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Ihr habt das legen­däre Siegtor eures Her­zens­ver­eins ver­passt, weil Ihr pin­keln musstet? Oder den spek­ta­ku­lären Fall­rück­zie­her­treffer des geg­ne­ri­schen Tor­hü­ters, weil ihr nur kurz ein Bier holen wolltet? Dann bewerbt euch für den Award der Awards, für den erst­mals von der 11FREUNDE-Redak­tion gekürten Gol­denen Pisser“. Schickt Eure Geschichte an verpasst@​11freunde.​de. Wir freuen uns auf eure Miss­ge­schicke. 

Es gibt Schmerzen, die lässt man an sich vor­über­ziehen. Weil man weiß: Irgend­wann wird es besser. Unge­fähr einmal im Monat ist das so. Dann tritt man, maximal arg- und ahnungslos, etwa leicht ver­pennt beim Ver­lassen des Schlaf­zim­mers, mit dem Fuß volle Möhre gegen den Tür­rahmen. Man ist jetzt zwar wach, aber der kleine Zeh fühlt sich an, als wäre er auf­ge­platzt und gleich­zeitig abge­sprengt worden.

Kurz traut man sich gar nicht hin­zu­schauen, so übel könnte es sein. Doch dann, sobald einen die Kraft zum Flu­chen ver­lässt, schaut man doch hin. Und sieht, dass der Fuß noch ver­blüf­fend ganz ist – nicht mal ein Kratzer lässt sich finden, mit dem sich der Geschichte später, beim Erzählen, mehr Bri­sanz ver­leihen ließe. Vor­sichts­halber hält man den Zeh trotzdem noch ein wenig fest. Und wartet. Irgend­wann wird der Zeh sehr warm, der Schmerz ver­flüch­tigt sich, und für einen Monat hat man seine Ruhe. Ein schönes Gefühl.

In der 30. Minute kann ich nicht mehr

Beim Pin­keln ist es anders. Denn den Druck auf die Blase kann man nicht an sich vor­über­ziehen lassen. Im Gegen­teil. Die Qualen werden mit der Zeit immer schlimmer. Auch weil man weiß, dass es einen Ausweg gibt, einen ganz ein­fa­chen sogar. Man müsste sich ledig­lich erleich­tern. Den Schmerz Zen­ti­liter für Zen­ti­liter aus dem Körper fließen lassen. Das Pro­blem: Am nötigsten pin­keln muss man meist in Situa­tionen, in denen man eigent­lich nicht darf. Oder aus logis­ti­schen Gründen schlicht nicht kann. Auf einer langen Fern­bus­fahrt zum Bei­spiel, wenn die Che­mie­toi­lette genauso defekt ist wie der Stra­ßen­belag, wes­wegen der Bus hop­pelt und springt und mit ihm der Schmerz im unteren Bauch. Oder aber im Fuß­ball­sta­dion. Wenn der Druck immer dann zu groß wird, wenn noch nicht oder nicht mehr Halb­zeit­pause ist.

An diesem Samstag geht es mir so. Hertha spielt gegen Glad­bach, nach dem Spiel wird in Berlin und sogar in ganz Deutsch­land von einer wie ent­fes­selt auf­spie­lenden“ Hertha die Rede sein, von einem Offen­siv­feu­er­werk“. Doch bevor es so weit ist, bevor Duda und Dils­rosun die Leute auf der Haupt­tri­büne im Olym­pia­sta­dion zum ersten Mal seit Jahren von den Sitzen reißen, plät­schert das Spiel Mitte der ersten Hälfte unspek­ta­kulär vor sich hin. Und wenn etwas plät­schert, steigt natur­gemäß der Druck auf die Blase. In der 30. Minute kann ich nicht mehr.

Und weil das Risiko nor­ma­ler­weise klein ist, bei einem Hertha-Spiel etwas zu ver­passen, ziehe ich ein­fach los. Weg von meinen Freunden in der Kurve, hin zu den Pis­soirs. Das 0:1, den Elf­meter von Hazard, bekomme ich noch mit, auf der Treppe ganz oben in der Kurve ärgere ich mich gemeinsam mit einem Kut­ten­träger. Flu­chend gehe ich weiter zur Toi­lette. Noch wäh­rend der Schmerz meinen Körper ver­lässt, wird das Sta­dion laut. Ich kle­ckere, renne raus und sehe die Zeit­lupe vom 1:1 auf der Lein­wand. Mist. Bezie­hungs­weise: toll.

Werdet der Gol­dene Pisser“

Jetzt, denke ich, wo der Druck weg ist und ich eh schon alles ver­passt habe, kann ich auch noch Bier holen. Als ich mit dem Rücken zum Spiel in der Schlange stehe, explo­diert das Sta­dion wieder. 2:1 für Hertha, Lazaro, Spiel gedreht, Traum­fuß­ball, Wahn­sinn. Zum ersten Mal seit Jahren rich­tiger Fuß­ball. Es war furchtbar.

Am Tag darauf erzählte ich den Kol­legen von meinem Unglück. Von denen jeder wie­derum eine eigene Geschichte vom Ver­passen kannte. Die schlimmste geht so: Der Cousin eines Kol­legen war bei der WM 2014 in Bra­si­lien und hatte für jedes Deutsch­land-Spiel Karten gekauft. Das Halb­fi­nale, das 7:1, das viel­leicht epischste Spiel der deut­schen Fuß­ball­ge­schichte, ver­passte er, weil er Streit mit seiner Freundin hatte. Und im Finale, diesmal hatte er es immerhin ins Sta­dion geschafft, kam irgend­wann der Schmerz. In der 112. Minute konnte er nicht mehr. Und ging pin­keln. Eine Minute später traf Götze.

Für alle im Sta­dion ein Moment, den sie nie ver­gessen werden. Für den Cousin meines Kol­legen auch. Wes­wegen ein wei­terer Kol­lege kurz darauf die geniale Idee hatte, den größten Pech­vogel zu wür­digen. Mit einem Preis für die schlimmste Geschichte, für den größten ver­passten Moment, für das trau­rigste Schicksal. Wes­halb das hier ein Aufruf ist, euch zu bewerben. Werdet der Gol­dene Pisser“.