Am Ende saßen die beiden Brüder Seite an Seite auf der Bank, hielten sich, wie es im inter­na­tio­nalen Fuß­ball inzwi­schen Usus ist, schüt­zend die Hände vor den Mund, damit kein Lip­pen­leser ihren Dialog ent­schlüs­seln konnte. Ein Hauch von Sar­kasmus lag in ihren Zügen. Robert und Niko Kovac konnten sich offenbar des Ein­drucks nicht erwehren, dass ihr Wei­ter­kommen in der schil­lernden WM-Gruppe A mit Gast­geber Bra­si­lien und den exzen­tri­schen Mexi­ka­nern nicht recht gewünscht war. Natür­lich haben Schieds­rich­ter­ent­schei­dungen gegen Bra­si­lien unsere Situa­tion ver­schlech­tert“, brachte es Ivica Olic später auf den Punkt, ein Punkt im Eröff­nungs­spiel und wir hätten nicht den Druck gehabt, gegen Mexiko gewinnen zu müssen.“

So aber mussten die Kroaten gegen die Beton­ab­wehr um Rafael Mar­quez eine kräf­te­zeh­rende Offen­siv­stra­tegie fahren, die über die gesamte Spiel­zeit nur wenig Durch­schlags­kraft ent­wi­ckelte. Mexiko zer­mürbte mit einer Pas­siv­taktik den Sie­ges­willen der Männer vom Balkan, die weder mit ihrer Kopf­ball­stärke, noch mit ihren schnellen Außen­stür­mern zum Zuge kamen. Als die Kroaten in der 72. Minute nach einer Stan­dart­si­tua­tion den ersten Gegen­treffer fingen, war es vorbei mit der Moral. Da wussten wir,“ so Olic, das war’s.“

Die große Freude über die Aus­lo­sung

Wie groß war die Vor­freude vor dem Tur­nier gewesen. Ein Wink des Schick­sals hatte den welt­weiten Schein­werfer auf den Staat an der Adria gedreht. Die Aus­lo­sung hatte ergeben, dass Kroa­tien das WM-Eröff­nungs­spiel gegen die Sel­ecao aus­trug – und die Hälfte der Mensch­heit live am TV dabei sein würde. Was für ein Happy-End, nachdem das Team erst über die Rele­ga­tion das Tur­nier-Ticket gelöst hatte. Die Kovac-Brüder, hastig vor den Ent­schei­dungs­spielen in die sport­liche Ver­ant­wor­tung gehoben, hatten einen neuen Team­spirit ent­facht. Die Hoff­nungen auf eine Sen­sa­tion stiegen. Wir haben alle Frei­heiten“, sagte Ivica Olic vor Beginn der WM, scheiden wir aus, sagen alle: War zu erwarten. Aber errei­chen wir etwas, wird die Welt über uns reden.“

Doch nach der Ankunft im Quar­tier in Praia de Forte war es schnell vorbei mit der Idylle. Die Nacktionalspieler“-Affäre, die ein Bou­le­vard­blatt anzet­telte, als es die Bilder ent­blößter Aus­wahl­spieler im Hotel­pool druckte, sorgte für Wirbel. Das Eröff­nungs­spiel gegen Bra­si­lien wurde nach einem hoff­nungs­vollen Beginn zur Farce, als der Sel­ecao-Super­star Fred prak­tisch ohne Berüh­rung durch einen Gegner im Straf­raum dahin sank und einen Elf­meter zuge­spro­chen bekam. Niko Kovac ließ seinem Ärger freien Lauf: Es ist eine Schande.“ Den­noch: Nach dem furiosen 4:0 über die zer­strit­tene Elf aus Kamerun, wuchsen die Hoff­nungen aufs Wei­ter­kommen wieder. Schließ­lich hatte es die Mann­schaft wieder in der eigenen Hand, mit einem Sieg gegen Mexiko das Ach­tel­fi­nale zu errei­chen.

Mexiko wird unser Finale“

Es waren jedoch offen­kundig ein paar Pro­bleme zuviel, die das Team auf dem Weg in das vor­ge­zo­gene K.o.-Spiel zu bewäl­tigen hatte. Wer die Kör­per­span­nung der beiden Trainer betrach­tete, erkannte schnell, wel­ches Team an diesem Spät­nach­mittag in Recife den grö­ßeren Sie­ges­willen mit­brachte. Kovac, der aske­ti­sche Stra­tege im weißen Hemd mit gestärktem Kragen, kühl und ober­fläch­lich emo­ti­onslos auf der einen Seite. Miguel Her­rera, den sie in Mexiko wegen seiner 1,69 Meter El Piojo“ („die Laus“) nennen, der die Über­macht an eigenen Fans selbst nach dem 3:0 noch ges­ten­reich befeu­erte, als das Sta­dion längst einem Toll­haus glich, auf der anderen.

Mexiko wird unser Finale“, hatte Niko Kovac vor dem Spiel etwas unglück­lich for­mu­liert. Er ahnte nicht, wie Recht er haben würde. Es sollte das letzte Spiel seiner Elf bei dieser WM sein.