Ein Jahr nachdem Fälle von sexuellem Missbrauch im afghanischen Fußballverband öffentlich wurden, sprach die FIFA nun Urteile gegen Mitwisser dieser Taten aus. Doch die Vorwürfe an ihrer Gerichtsbarkeit lässt sie damit kaum verstummen.
Groß war die öffentliche Betroffenheit, als der englische Guardian im November 2018 über Ermittlungen der FIFA berichtete, die dem Vorwurf des Missbrauchs von Spielerinnen durch Mitglieder des afghanischen Fußballverbands nachgingen. Auch die FIFA zeigte sich schockiert. Im Anschluss kam es zu zahlreichen Berichten afghanischer Frauen, die über genau diese Missbrauchsfälle, Vergewaltigungen und strukturelle Unterdrückung sprachen. Als Ergebnisse dieser Ermittlungen wurde der afghanische Verbandschef Keramuddin Keram des Missbrauchs an zahlreichen Spielerinnen überführt und für eine fußballerische Tätigkeit lebenslang gesperrt. Darüber hinaus beschloss das FIFA-Ethikkomitee eine Strafzahlung in Höhe von einer Million schweizer Franken.
Fast ein Jahr später hat die FIFA nun eine fünfjährige Sperre sowie eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 schweizer Franken gegen Hanif Sadiq Rustam, einen ehemaligen Assistenten des Verbandschefs, ausgesprochen. Bereits im Oktober stellte die FIFA mit dem gleichen Strafmaß gegen ein weiteres Verbandsmitglied unter Beweis, dass die gerichtliche Aufarbeitung der Fälle nur äußerst langsam voranschreitet. Die Männer, die im engsten Umfeld Kerams agierten, sollen von dessen Missbräuchen, den Vergewaltigungen und dem System dahinter gewusst haben. Doch sie schwiegen.
Kein Einzeltäter
Im Sommer warf Kelly Lindsey, die Nationaltrainerin der afghanischen Frauenfußballmannschaft, der FIFA in einer eindrucksvollen Rede während der WM in Frankreich vor, gegen niemanden außer Keram ermittelt zu haben. Die Taten, so Lindsey, ließen sich keinesfalls auf die Person Keram begrenzen. Dies hätten die betroffenen Frauen dem Weltverband ausdrücklich mitgeteilt. Man hätte den zuständigen Gremien konkrete Hinweise zu den Ermittlung geliefert. Das bestätigten auch die ehemalige Nationalspielerinnen Khalida Popal und Shabnam Mobarez.
Ebenso berichteten sie, der FIFA Dokumente vorgelegt zu haben, die den strukturellen sexuellen Missbrauch belegen sollten. „Wir gaben ihnen eine klare und präzise Möglichkeit, das Richtige zu tun und zu beweisen, dass sie integer sind“. Vergebens, wie Lindsey wenig später in ihrer Rede deutlich machte. Tatsächlich war im Urteil gegen den Verbandschef Keram keine Rede davon, dass dieser mögliche Mittäter oder Mitwisser gehabt haben könnte.