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Das Inter­view erschien erst­mals in 11FREUNDE #110. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhält­lich.

Klaas-Jan Hun­telaar, Sie treffen durch­schnitt­lich in zwei von drei Spielen. Löst ein Tor­er­folg bei Ihnen noch beson­dere Gefühle aus?
Das Gefühl, wenn der Ball im Netz zap­pelt, ist unbe­schreib­lich. Dann explo­dieren 50 000 Fans auf den Rängen. Tore zu schießen, ist für mich eine Sucht.

Tore schießen ist wie Fahrrad fahren“, haben Sie einmal gesagt. Heißt das, dass man es nicht mehr ver­lernt, wenn man es einmal kann?
Seit meiner jüngsten Kind­heit stehe ich vor dem Tor und warte auf meine Chance. Inzwi­schen ist mir das Tore­ma­chen in Fleisch und Blut über­ge­gangen.

Das klingt so selbst­ver­ständ­lich, als könne man es nicht üben.
Doch, natür­lich kann man das trai­nieren. Aber es ist eine Frage des Kopfes, ob ich in bestimmten Situa­tionen in der Lage bin, die rich­tige Lösung zu finden. Viele Stürmer kennen die Lösung, ver­passen aber die Situa­tion, um sie ein­zu­setzen.

Haben Sie sich auf You­tube das Video Hun­telaar Scoring Tech­nics“ ange­schaut?
Nein, ich bin nicht allzu oft im Internet. Was gibt es da zu sehen?

Das Video zeigt einen zehn­mi­nü­tigen Zusam­men­schnitt Ihrer Treffer und ist wie ein Lexikon des Tore­schie­ßens: Distanz­schuss und Abstauber, Flug­kopf­ball und Lupfer, Rechts- und Links­schuss, Schlenzer, Dribb­lings. Ist diese Viel­sei­tig­keit Ihr größter Trumpf?
Ich habe immer nur vor Augen, das Tor zu machen. Wenn der Ball auf Brust­höhe kommt, halte ich meine Brust hin. Wenn es das Knie sein soll, nehme ich das Knie. Ich wähle immer die ein­fachste Lösung.

Ich kann nicht meine Kraft in der Defen­sive auf­brau­chen, weil sie mir dann im Angriff fehlt“

Als was für einen Typ Goal­getter sehen Sie sich selbst?
Ich bin in der Nähe des Tores am wert­vollsten und fühle mich da am wohlsten. Aber in dem engen Kor­ridor vorm Tor sind immer sehr viele Leute und der Raum für einen Stürmer ist minimal. Des­wegen muss man sich gele­gent­lich zurück­fallen lassen, dann hat man die Abwehr vor sich. Rücken die Ver­tei­diger nicht nach, eröffnen sich voll­kommen neue Mög­lich­keiten.

Sind Sie ein alt­mo­di­scher Stürmer?
Was meinen Sie damit?

Heut­zu­tage erwartet man von einem Angreifer eher, dass er sich in den Aufbau ein­schaltet, mit­spielt, ver­tei­digt.
Aber ich liebe es doch auch mit­zu­spielen und will immer den Ball haben. Nur geht es letzt­lich darum, Tore zu schießen. Wenn man als Stürmer mehr im Mit­tel­feld arbeitet, kann man nicht direkt vor dem Tor zur Stelle sein. Ich kann nicht meine Kraft in der Defen­sive auf­brau­chen, weil sie mir dann im Angriff fehlt. Mit der Kraft schwindet auch die Kon­zen­tra­tion. Wenn der Ball in den Sech­zehner kommt, musst du vor dem Tor stehen, sonst hast du deinen Job ver­fehlt.

Für Louis van Gaal, der Sie schon lange kennt, sind Sie der beste Straf­raum­stürmer der Welt“.
Ich denke, er meinte, dass ich ein gutes Gefühl für die rich­tige Posi­tion habe, um auf ein­fachstem Weg zum Abschluss zu kommen.

Ich nehme einen grö­ßeren Bereich wahr als andere Spieler“

Wie ent­wi­ckelt man das nötige Gespür dafür?
Das ist Instinkt. Wenn ich eine Situa­tion erkenne, dann mache ich intuitiv, was ich für das Beste halte.

Aber was macht diesen Instinkt aus? Gab es mal Tests, die Ihnen darauf Rück­schlüsse gelie­fert haben?
Beim AC Mai­land habe ich im MilanLab so viele Test­reihen absol­viert wie bei keinem anderen Verein. Dar­unter war auch ein Augen­test, in dem es vor allem um Wahr­neh­mungs­fä­hig­keit ging. Ich muss sehr gut abge­schnitten haben, denn der Tester war hin­terher richtig eupho­risch. Er sagte mir, dass nie­mand zuvor mit so einem guten Ergebnis abge­schlossen habe.

Was mussten Sie machen?
Man hat einen Bild­schirm vor sich, auf dem man ein Spiel­feld sieht. Dort leuch­tete in unre­gel­mä­ßigen Abständen kurz ein Licht auf, das ich per Maus­klick schnellst­mög­lich mar­kieren musste. Damit wurde einer­seits die Reak­ti­ons­fä­hig­keit, aber auch das peri­phere Sehen getestet. Die Punkte lagen teil­weise auch außer­halb des Spiel­felds, so dass man auch die Größe des Sicht­feldes bestimmen konnte.

Sie sehen also Dinge, die Ihre Gegen­spieler so schnell nicht wahr­nehmen?
Ja, anschei­nend nehme ich einen grö­ßeren Bereich wahr als andere Spieler.

Und was pas­siert, wenn der Ball ange­flogen kommt und Sie regis­trieren: Das könnte eine Rie­sen­chance werden?
Für mich ist das wie Mathe­matik: Ich kal­ku­liere die Situa­tion und suche sys­te­ma­tisch nach der besten Lösung. Dabei ori­en­tiere ich mich an drei Fix­punkten: Wo steht mein Gegen­spieler? Wo ist der Tor­wart? Und auf wel­cher Posi­tion bin ich? Dieses Dreieck muss ich in Sekun­den­bruch­teilen erkennen und ent­scheiden, wie ich den Ball best­mög­lich ver­ar­beite. Wichtig ist nur: Der Weg zum Tor sollte immer der ein­fachste sein.