderen Lebens­lagen eine beson­dere Bevor­zu­gung zu ver­dienen und damit das Recht für sich gepachtet zu haben.

Kaum ein deut­scher Profi hat sich mit dieser Hal­tung mehr Feinde gemacht als Möller. Binnen weniger Jahre zemen­tierte er sein Image als geld­geiler Arro­ganz­bolzen, dem die Belange von Fans und Klub­funk­tio­nären sonstwo vor­bei­gehen, solange es ihm nur zum Vor­teil gereicht. Möller tat auch abseits des Rasens meist das, was er auf dem Platz mit Per­fek­tion beherrschte: Er anti­zi­pierte Situa­tionen in Über­schall­ge­schwin­dig­keit und strebte dabei den maxi­malen Erfolg an. Und ergaben sich dabei Pro­bleme, umkurvte er diese, ohne groß drüber nach­zu­denken.

Wo Liebe im Spiel ist, lässt sich ver­letztes Ver­trauen nur mühsam zurück­ge­winnen

Ihn und seinen Berater Klaus Gerster („Der schwarze Abt“) hat dieses Gebaren zu wohl­ha­benden Män­nern gemacht. Doch wie sagte einst Oliver Kahn: Wenn die Kar­riere vorbei ist, dauert das Leben noch sehr, sehr lang.“ Wie lang, das erfährt Möller seit er im Oktober einen Ver­trag bis Sommer 2022 als Leiter des Nach­wuchs­leis­tungs­zen­trum bei Ein­tracht Frank­furt unter­schrieben hat. Bei der Ein­tracht ist er zum Profi gereift, hat mit­ge­wirkt, dass der Klub nach dem Mau­er­fall zeit­weise den attrak­tivsten Fuß­ball in Europa spielte. Doch er hat auch mehr­fach beteuert, seinem Verein auf ewig treu zu bleiben, und diese Ver­spre­chen ohne einen Hauch von Reue gleich im Anschluss gebro­chen. Als Manager bei Kickers Offen­bach gab er 2009 zu Pro­to­koll, keine Ver­bin­dung mehr zu seinem alten Klub zu hegen. Ein Satz, der es ihm sicher leichter machte, im Nach­barort die Vor­be­halte gegen ihn aus­zu­räumen. Dann sagte 2017 vor dem DFB-Pokal­fi­nale zwi­schen Ein­tracht und dem BVB gleich noch einmal, dass er keine Ver­bin­dung mehr zu Frank­furt habe. Diplo­matie war noch nie Möl­lers Ste­cken­pferd. Doch Fans haben in diesen Dingen das Gedächtnis eines Ele­fanten. Denn überall, wo Liebe im Spiel ist, lässt sich ver­letztes Ver­trauen – zumal, wenn die Krän­kung gleich mehr­fach erfolgt – nur sehr mühsam wieder zurück­ge­winnen.

So gesehen müssen die Ent­scheider bei der Ein­tracht gewusst haben, dass ein Sturm der Ent­rüs­tung los­bricht, wenn Möller in lei­tender Funk­tion zu seinem Jugend­klub zurück­kehrt. Und die Fronten waren schnell klar: Vor­stand Fredi Bobic zeigte klare Kante bei der Ent­schei­dung („Wer gegen Möller ist, ist auch gegen mich“). Die Ultras reagierten mit einem offenen Brief („Nein zu Andreas Möller“), in dem sie minu­tiös dessen Ver­feh­lungen der Ver­gan­gen­heit sezierten – und damit ihre Anti-Hal­tung, die sich auch im Sta­dion Bahn brach, mit Argu­menten unter­füt­terten. Nun bekräf­tigte auf der Mit­glie­der­ver­samm­lung Prä­si­dent Peter Fischer mit der ihm eigenen Verve noch einmal die Ent­schei­dung für Möller. Begleitet von ver­ein­zelten Buh-Rufen und Gelächter rief er den Fans im Bei­sein des Nach­wuchs­lei­ters zu: Andi ist hier, denn er hat Eier! Geh Deinen Weg weiter. Du bist beliebt und machst es gut.“ Es sind Sätze, die ein Mann wie Fischer, der über Ellen­bogen und Auto­rität ver­fügt, sehr bewusst wählt für einen, dem in Deutsch­land noch immer das Image des wei­ner­li­chen Söld­ners anhaftet.

Ent­spre­chend kernig fiel die Replik des Anhangs aus. Ein Spre­cher der aktive Fan­szene ver­kün­dete Möller Anwe­sen­heit sein ein Schlag ins Gesicht“ für die Fans: Er hat die Ein­tracht-Familie mehr­fach ver­raten.“ Es waren mar­kige Worte aus beiden Lagern und doch drängte sich der Ein­druck auf, die Ver­samm­lung habe ihren urei­genen Zweck in dieser höchst sen­si­blen Frage erfüllt: Men­schen, die sich in Unfrieden gegen­über stehen, zusammen und ins Gespräch zu bringen.

Schließ­lich geht es in dieser mora­li­schen Dis­kus­sion vor allem um die Frage: Was ist gerecht? Nach dem Grund­ge­setz ver­jährt bis auf Mord jede Straftat irgend­wann. Im Pro­fi­fuß­ball aber kann eine vor­sätz­liche Unwahr­heit – das beweist der Fall Möller – eine lebens­läng­liche Buße nach sich ziehen. Die wirk­lich schwer­wie­genden Ver­gehen des Andreas Möller liegen mehr als ein Vier­tel­jahr­hun­dert zurück. Peter Fischer hat daran erin­nert, dass jeder Mensch das Recht auf einen neuen Anfang hat. Die Chance ver­dient, zu beweisen, dass er sich ändern kann. 

Stellen wir uns vor, Andy Möller hätte die Zeit seit er das letzte Mal der Ein­tracht Treue heu­chelte, im Gefängnis ver­bracht. Wer würde ihm nicht glauben, dass er in der Über­zeu­gung vor die Knasttür tritt, von nun an ein recht­schaf­fenes Leben zu führen? Dass viele Fans Zweifel daran haben, ist nur ver­ständ­lich und nach­voll­ziehbar. Dass aber die Ent­scheider sich dieses Kon­flikts und damit der Gefahren eines Rück­falls bewusst sind und sie den­noch aus Über­zeu­gung für die Per­so­nalie ein­treten, ver­dient eben­falls Respekt.

Mei­nungs­viel­falt im direkten Dialog

Denn unzwei­fel­haft ist: Möl­lers Leis­tungen als Nach­wuchs­chef werden wie unter dem Brenn­glas ana­ly­siert. Bleiben die erhofften Erfolge aus, wird sich die Kritik nicht allein auf ihn kapri­zieren, son­dern auch auf die, die für seine Anstel­lung ver­ant­wort­lich zeichnen. Dass beide Lager nun noch­mals unmiss­ver­ständ­lich ihre Posi­tionen deut­lich gemacht haben, beweist, wie aus­ge­prägt das Demo­kra­tie­ver­ständnis bei Ein­tracht Frank­furt ist. Dass hier Mei­nungs­viel­falt auch im direkten Dialog – so kon­tro­vers dieser sein mag – gelebt wird.

Peter Fischer sagt: Wir grenzen nie­manden aus.“ Ein pathe­ti­scher Satz, aber gerade in heu­tigen Zeiten ein hehres Anliegen. Und dass der Prä­si­dent sich mit diesen Worten aus­ge­rechnet an Andreas Möller richtet, zeugt zu aller­erst von großer Tole­ranz und Mensch­lich­keit.