Spätestens seit der Weltmeisterschaft steht die DFB-Elf für Inkonstanz, die Außenverteidiger sind schon viel länger eine Problemzone. Wenn Jogi Löw es ernst meint mit dem Umbruch, sollte er Danny Da Costa nominieren.
Nach dem Sieg gegen Apollon Limassol in der Europa League machte es Frankfurts Danny Da Costa den anwesenden Journalisten leicht und interviewte sich einfach selbst. „Bin ich froh, dass wir eine Runde weiter sind? Ja. Finde ich es cool, dass die Fans uns so sehr unterstützen? Ja, das finde ich sehr cool. Geht jetzt der Fokus auf Sonntag? Ja. Bin ich froh, wenn danach mal wieder Pause ist? Selbstverständlich, denn eine Pause tut immer gut.“
Selbstironie und ‑bewusstsein konnte sich Da Costa leisten. Bei der Eintracht insgesamt und Da Costa im Speziellen läuft es aktuell. Auch wenn der Kollege des Hessischen Rundfunks ihn etwas bremsen musste, mit dem Hinweis, man habe nicht acht Mal in Folge gewonnen, sondern in Nürnberg nur Unentschieden gespielt. „Das ist ausbaufähig. Da müssen wir ein bisschen dran arbeiten“, reagierte Da Costa cool.
Der 25-Jährige stand in jedem dieser acht, wie auch in allen anderen Spielen von Beginn an auf dem Platz. Trainer Adi Hütter betonte regelmäßig, Da Costa sei der einzige Spieler, der aktuell nicht ausfallen dürfe. Einerseits, weil mit Timothy Chandler der einzige Ersatz verletzt ist und der Klub es verpasste, im Sommer einen weiteren Backup zu verpflichten. Andererseits, weil Da Costa auf dem rechten Flügel des Tabellenvierten vorne wie hinten zur absoluten Bank geworden ist. Er steht für Konstanz. Im Gegenteil zur Nationalmannschaft, die spätestens seit der WM mit wechselhaften Leistungen kämpft, häufig in ein und demselben Spiel. Weshalb es höchste Zeit ist, dass Da Costa auch dort eine Chance bekommt.
Problemzone Außenverteidiger
Er hat alle U‑Nationalmannschaften des DFB durchlaufen. Als U21-Nationalspieler in Diensten des FC Ingolstadt erlitt er einen offenen Unterschenkelbruch, der ihn an den Rand des Karriereendes brachte. Doch seit dieser Saison scheint er vollends im Profifußball angekommen. Er läuft rund elf Kilometer pro Spiel und gewinnt deutlich über die Hälfte seiner Zweikämpfe. Bei durchschnittlich 29 Sprints in einer Partie erreicht er Geschwindigkeiten über 33 Kilometern pro Stunde. Gleichzeitig ist er mit 1,87 Metern äußerst kopfballstark. „Im modernen Fußball gibt es hohe Erwartungen an die Position: vorne bei jeder Aktion dabei sein, Tore auflegen oder selber treffen. Gleichzeitig darf man hinten nichts vernachlässigen“, beschreibt Da Costa die Rolle des Außenverteidigers.
Wenn man im Kontext Nationalmannschaft über Rechtsverteidiger redet, endet man relativ schnell bei Philipp Lahm. Seit der langjährige Kapitän nach dem Weltmeistertitel 2014 zurücktrat, konnte die Planstelle hinten rechts nicht adäquat besetzt werden. Zunächst galt Joshua Kimmich als legitimer Nachfolger, doch der Bundestrainer sieht ihn mittlerweile im defensiven Mittelfeld. Die defensiven Außen sind beim DFB traditionell die Problemzone und ähnlich inkonstant wie die Leistungen der Mannschaft dieses Jahr. Löw setzte in der Nationalmannschaft schon über 20 verschiedene Rechtsverteidiger ein. Außer Lahm konnte keiner überzeugen.
Wirklich plausible Optionen scheinen aus Sicht des Bundestrainers aber auch rar gesät. Die Gründe dafür können in der fußballerischen Ausbildung gesucht werden. Oder: „Vielleicht ist das Anforderungsprofil für die Position zu weit gestiegen“, wie Da Costa mutmaßt. So oder so, die Realität lautet: Im DFB-Kader für die Spiele gegen Russland und die Niederlande stehen zwei gelernte Außenverteidiger, Jonas Hector und Nico Schulz. Beide sind mit ihrem rechten Fuß eigentlich auf der linken Seite zu Hause. Hector verletzte sich auch noch im ersten Spiel, Schulz kam für ihn rein.
Löw experimentiert seit der misslungenen WM, um der DFB-Elf wieder ein aufregendes, schnelles und effizientes Spiel beizubringen. Gegen Russland ließ er im 3−4−3 spielen, also ohne klassische Außenverteidiger. Auf den rechten Flügel stand Thilo Kehrer, eigentlich Innenverteidiger. Taktische Flexibilität heißt das Gebot der Stunde in der Nationalmannschaft – und bei Eintracht Frankfurt. Unter Adi Hütter spielt Da Costa in verschiedenen Systemen, als Rechtsaußen und ‑verteidiger, einen schnellen und effizienten Fußball, der situativ an den Gegner angepasst wird. Eben das, was Löw sich für sein Team nach dem Umbruch vorstellt.
Hundert Debütanten – einmal Frankfurt
Um Teil dessen zu sein, ist Da Costa keinesfalls zu alt. Die Erneuerung der Nationalmannschaft fällt unter Löw bislang sowieso eher verhalten als radikal aus. Der Bundestrainer sollte mit alten Traditionen brechen. Zum Beispiel, dass Spieler von Eintracht Frankfurt bei ihm keine Chance bekommen. 100 Debütanten gab Löw schon Einsatzzeit. Nur einer von ihnen kam aus Frankfurt: Sebastian Jung, ebenfalls Rechtsverteidiger.
Der DFB und sein Vorzeigeprodukt „Die Mannschaft“ haben sich im Erfolg und der zweifelsohne riesigen spielerischen Klasse der Generation Lahm gesonnt, die mittlerweile alt geworden oder zurückgetreten ist. Das kann zum Zustand der Arroganz führen, der spätestens bei der Weltmeisterschaft erstmals erreicht worden war, wie auch Löw selbst feststellte. Es ist Zeit, dass die Nationalmannschaft einen Charakterwandel vollzieht. Mit seiner Entscheidung zum Weitermachen hat Löw sich selbst die Verantwortung auferlegt, ihn anzuleiten.
„Habe ich mich gefreut über den Anruf des Bundestrainers?“
Wenn er es ernst meint mit dem Umbruch, sollte er Danny Da Costa nominieren. Auch wenn Adi Hütter die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würde aus Sorge um den Unersetzlichen.
Und wie würde Da Costa auf eine Nominierung reagieren? Das kann man sich selbst beantworten: „Habe ich mich gefreut über den Anruf des Bundestrainers? Klar, habe ich mich sehr gefreut, wer würde das nicht. Ich kann mein Debüt kaum erwarten. Habe ich mit der Nominierung gerechnet? Nein, seit der U21 sind ja einige Jahre vergangen. Hatte ich sie verdient? Zu 100 Prozent.“