Leeds United kehrt in die Premier League zurück, der Aufstieg gilt als Meisterstück von Marcelo Bielsa. Doch wer ist der Trainer, den Pep Guardiola verehrt und der Diego Simeone inspiriert? Eine Spurensuche.
In ihrer Klasse, Besessenheit und der besonderen Verbindung zum Publikum ähneln sich die beiden Trainer. Auch darin, alle im Klub gleich zu behandeln, vom Besitzer bis zur Wäschefrau. Aber wo Revie verschlagen war, ist Bielsa, der praktizierende Katholik, fast schon pathologisch ehrlich. Das wurde spätestens bei dem klar, was die englischen Medien „Spygate“ nannten. Nach einer Niederlage von Derby County in Leeds Anfang Januar beschwerte sich deren Trainer Frank Lampard, dass sie einige Tage vor dem Spiel jemanden erwischt hatten, der im Auftrag von Bielsa ihr Training ausspioniert hatte. Zwar stellte sich heraus, dass der vermeintliche Spion schlicht von einem öffentlichen Weg aus zugeschaut hatte, aber da war die Aufregung schon riesig.
Eine denkwürdige Pressekonferenz
Als Leeds United daraufhin kurzfristig zu einer Pressekonferenz einlud, brach bei den Fans helles Entsetzen aus. Schließlich konnte das nur bedeuten, dass „El Loco“ die Brocken hinwerfen würde. Doch stattdessen übernahm Bielsa zunächst die volle Verantwortung für die Affäre, um dann in einer 70-minütigen Präsentation offenzulegen, wie er seine Gegner analysiert. In der Vorbereitung auf ein Spiel würden insgesamt 300 Arbeitsstunden seines Trainerteams stecken, inklusive der Trainingsbeobachtung. „Wir fühlen uns schuldig, wenn wir nicht genug gearbeitet haben“, erklärte Bielsa bei dem schon jetzt historischen Auftritt. „Jetzt wisst ihr auch, warum wir unser Stadion nach ihm benannt haben“, twitterten die Newell’s Old Boys amüsiert. Seit 2009 spielt der Klub aus Rosario im Estadio Marcelo Bielsa.
Doch Bielsa ist nicht nur überehrlich und von ständigen Selbstzweifeln geplagt. Es gibt auch Zweifel an ihm. Verlangt er von seinen Spielern durch stets überlange Trainingseinheiten und ein ungeheuer laufintensives Spiel schlichtweg zu viel? Er bestreitet das und würde davon auch nie Abstriche machen. „Es ist so schwer, den Stil einer Mannschaft zu erschaffen, es dauert so lange und ist gleichzeitig so instabil. Wenn man ihn ändert, war er nicht stark genug. Und wenn man etwas leicht verändern kann, bedeutet das: Es war nicht schwer, das zu bauen.“ Auch Orta, sein größter Fan, bestärkt ihn in dieser Haltung. „Es ist doch großartig, wenn ein Trainer alles aus den Spielern herausholt“, ruft er, springt theatralisch auf und macht eine Handbewegung, als würde er Wäsche auswringen. Überhaupt, jeder im Verein müsse dankbar dafür sein, von diesem Perfektionisten lernen zu dürfen. „Er will doch nur, dass wir ein besserer Klub sind, wenn er eines Tages geht.“
Bester Trainer der Welt?
Wie bemisst man eigentlich Erfolg und Größe im Fußball? Darin, Klubs besser zu machen oder Spieler? An visionären fußballerischen Ideen und Konzepten? Oder schlichtweg an Titeln? Bielsa wurde im Laufe seiner fast 30-jährigen Karriere zweimal argentinischer Meister mit den Newell’s Old Boys und einmal mit Velez Sarsfield. Außerdem gewann er 2004 mit dem argentinischen Team die Goldmedaille bei Olympia. „Ich bin kein erfolgreicher Trainer. Eine der Sachen, die sie am meisten hören, wenn über mich gesprochen wird, sind die fehlenden Titel“, sagt er über sich. Doch Pep Guardiola widerspricht dem Mann, den er so bewundert: „Wir werden zwar danach beurteilt, wie viele Titel wir gewonnen haben. Aber das spielt eine geringere Rolle, als wie Bielsa den Fußball und seine Spieler beeinflusst hat.“ Genau aus diesem Grund sei er für ihn eben der beste Trainer der Welt.
In Marseille wurde Bielsa im Stade Vélodrome mit einem Banner begrüßt, auf dem stand: „El Loco, haznos soñar“. Verrückter, lass uns träumen! Siege und Titel waren damit gemeint, aber nicht nur. Bielsas wahre Größe, geboren aus Obsession und Gelehrtheit, Selbstzweifel und Zerknirschung, liegt jenseits zählbarer Erfolge. Denn der Verrückte ist Hüter des Traums von der Magie und der Kraft des Fußballs.