Über Jahre wurde Diego Maradona vom FC Barcelona umworben, ehe er 1982 zu den Spaniern wechselte. Und die? Präsentierten ihren Superstar heute vor 40 Jahren in Meppen.
Gerd van Zoest hat an jenem Abend im Januar großes Glück, denn er wählt auch die Nummer des UEFA-Spielervermittlers Günther Bachmann. „Herr Van Zoest, erst vor fünf Minuten rief mich der FC Barcelona an“, sagt der. „Haben Sie Lust?“ Tatsächlich sucht der von Udo Lattek trainierte amtierende Europapokalsieger aus Spanien einen Testspielgegner für das Sommertrainingslager in den Niederlanden. Lattek, der noch als Aktiver des VfL Osnabrück gegen Meppen gespielt hatte, fürchtet aber die robuste Spielweise der Holländer und ist daher bereit, die zweistündige Fahrt ins Emsland einzugehen. Also setzt Van Zoest einen kleinen Vertrag auf. „Das war ein ganz einfaches Dokument. Barcelona kommt in stärkster Besetzung, drei, vier Sätze, UEFA-Stempel und fertig.“ Als hätte der Meppener einmal in seine Hand gespuckt und sie dem Klub aus Spanien gereicht. Kommt Jungs, Hand drauf. 70 000 Mark kostet das Gastspiel, etwa 225 000 Mark werden die Vereinsbosse einnehmen. Mensch, Wolfgang, haben wir einen Dusel.
Doch nur wenige Tage, nachdem der SV Meppen den Gast ankündigt, wird der Oberligist von den Ereignissen des zaghaft globalisierten Fußballs überrumpelt. Barcelona hat Maradona verpflichtet! In diesem Moment brechen nahe der Ems alle Dämme. Der Verein muss den Vorverkauf stoppen. „Lourdes könnte nicht begehrter sein“, schreibt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Was ist schon ein Wallfahrtsort gegen die Möglichkeit, dem Heiland persönlich zu begegnen? Die investierten 70 000 Mark des SV Meppen werden zum Spottpreis, hat doch Barcelonas Präsident José Luis Nunez eben erst angedroht, dass sogar die schwächeren Vereine der spanischen Liga 25 000 Mark zahlen müssen, wenn Maradona gegen sie spielen sollen.
„Wenn er diesen Vereinen die Stadien füllen soll, müssen sie uns dafür auch bezahlen.“ Nunez hat sich ein Prinzip zunutze gemacht, das Maradonas Transfer nach Spanien lange behinderte. Mit 15 Jahren galt der Spieler in Argentinien als ein „Junge mit goldenen Füßen und goldener Zukunft.“ Mit 17 wird er Profi, mit 18 zieht er mit seiner Familie aus den Slums in eine Millionen-Dollar-Villa, mit 19 bietet Barcelona erstmals um Maradona. Doch der argentinische Verband verwehrt den Wechsel. Für Argentinos Juniors’ erste Mannschaft hat er noch als Teenager sagenhafte 136 Tore in 168 Spielen erzielt. Auf einem Platz, der schon zu dieser Zeit mit keiner europäischen Bezirkssportanlage mithalten kann. Doch statt nach Barcelona zu gehen, insistiert die AFA. Verband, Vereine und Berater ahnen, wie viel Geld mit Maradona zu machen ist. Und das Land will mit ihm den WM-Titel von 1978 verteidigen. Mithilfe von Toto-Lotto-Geldern und einer argentinischen Investmentgruppe wird Maradona zu Boca Juniors gelockt, und auch hier spielt er groß auf, er trifft 28 Mal in 40 Partien. Wo Maradona aufläuft, sind die argentinischen Stadien gefüllt.
„Wenn er diesen Vereinen die Stadien füllen soll, müssen sie uns dafür auch bezahlen.“
Am Vorabend des Spiels reisen Gerd van Zoest und Wolfgang Gersmann zur Sicherheit ins niederländische Papendal, dem Trainingsort Barcelonas. Dort verspricht Lattek in der Hotellobby aus seinem gepolsterten Sessel heraus: „Ja, Maradona spielt sein erstes Spiel auf europäischem Boden in Meppen.“ Lattek hatte Angebote aus den Niederlanden, aus Deutschland, aber er will weiterhin nur Meppen. „Weil ich weiß, dass der SV Meppen gegen Profimannschaften immer gut ausgesehen hat.“ Allan Simonsen, Europas Fußballer des Jahres, Spaniens Torschützenkönig Quini, sogar der verletzte Bernd Schuster werden deshalb nach Meppen kommen. Aber sie werden am Rande des Lichts, das Diego Maradona wirft, kaum noch wahrgenommen.
Der Mannschaftsbus der Katalanen trifft am Nachmittag hinter der einzigen Sitzplatztribüne des Emslandstadions ein, dort, wo es hineingeht in den Kabinentrakt. Schon auf der Hauptstraße haben die Menschen gestanden, um einen ersten Blick auf Maradona zu erhaschen. Jetzt erst streckt sich der dunkle Lockenkopf durch die Tür des Reisebusses, dann, nachdem ein Polizeibeamter mit seinem Schäferhund eine Gasse gebildet hat, ist Maradona für einen kurzen Moment zu sehen. Im feingestreiften Poloshirt mit zwei Paaren schwarzer Puma-Schuhe in den Händen. Die Schnürbänder seiner offenen weißen Sneaker flattern umher. Meppens Macher Gerd van Zoest schirmt den jungen Maradona vorsichtig ab, doch der Star nimmt den Trubel um seine Person gar nicht ernst. Zwölf Jahre später wird der gleiche Mann zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, weil er mit einem Luftgewehr auf Journalisten geschossen hat.