Müssen sich Fußballer fitspritzen lassen? Warum darf ein tätowierter Profi suspendiert werden? Und wann werden Überstunden endlich ausgeglichen? Arbeitsrechtler und Fußballfachmann Dr. Christopher Wiencke hat die Antworten.
Hat der Verein nicht trotzdem eine Fürsorgepflicht?
Genau das ist meine Meinung! Jeder Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht – und die ist im Sport sogar besonders stark. Ich finde, dass jeder Verein aktiv darauf hinwirken muss, dass die Spieler sich nicht fitspritzen lassen. Wenn sich der Spieler aufgrund des anhaltenden, vom Verein gebilligten, Fitspritzens dauerhaft verletzt oder sogar zum Sportinvaliden wird, dann hat der Verein ein Haftungsrisiko.
Die Vereine würden also zur Kasse gebeten.
Leider ist dieser Themenkomplex juristisch bisher kaum angesprochen und untersucht worden. Obwohl der Verein, wenn sein Spieler zum Beispiel aufgrund der Verletzung keinen neuen Verein finden würde, eigentlich für den Schaden haften müsste.
Ist das schon einmal passiert?
In dieser Form nicht. Bei Ivan Klasnic, der so etwas in ähnlicher Weise durchlebt hat, sollen nach dem erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Bremen zumindest die Ärzte für einen Behandlungsfehler haften.
Was aber geschieht mit Spielern, die sich partout nicht fitspritzen lassen wollen?
Das Problem ist, dass ein Verein den einzelnen Profi eben nicht einsetzen muss. Ein Spieler kann sich immer nur die Teilnahme am Training erstreiten.
Ist dieses Dilemma irgendwie lösbar?
Unter welchen Kriterien sollten denn Einsätze garantiert werden? Felix Magath hätte jedenfalls große Probleme bekommen, wenn er jedem Spieler seiner 30er-Kader auch immer Spielminuten hätte zusichern müssen. Das sind eben die Besonderheiten des Sports.
Trotzdem: müssten die Klubs nicht viel mehr für ihre Profis sorgen?
Definitiv. So richtig hochgekocht ist die Thematik mit dem Suizid von Robert Enke. Aber gerade heute sind die Fußballer einem größer werdenden Druck ausgesetzt. Zum Beispiel in der Digitalisierung: eine falsche Bewegung, ein lustiges Foto und etwas Photoshop und der Spieler geht viral. Meines Erachtens müssten die Vereine dafür psychologische Betreuungen vorhalten, gerade auch für minderjährige, besonders schutzbedürftige Spieler.
Ohne Zweifel, aber um zur letzten Frage der 11Freunde-Belegschaft zu kommen: wie sieht es eigentlich mit dem Vaterschaftsurlaub in der Bundesliga aus?
(lacht) Diese Frage habe ich mir tatsächlich noch nie gestellt. Unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Ankündigungsfristen könnte grundsätzlich auch ein Bundesligaprofi Elternzeit nehmen. In der Konsequenz muss er aber damit einverstanden sein, monatelang nicht zu spielen – und weitestgehend auf seine Einkünfte zu verzichten, da das Elterngeld bei € 1.800 gedeckelt ist.